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Gegenüber dem Vorjahr ist die Anzahl der Erstveröffentlichungen in 2007 um 3% gestiegen. Ich habe 70 (Vorjahr 68) Adventurespiele gezählt. In dieser Zahl sind 13 (16) zum Teil sehr professionell wirkende Freeware- und Fanspiele enthalten. Von den restlichen 57 Spielen sind 7 (11) Spiele von unabhängigen Entwicklern, die nur über die Homepage vertrieben wurden. Insgesamt 14 (10) Spiele waren speziell für ein junges Publikum (Kinder/Teens) vorgesehen. 32 (37) Spiele gab es 2007 (noch) nicht in einer deutschen Version. Insgesamt 3 (1) Spiele waren Lern- oder Edutainment-Adventure. 3 (12) Spiele haben einen Anteil von Action- oder Reaktionselementen.
Publisher mit den meisten Adventure-Erstveröffentlichungen 2007: Akella (Russland) (12 Titel)
![]() Die drei Wünsche des Dr. Khotabich
Bestes
Freeware Adventure 2007:
![]() Dollar
Bestes Real-Grafik-Adventure
2007:
![]() Jack Keane
Für eine Übersicht über das Adventure-Genre wird Nordamerika als Produzent und Markt immer mehr zur Randgröße. Wen soll es auch wundern, nachdem Europa immer einiger wird, und mit einer Bevölkerung von mehr als doppelt soviel wie Nordamerika ein ganz anderes wirtschaftliches Kampfgewicht einbringt. Produzenten/Publisher finden wir fast nur noch im bevölkerungsmäßig der Größe von Norddeutschland entsprechenden Kanada, aber auch hier manifestiert sich nun endgültig der europäische Einfluß mit Übernahme von Dreamcatcher durch das österreichische Jowood. Die Lissabon-Strategie scheint zumindest in unserem betrachteten Kleinbereich zu wirken, nicht zuletzt mit Förderungsgeldern, die nun nicht mehr nur allein in den europäischen Nachbarländern fließen. In Europa arbeiten Publisher und Entwickler über Nationalgrenzen hinweg reibungsloser als vermutet zusammen und binden die verbliebenen Adventure-Kreativen aus Nordamerika mit ein. Eine Reihe deutschsprachiger Entwicklungsstudios sorgt verstärkt dafür, dass wir Adventures aus erster Hand in unserer Muttersprache erhalten, wenn sie auch selten inhaltlich in unserem eigenen doch eigentlich so vielfältigen Kulturraum angesiedelt werden. Anders da die Russen, die einerseits den Publisher mit den meisten Adventure-Erstveröffentlichungen stellen und auch gleichzeitig dafür sorgen, dass ihre Kunden im großen osteuropäischen Einzugsgebiet kein außerrussisches Adventure missen müssen. Das Genre spiegelt aber nicht nur politische Veränderungen sondern ist ihnen oft sogar einen Schritt voraus. 2007 haben erstmalig 2 türkische Adventurespiele den Schritt über die Landesgrenzen gemacht und sich in Europa zu Wort gemeldet. Meist abseits von blutigen Konsolenschlachten, Grafikscharmützeln und Firmenübernahmen gedieh das Geschäft mit Adventureprodukten 2007 eher anarchistisch als organisiert, sich gelegentlich selbst sabotierend, sowohl pubertär als auch altklug, libertär als auch schablonenhaft. Pilzen gleich, die sich im Schatten von Firmen-Mammuts einnisten, ploppen neue Firmen an die Oberfläche während ältere Wirtsgewächse das Genre als 'nutzbringenden Symbiont' für sich entdeckten. Es mag zwar eines der ältesten Genres sein, aber es birgt immer noch einen Ozean an nicht ausgeloteten Möglichkeiten. Für die meisten, die sich 2007 auf die offene See hinaus trauten, gab es die Sicherheit eines Publishers/Distributors, der die Aufgaben jenseits der Entwicklung übernahm und so wurden viele freie Independent-Entwickler eingefangen. Angst vor zu großer Einflussnahme, Einheitsbrei und Stromlinienform wurde zweifellos hörbar, hielt aber nur die wenigsten ab.
Verlorener Zauber Kleinster gemeinsamer Nenner - diese Metapher für Kompromisse auf niedrigstem Niveau, für Anpassung an den vermeintlichen Massengeschmack soll uns als wünschenswert, weil billig und machbar, eingetrichtert werden. Im Adventuregenre steht sie für Abkehr von Innovation und Kreativität, leistet der Verblödung der Pisageneration Vorschub und ist schlicht langweilig. Wenn man beliebte gesellschaftliche Zukunftsbilder betrachtet, so scheint die Uniformisierung der Welt unvermeidbar und wäre der produzierenden Wirtschaft nebenbei sehr angenehm. Glückliche Spieler erzeugt man jedoch durch Features, die ihre Individualität nicht nur berücksichtigen, sondern zum Inhalt haben. Welchen Spaß bereiteten einst Parserprogramme, die das Verhalten von Spielern messen, interpretieren und vor allen Dingen individuell beantworten konnten. In einer Zeit, da Online-Shops unsere geheimsten Wünsche zu ahnen scheinen, sollte es eigentlich ein Leichtes sein, wieder zu einer neuen Spiel-Individualität in Kombination mit heutiger Technik und Grafikqualität zurückzukehren. Wie bezaubernd wäre ein Spiel, dass sich den Fähigkeiten und den Bedürfnissen des Spielers automatisch anpassen würde, ohne dass man es dediziert einstellen müßte? Statt des kleinsten gemeinsamen Nenners das Smart-Adventure, wahlweise mit fixem Schwierigkeitsgrad?
Daß (k)einer des anderen Sprache verstehe Mehr als alle anderen Genres leben Adventurespiele vom Einsatz und Verständnis der Sprache. Deshalb sind Übersetzungen und Lokalisierungen besonders wichtige Einflußgrößen, selbst im polyglotten Europa in dem man auch mit Untertitelungen zu leben versteht. Wie bei Kinofilmen, die für den amerikanischen Markt z.B. nicht nachsynchronisiert sondern einfach mit Amerikanern nachgedreht werden, fallen in Computerspielen abweichende Mundbewegungen, ungewohnte Satzkonstruktionen und fremdländische Gestik selbst bei der besten Synchronisation irritierend auf. Die Übereinstimmung des Gehörten mit dem Gesehenen spielt unbewusst eine viel größere Rolle als manche Hersteller glauben wollen, denn die Feinheiten der Sprache bestehen nur zum Teil aus Lauten. Die zumindest theoretische Möglichkeit der genauesten Anpassung aller Kommunikationselemente unterscheidet künstlich erstellte von realen Charakteren - ein kniffliger, jedoch einzigartiger Vorteil des Mediums.
slydos 01/2008
adventure-archiv 21-01-08 |
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