Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich Aurora
zunächst völlig ignoriert habe, da ich wegen des Namens dachte, dass es sich um eins der
vielen Spiele im Myst-Stil handele - ein Genre, welches mich zugegebenermaßen nicht
sonderlich interessiert. Vermutlich habe ich das Erstlingswerk des
schweizerisch-italienischen Entwicklerteams Blumial Studios unterbewusst auch mit einem
anderen Adventure mit dem nicht unähnlich klingenden Namen Aura, einem weiteren
Myst-ähnlichen-Spiel assoziiert. Dass es in dieser Machart gehalten ist, stimmt aber nur
bedingt, denn in erster Linie hat es nur die Perspektive mit dieser Art von Abenteuern
gemein, da man es ebenfalls in der Ego-Ansicht spielt. Aurora besitzt von der Handlung
allerdings auch einen deutlichen Mystery-Einschlag, da unter anderem der Ufo-Absturz von
Roswell thematisiert wird. Denn zunächst ist es von der Machart ein Adventure im
Detektiv- bzw. Film Noir-Stil um überraschenderweise allmählich zum Sci-Fci-Adventure zu
mutieren.
Handlung
Es geht (zumindest augenscheinlich) also mal wieder um die
Roswell-Thematik. Die Story dürfte ja bekannt sein, wurde sie doch schon in vielen Filmen
und auch Spielen verwendet. Die Stadt sorgte bekanntlich in den 50er Jahren für einiges
Aufsehen und Schlagzeilen, da dort angeblich ein Ufo abgestürzt, vom Pentagon gefunden
und von diesen vor der Bevölkerung versteckt in ein Labor gebracht worden sein soll. Ich
habe mich nie näher mit dieser Geschichte beschäftigt, jedoch weiß ich, dass sich die
Gerüchte bis heute halten und die ganze Wahrheit vielleicht nie ans Licht kam.
Auf diesen wahren Tatsachen basierend setzt also Aurora mit einer
fiktiven Geschichte ein. Zunächst fängt aber alles noch wie ein gewöhnliches
Detektivspiel an. Wir spielen den Detektiv John Pillegi und erhalten einen neuen Fall,
denn uns wurde im Büro eine Nachricht hinterlassen. Eine junge Dame macht sich Sorgen um
ihren Freund Billy Reid und bittet den Detektiv um Hilfe. Viel mehr möchte ich auch gar
nicht verraten. Nur soviel: Die Ermittlungen führen den Detektiv zu wissenschaftlichen
Experimenten. Dabei findet das Spiel in verschiedenen Zeiten statt und ähnelt dabei von
der Art der Umsetzung und wegen der Thematik ein wenig Dark Fall 2.
Handhabung Kennste eines, kennste alle
Die Handhabung an sich bedarf keiner größeren Erklärungen, denn
es ist wieder mal ein Adventure mit einfachster Point-Click-Steuerung. Wer je eines
gespielt hat, dürfte keine Probleme bekommen. Aber auch wer sich völlig unerfahren ins
Abenteuer stürzt, sollte schnellstens mit der Steuerung durch das Spiel zurecht kommen:
Mit der Maus bewegt man den Cursor und lenkt so den Helden von Bild zu Bild. Verändert
sich der Cursor an einer bestimmten Stelle, kann man diese mit der linken Maustaste
betrachten, etwas benutzen oder einen Gegenstand aufnehmen. Dieser wandert dann ins
Inventar, welches sich öffnet, wenn man mit dem Cursor zur oberen linken Ecke fährt und
wo er solange bleibt, bis man ihn per Drag & Drop auf einen anderen Gegenstand
benutzt. Kann man ihn bis zum Ende des Spiels nicht verwenden, war es wohl ein roter
Hering. Wenn der Gong ertönt, schließen sie bitte die Augen. Dann wird am unteren
Bildrand des Rätsels Lösung eingeblendet. Wenn der Gong abermals ertönt, wird aus der
Einblendung eine Ausblendung...Ahm Pardon, das war was anderes...:-)
Wichtig ist aber noch, dass man sich Gegenstände im Inventar
ansehen kann und dieses auch tun sollte, da man teilweise erst durch das nähere
Untersuchen wichtige Hinweise bekommt. Ach ja, nicht vergessen, dass man Gegenstände auch
innerhalb des Inventars miteinander verwenden muss. Ins Optionsmenü gelangt man durch das
Klicken auf das Uhr-Symbol unten rechts. Hier kann man allerdings nur Laden, Speichern und
das Spiel beenden.
Ach ja, noch was: Klickt man das Optionsmenü an, findet man
anstelle von Lautstärkenreglung, Untertiteln und anderem Luxus" die
Möglichkeit, auf die englischsprachige Homepage zu gelangen, die Credits oder das
Handbuch zu lesen. Letzteres gibt es nämlich nicht in gedruckter Form, da die silberne
Scheibe nur nackt im DVD-Case ohne zellulosehaltiges Beiwerk daher kommt.
Grafik
Optionen im eigentlichen Sinne gibt es nicht und das Spiel kommt
noch etwas einfach daher, so wie man es von anderen Adventures dieser Größenordnung
kennt. Denn Aurora ist wie gesagt eines der sogenannten Independent- oder vielleicht auch
Kleinst-Entwickler- oder einfach semiprofessionellen Spiele, welche oftmals in kleinem
Rahmen von nur einer bzw. wenigen Personen mit geringem Budget entwickelt wurden. Die
Macher sind aber mit viel Idealismus dabei und stecken nicht selten ihre ganze Kraft in
ihr Projekt, so dass das Ergebnis zwar längst nicht aktuellsten Standards entspricht und
gar mit massig Sequenzen in High-End-Grafik aufwartet, nichtsdestotrotz aber einfach
schön anzusehen ist.
