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Gegenüber dem Vorjahr ist die Anzahl der Erstveröffentlichungen in 2008 gleich geblieben. Ich habe 78 (Vorjahr 70) Adventurespiele gezählt. In dieser Zahl sind 27 (13) zum Teil sehr
professionell wirkende Freeware- und Fanspiele enthalten.
Publisher mit den meisten Adventure-Erstveröffentlichungen 2008: Akella (Russland) (10 Titel)
![]() Limbo of the Lost
![]() Zak McKracken 2 - Between Time and Space
![]() Dracula 3 - Der Pfad des Drachen
Zwischen Plagiat und Innovation Das Bonmot: "Was ist der Unterschied zwischen Innovation und Plagiat? Die Innovation wurde noch nicht als Plagiat erkannt!" verdeutlicht, wie nahe sich Kreativität und Imitation in der Realität stehen. Was es nicht beantworten kann, ist die Frage, warum die einen Nachahmungen hoch gelobt, die anderen empört verteufelt werden und wo die Grenze zu ziehen ist. Im Auge der Betrachter sind nur solche Rekombinationen wirklich verabscheuenswert, die ihrer Meinung nach tumbe Kopien des ihnen Bekannten sind und sie deshalb langweilen. Nichts ist aber mehr zu verteufeln als der Langweiler. Collagen, Variationen und Zitate aus Gemälden, Filmen, Romanen werden anerkennend gewürdigt, stilistischer oder inhaltlicher Eklektizismus geradezu gefeiert - aber wehe wenn die persönliche Langweilgrenze überschritten wird, wenn der Anbieter zu nah am Aktuellen in den Köpfen der Betrachter gefischt hat! Auch die postmoderne Kultur hat dieses klare Feindbild, obwohl sie selbst aus dem Gefühl hervorgegangen ist, daß das Neue nur das vergessene Alte in neuem Zusammenhang ist, Neues nur anders zusammengefügtes Altes sein kann und über die Endlichkeit der möglichen Kombinationen sinniert. Das Dilemma der Spieleentwickler liegt im regelmäßig formulierten Anspruch, Neues zu schaffen ohne die Spieler mit Quantensprüngen zu verunsichern, Originalität ohne Revolution herzustellen. Denn diese schreien nach dem Neuen, meinen aber die fortlaufende Variation: man besteht auf der herkömmlichen Steuerung, man will die alten Charaktere, man bevorzugt den altbekannten Grafikstil, man liebt die Art der Rätsel und möglichst ähnliche Sujets. Man sehnt sich nach Serien. Man kämpft für Gabriel Knight 4 bis unendlich. Man schätzt das Selbstplagiat. Man will die geliebte Geschichte zum hundersten Mal erzählt hören, man fordert den alten Hit: "Bitte neue Melodien nur in sparsamen Dosen". Nur die Dummen erfinden deshalb das Rad völlig neu und nur die Dummen wandeln mehrere Paradigmen gleichzeitig. Es lebe die Monotonie, die Einfalt statt Vielfalt, das Remake, das unintelligente Design, die ewige Wiederkunft, das kommerzielle Fanadventure! Kommerziell taugliche Innovationen scheinen am Selektionspunkt des Marktes nur in evolutionären Schritten möglich. Spontane Ideen stören die Planvorgaben der Kreativindustrie.
Vom Wimmelbild zum Casual Adventure Die Adventuresumme von 2008 stellt undifferenziert gesehen einen Aufwärtstrend dar. Tatsächlich ist jedoch die Zahl der kommerziellen Veröffentlichungen um 10% gesunken. Während die Zahl der Freewareadventures sich etwa verdoppelt hat wurden viele angekündigte Verkaufstitel ins nächste Jahr verschoben. Das mag Adventurespieler hoffen lassen, es läge primär am Qualitätsstreben der Publisher. Im engen Zusammenhang steht jedoch der rasante Aufstieg eines anderen Genres: der Hidden-Object-Games, dem Missing-Link zwischen Bilderbuch und Eignungstest. Diese schnell und billigst produzierbaren Spiele bedienen den Teil der Adventuregemeinde, der das sucht, was in der Adventurekritik schon fast als Makel gilt: Konzentration auf Pixelhunt und Kleptomaneninventare. Diese Casualgames verdrängen in den Portfolien der Anbieter originäre Adventurespiele und werden sogar unter der irreführenden Überschrift "Adventure" angeboten. Die Casualschwemme beruht auch auf der Bereitschaft der Kunden, erstaunlich hohe Preise dafür zu zahlen. Ihre Entwicklung verläuft in raschen Abständen von einfachen Wimmelbildspielen über die Hereinnahme von Videoszenen und Minigames bis zum Ausbau der Rahmengeschichten in Richtung Casual Adventures und trifft dabei auf die sich in den letzten Jahren zurückentwickelnden Adventurespielformate, die minimalisiert, entgratet, verkürzt, entschwierigt und zerstückelt werden. Wirklich große, inhaltlich komplexe, grafisch aufwendige und langdauernde Adventureproduktionen sind nur noch die Ausnahme.
Kitsch und Kultur Seit 2008 ist es offiziell: Computerspiele sind Kulturgut.
Nicht, daß sie es nicht schon vorher gewesen wären, genauso wie der Gartenzwerg,
unabhängig vom Stellenwert bei Medien und Verbänden. Aber durch die Aufnahme im Verein
"Deutscher Kulturrat e.V." verschiebt sich die Bewertung von elektronischen
Spielen allmählich von der Schmuddelecke in den ernsthaft zu betrachtenden Kulturbereich,
besonders deshalb, weil der Kulturlobbydachverband an der sprachlos beäugten
Umsatzsteigerung von 21% nicht mehr verbeikommt. Der erstmalig ausgelobte, hochdotierte
deutsche Computerspielepreis will im März 2009 Spiele des Vorjahrs auszeichnen, die über
den Spaßfaktor hinaus qualitativ besonders hochwertig und pädagogisch besonders wertvoll
sind. In der Vergangenheit wäre dieser Preis eine sichere Bank für das Adventuregenre
gewesen. Dummerweise hat die Branche im bewertbaren Zeitraum jenseits der Trivialität
wenig Vorzeigbares geboren. Kommerzielle Adventures waren nicht zwingend auch
professionell. Beim Einsatz derselben Werkzeuge wie Freewareentwickler vermischen sich
Qualitätsgrenzen. Vielversprechende Themen wurden oberflächlich abgehandelt. Stereotype,
verschlissene Bilder und Schablonen fanden allzuoft den Vorzug. Technische Fehler und
schlechte Qualitätskontrolle zeugten von fahrigen Produktionen.
slydos 01/2009
adventure-archiv 19.01.09 |
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