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1½ Ritter auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde
Entwickler: Daedalic
Releasedatum: 12.12.08
Publisher: Warner Bros. InteractiveSpielsprache: deutsch
USK: ab 12 Jahren
Ein Review von slydos 16. Dezember 2008
Til Schweiger hat mal wieder Freunde eingeladen, verbrachte eine nette Zeit mit Ihnen und produzierte nebenbei einen Kinofilm. Bereits eine Woche vor der Kinopremiere von "1½ Ritter auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde", erblickt das Adventurespiel zum Film das schummrige Adventslicht der Vorweihnachtsregale. Daedalic Entertainment, just mehrfach ausgezeichnet für ihr Comicadventure "Edna bricht aus", hat sich an die Adaption der Kinokomödie gemacht. Wie wahrscheinlich viele andere habe auch ich mich gefragt, warum die Spiel- vor der Filmveröffentlichung stattfindet. Es drängt sich die Vermutung auf, daß diesmal das Spiel als Zugpferd für den Film dienen soll und nicht umgekehrt.
Geschichte
Möglicherweise inspiriert durch den erfolgreichsten französischen Kinofilm aller Zeiten, "Les Visiteurs"("Die Besucher") mit Jean Reno, spielt die Geschichte des Schweiger-Films, an die sich das Spiel eng anlehnt, in einer klamaukhaften Verknüpfung von Mittelalter und Jetztzeit, nur daß 1½ Ritter dies nicht per Zeitreise verwirklicht, sondern die abgedrehte Vergangenheit im Flintstones-Stil präsentiert, also moderne Gerätschaften und Sprache in die Ritterzeit versetzt, wie z.B. einen Burger-Drive-In.
Ritter Lanze ist 'Bodyguard' von Prinzessin Herzelinde. Man benutzt den Anglizismus, nicht das gute deutsche 'Leibwächter' und das setzt sich auch so fort. Lanze kann nicht verhindern, daß seine Schutzbefohlene entführt wird. Dafür landet er im Gefängnis und trifft dort auf den Möchtegernritter Erdal, mit dem er von nun an eine Zweckgemeinschaft bildet, um Herzelinde zu finden. Lanze verkörpert den ehrbaren und aufrichtigen Ritter, Erdal den Lebenskünstler und Gauner, der sich als charmanter Lügner durchschlägt. Dieser gibt vor, den Aufenthaltsort des Schwarzen Ritters zu kennen, dem man die Entführung der Prinzessin zuschreibt. Die beiden durchstehen haarsträubende Abenteuer mit Abstechern in ein mittelalterliches Casino, in das Camp eines Robin-Hood-Verschnitts und sogar in die Märchenabteilung der Comicwelt. Erdal richtet es immer so ein, daß Ritter Lanze die Hauptarbeit leistet und so ist es nicht verwunderlich, daß wir auch nur ihn in diesem Adventurespiel steuern.
Die Geschichte hat einen Bart, daß sich selbst ZZ-Top danach umdrehen würden aber sie treibt dem unumgänglichen Happy-End trotz vieler Hindernisse und Umwege mit viel Tempo entgegen. Langeweile kommt da nicht vor, denn es werden den beiden so unterschiedlichen Helden zahlreiche witzige Dialoge und Kommentare in den Mund gelegt. Sicherlich ist Humor Geschmacksache und dieses Adventure hat auch nicht den Anspruch, mehr zu sein, als eine leicht-seichte Komödie. Die Anspielungen, Kalauer und Witzchen bringen es aber durchaus auf familientaugliches Niveau, landen manchmal echte Schmunzeltreffer und gehen einem glücklicherweise nicht durch die Suche nach permanenten Schenkelklopfern ohne Erholungschance auf die Nerven. Die Story von 1,5 Ritter ist zwar absehbar, wird jedoch amüsant, temporeich und unterhaltend erzählt.
Dialoge/Sprachausgabe
Wie bereits in "Edna bricht aus", hat sich Daedalic bemüht, jede nur mögliche Spieleraktion mit einem individuellen Kommentar zu bedenken. Die Spieler danken es, indem sie nicht nur das Nötige tun, sondern gern auch mal erforschen, welche Texte eher unwahrscheinlichen Handlungen zugeordnet wurden. Schnell hat man sich an Til Schweigers gleichförmiges, eintöniges Genuschel gewöhnt, wodurch es vereinzelt umso mehr schockt, wenn der Darsteller es wagt, aus sich herauszugehen um eine Betonung zu setzen! Die Entwickler wußten natürlich um diese Problematik und haben seine Nuschelei sogar thematisch eingebaut. Das nenne ich mal aus der Not eine Tugend machen! :-) Einige der anderen Filmakteure haben sich auch im Spiel selbst synchronisiert, wie Udo Kier, den Schweiger wohl gleich von "Far Cry" mitgenommen hat und den man nicht nur an der Stimme schnell erkennt. Wie Schweiger setzt Kier auf sein Aussehen, da er ebenfalls nicht zu den Spitzensprechern gehört. Nun, zumindest bekommt man seine echte Stimme zu hören, während Thomas Gottschalk, Roberto Blanko oder Hannelore Elsner von anderen Sprechern verkörpert werden. Allein Rick Kavanian bringt als Erdal Qualität in die Phalanx der Ableser-Sprechstimmen hinein und bedient das Türkendeutsch-Klischee ausdrucksvoll und passend zum Textinhalt.
Lippensynchronität gibt es so gut wie gar nicht. Bei Pausen bearbeiten die virtuellen Charaktere munter weiter ihre virtuellen Kaugummis, auch wenn sie nur ein einfaches "Ja" zum besten geben müssen. Wer sich an der mittelmäßigen Sprachausgabe stören sollte, kann sie im Optionsmenü stumm schalten. Sie ist dort getrennt regelbar, genauso wie Musik und Geräuscheffekte. Ich kann mich an keine nennenswerte Musikuntermalung außer in den Zwischensequenzen beim Kapitelwechsel erinnern. Dafür werden aber einprägsame Soundeffekte wie z.B. lautes Knirschen gerne eingesetzt, um uns zu verdeutlichen, wenn eine Manipulation an einem Inventarobjekt gelungen ist. Das ist insofern nützlich, da sich das Inventar immer sofort schließt, sobald wir den Mausklick ausgeführt haben.
Bedienung
Gegenüber "Edna" hat man sich eine andere Inventarposition ausgedacht: nicht mehr auf der rechten Seite, sondern in der Bildmitte, als gut die Hälfte des Bildschirms einnehmendes Fenster, das sich durch Rechtsklick öffnet und sich automatisch schließt, wenn die Maus den Inventarbereich verläßt.
Prinzipiell geht das Inventarhandling in Ordnung. Komfortabler wäre es jedoch, wenn Inventargegenstände nicht nach jeder Anwendung wieder verschwinden würden, sondern solange am Cursor haften blieben, bis man sie nicht mehr benötigt. Unangenehm ist es ebenfalls, wenn sich das Inventar nach jedem bloßen Anschauen eines Inventargegenstandes schließt, anstatt mehrere solche Manipulationen nacheinander zuzulassen.
Mit Inventarobjekten kann man genauso interagieren wie mit Hotspots im Spielbereich: drückt und hält man die linke Maustaste, erscheint ein dreiteiliges Kontextmenü mit den Aktions-Icons für Ansehen, Ansprechen oder Nehmen/Manipulieren. Das Mundicon steht dabei nicht nur für sprechen, sondern auch für alle anderen Tätigkeiten, die man mit dem Mund ausführen kann, z.B. essen, trinken oder blasen.
Lanze wird mit Linksklick gesteuert, Hotspotbezeichnungen erscheinen in der Titelzeile bei Mausberührung. Die ESC-Taste führt ins Menü und die Leertaste zeigt alle verfügbaren Hotspots an. Angenehm, daß Lanze sich nicht jedesmal zum Hotspot hinbewegt, wenn er dort nichts zu erledigen hat, sondern nur einen Kommentar aus der Ferne abgibt.
Über das Hauptmenü erreichen wir die Optionen und die Speicher- bzw. Ladefunktionen. Wir können den Spielständen eigene Namen geben. Leider ist immer der Älteste zuorberst, aber mal kann recht schnell zum neuesten Spielstand scrollen.
Eine Zumutung sind in diesem Zusammenhang die Lade- bzw. Speicherzeiten! Und dieser Satz hat wirklich ein Ausrufungszeichen verdient! Ich bin nicht so kleinlich, daß ich mich durch die 15-30 Sekunden, die das Speichern und Laden in den ersten beiden Kapiteln benötigt, wirklich gestört fühle. Aber danach geht es mit den Wartezeiten bergauf. Und das nicht zu knapp! In den letzten Kapiteln (4 und 5) mußte ich etwa 2 Minuten warten, um einen Spielstand zu laden, 4-5 Minuten jeweils, um einen Spielstand zu speichern. Vor jedem Minispiel und in der Endphase vor den vielen aufeinanderfolgenden Minispielen wurde die Autospeicherung damit zur Tortur.
Um dem zu entfliehen, kann ich leider nicht raten, einfach ohne Speicherung durchzuspielen, da in einem fortgeschrittenen Spielabschnitt ein kleiner Sackgassen-Bug übersehen wurde, der dazu zwingt, den letzten Spielstand zu laden. Es handelt sich um eine Szene, in der Lanze einen Schalter umlegt um so Zugang zu einem Geheimfach zu erlangen. Sobald man den Schalter erneut benutzt und sinngemäß weiterspielt, bewegen sich weder Schalter noch der Kollege Erdal einen Milimeter und Lanze bleibt gefangen. Obwohl ich keine Abstürze auf meinem System zu verzeichnen hatte, würde ich deshalb trotzdem empfehlen, in den zeitlichen Abständen zu speichern, die man maximal bereit ist, das Spiel zu wiederholen.
Rätsel
1,5 Ritter ist ein klassisches Point&Click 3rd-Person Adventure mit einer Vielzahl von Inventar- und Objekträtseln, die trotz des verrückten Settings so logisch sind, daß man für einen fließenden Spielablauf nicht wirklich Hilfe braucht, aber wiederum so knifflig und abwechslungsreich entworfen wurden, daß es eine Freude ist, sich damit zu beschäftigen. Die Anzahl der spielrelevanten Hotspots ist ansehnlich, wird aber auch noch durch nicht direkt den Spielfortschritt fördernde Hotspots egänzt. Das vermittelt das Gefühl einer Fülle von Interaktionsmöglichkeiten, obwohl Menge und Größe der verschiedenen Schauplätze relativ begrenzt sind.
Hinzu kommen noch andere Rätselarten, wie ein knackiges Dialogrätsel, das auf Beobachtungen beruht, Logikrätsel einerseits in Gestalt von Minispielen, andererseits direkt im Spiel integriert, Merkrätsel, Minispiele, die zusätzlich Rhythmusgefühl und Reaktionsfähigkeit verlangen, zeitabhängige visuelle Erkennungsrätsel, u.a..
Drei der Minispiele müssen einmal geschafft werden und können danach unabhängig über das Startmenü erneut aufgerufen werden. Die Minispiele, auch die Reaktionsspiele, wie z.B. das Hühnerroulette, sind nach mehreren Anläufen auch für unerfahrene Spieler durchführbar. Ein Merk-Logikrätsel, das wir bereits zu einem früheren Zeitpunkt im Spiel kennengelernt haben, wird als Endspiel in verschärfter Form erneut aufgelegt und unterliegt einem Zufallsgenerator.
Der Zusammenhang der Rätsel ist in kleinen Bereichen nichtlinear, die Wege sind kurz, die Aufgaben einfallsreich, die Lösung macht Spaß. An einer Stelle ist ein GameOver möglich, man wird jedoch bei Nichtgelingen automatisch an die entsprechende Ausgangsposition zurückversetzt.
Je nach Beschäftigung mit den Minispielen sollte die Spielzeit zwischen 12 und 14 Stunden liegen.
GrafikDie opulente Hintergrundgrafik im 2D-Comicstil bevorzugt dezente, warme Farbpaletten und beschränkt sich auf etwa 10 scrollbare Hauptschauplätze mit diversen Szenenbildern. Animationen wie Rauch, Wasser, sich wiegende Schilder usw. sorgen für belebte Szenarien, die die Augen ständig beschäftigen.
Die 2D Comic-Charaktere sind ihren Filmvorbildern so ähnlich nachempfunden, daß diese durchaus wiedererkannt werden. Neben den Großaufnahmen in Videoszenen wurde auch im Spiel Wert auf erkennbare Mimik, weniger jedoch passende Gestik gelegt. Über 30 interaktive Einzelcharaktere begegnen unseren beiden Helden.
Die 5 Kapitel werden während des Ladevorgangs durch das Einblenden von Rötelzeichnungen getrennt. Mindestens zu Beginn jedes Kapitels werden uns automatische Videoszenen geboten. In ihnen erhalten wir die notwendigen strategischen Hinweise, um so instruiert gleich wieder loslegen zu können.
Die Bewegungen von Lanze und Erdal wirken nicht wirklich realistisch, am wenigsten in der Perspektive, und reichen natürlich nicht wirklich an das aufwendig gestaltete 3D-Personal aktueller Vergleichsspiele heran. Gesichtszüge und Mimik weisen jedoch einen wesentlich höheren Detailgrad auf als z.B. der Vorgänger "Edna".
Übrigens sollten Edna-Fans auf entsprechende Anspielungen in Kulissen und Texten achten und dem Abspann mindestens bis zum Ende der Namensangaben folgen. Als Belohnung finden sie hier noch eine Szene, die nicht über die normalen Credits im Startmenü zugänglich ist. Das Startmenü bietet neben dem adventureunabhängigen Zugang zu 3 Minispielen auch einen Trailer des Kinofilms.
Sonstiges
"1½ Ritter" kommt auf einer DVD in der üblichen DVD-Box, die wiederum in einem Miniklappkarton untergebracht ist. Das Cover der Packung und des Handbuchs schmücken die Hauptdarsteller des Films. Vorbildlich ist das 20seitige, farbige Handbuch: es wurde mit Screenshots und Spielillustrationen versehen, übersichtlich und gut lesbar gestaltet, beschreibt alle Spielfunktionen verständlich und enthält eine Lösungshilfe für den Beginn des Spiels.
Hinweis für Spieler der Demoversion
Die in der Demo gespeicherten Spielstände können zwar in der Kaufversion geladen und gespielt werden, lassen es aber nicht zu, Objekte ins Inventar aufzunehmen. Sie sollten also vor Spielbeginn entfernt werden.
Fazit
Ich werde mir "1½ Ritter auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde" nicht im Kino anschauen. Ich bin froh, wenn ich mich von Komikern und Laienspieltruppen in Form eines VIP-Panoptikums fernhalten kann.
Aber diese Adventureumsetzung lasse ich mir gern gefallen, weil ich sie sogar spielen kann ohne Til Schweiger lauschen zu müssen! Dies allein schiebt sie schon eine Nasenlänge vor ihr nichtinteraktives Filmvorbild.
Der Spaß besteht eindeutig in den überraschend vielseitigen Rätseln, den vielen Interaktionsmöglichkeiten, den individuellen Aktionskommentaren. Leichter, kürzer und seichter als Edna ist 1½ Ritter dennoch eine bessere Unterhaltung als erwartet.
Ich hege übrigens den leisen Verdacht, daß es sich gar nicht um das Spiel zum Film handelt, sondern umgekehrt der Film das Spiel begleitet. Schließlich bietet das Adventure auch etwa 8x soviel Unterhaltung wie der Film und das möglicherweise nicht nur in der zeitlichen Dimension.
Meine Gesamtbewertung: 75%
Bewertungssystem Adventure-Archiv:
- 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
- 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
- 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
- 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
- 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
- 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)
Systemvoraussetzungen:
- Windows XP/Vista
- 1 GHz Pentium oder gleichwertig
- 512 MB RAM
- 64 MB DirectX-kompatible Grafikkarte
- DirectX-kompatible Soundkarte
- DVDROM
- 2GB freier Festplattenspeicher
gespielt mit:
- Windows XP
- Pentium IV 3,6 GHz
- 2 GB RAM
- 48x DVD-ROM
- NVidia GeForce 7600GS 256 MB
- Soundkarte DirectX-kompatibel
Copyright © slydos für Adventure-Archiv, 16. Dezember 2008
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Startmenü
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