Das Spiel ist mit dem Adventure-Maker erstellt worden und es sind,
wie für diese Art Spiele üblich, teilweise nur schnöde vorgerenderte Standbilder, die
ausreichen, um das Herz des Independent-Adventure-Spielers zu erreichen. Viele der Bilder
sind aber auch schon mit Animationen angereichert. Ein Auto düst gelegentlich durch das
Bild. Ein Feuer lodert schon ganz eindrucksvoll im Kamin. Personen, mit denen man spricht,
bewegen sich. Und es gibt sogar schon einige kleine Filmsequenzen. Das alles sieht schon
ziemlich professionell, detailreich und gut ausgearbeitet aus, vor allem wenn man bedenkt,
dass hierzu teilweise nur einfachste Werkzeuge wie Paint verwendet wurden. Es gibt
überraschend viele Schauplätze und die Bilder sind dem Film-Noir-Stil entsprechend
düster gehalten und erinnern an Filme dieser Machart. Im weiteren Verlauf verwandelt sich
Aurora wie gesagt in ein reinrassiges Sci-Fi-Adventure. Wie auch immer - wegen der
Dunkelheit des Spiels (aber auch wegen der Atmosphäre) empfiehlt es sich, das Spiel
abends bei runtergelassenen Rollläden zu spielen.
Deutsche "Lokalisation" und andere Widrigkeiten
Sind sie ein wissbegieriger phantasievoller Mensch? Und sind sie
vielleicht sprachbegabt? Prima! Dann haben sie die besten Vorraussetzungen, mit Aurora
klar zu kommen. Denn die Gegenstände im Inventar sowie andere wichtige Elemente sind
einfach in der Muttersprache des Herstellers, also Italienisch belassen worden und sind
auch nicht unbedingt anhand ihres Aussehens zu identifizieren. Also ist heiteres Raten
angesagt. Oder wissen sie was mazzo di chiavi" oder piede di porco"
ist? (Letzteres ist übrigens nicht wirklich was aus Schwein.) Wie auch immer, so was zu
übergehen ist schon als ziemlich nachlässig um nicht zu sagen dreist zu bezeichnen und
macht das Spielen nicht unbedingt einfacher. Genau wie die Untertitel und andere Elemente,
die nicht selten komplett im Englischen belassen wurden. Die Quintessenz ist ein wilder
Sprachenmix wie anno dazumal in Babylon (ältere Spieler erinnern sich vielleicht noch).
Und die Untertitel sind entscheidend, denn Aurora verfügt
und das wäre ein zweiter Schwachpunkt über überhaupt keine Sprachausgabe, nicht
mal über eine englische. Gut, es ist ein kleines in Eigenregie hergestelltes Adventure.
Aber schließlich handelt es sich schon um ein Verkaufsspiel und andere Spiele in dieser
Preisklasse bzw. Größenordnung wie z.B. Delaware sind komplett synchronisiert. Und das
ansonsten ausgesprochen professionelle Spiel wirkt ohne Sprache wirklich leerer und zäher
als es eigentlich sein müsste, auch wenn man diese nach einer Weile gar nicht mehr
vermisst.
Sound
Die Hintergrundmusik besteht meistens aus einigen eher
minimalistisch gehaltenen Elektroniktracks und versteht es, Spannung zu erzeugen. Mit
musikalischer Begleitung ist man aber sehr sparsam umgegangen. Denn nicht selten hört man
schlicht gar nichts. Die Nebengeräusche sind teilweise noch nicht ganz ausgereift und
bestehen aus sich ständig wiederholenden, einfach gestrickten Loops. Ein Telefon im
Hintergrund will nicht mehr aufhören zu bimmeln und auch die Schreibmaschine rattert in
einem Zug ohne Pause durch. Das Pfeifen des Windes beim Militärcamp klingt künstlich,
denn man hört zu deutlich, dass hier ein einfaches kurzes Wind-Sample in einer
wiederkehrenden Tonfolge von vielleicht drei, vier Tönen abgespielt wird. Nun ja, das ist
noch ausbaufähig - es handelt sich ja wie gesagt noch um ein Erstlingswerk.
Rätsel
Eine Uhr als Symbol in einem Adventure, wie hier am unteren
Bildschirmrand eingeblendet sowie als Curser zu sehen ist im Allgemeinen ein für mich
äußerst beunruhigendes Zeichen. Denn das bedeutet meistens, dass entweder verstärkt
Zeitsequenzen zu bestehen sind oder sogar das ganze Spiel innerhalb eines Zeitrahmens zu
meistern ist. Besonders letzteres wäre ebenfalls ein Grund, ein Spiel im Zweifelsfall
komplett zu meiden. Jedoch kann ich hier Entwarnung geben. Es gibt nur wenige Situationen,
wo man mal kurzzeitig schnell handeln muss. So muss man sich z.B. rechtzeitig irgendwo
verstecken, um nicht von unserem Gegenspieler entdeckt zu werden. In dieser und in ein
paar anderen Situationen kann es dann auch zum Game Over kommen. Das ist aber die
Ausnahme. Ansonsten ist das Rätseldesign ausgesprochen abwechslungsreich und es kommt
eine große Palette von Aufgaben vor. In erster Linie müssen wir wie üblich Gegenstände
kombinieren. Des weiteren gibt es Schalterrätsel, ein Quiz, Verschiebepuzzles usw. Bei
den wenigen Dialogen muss man die richtige aus zwei, drei Antwortmöglichkeiten wählen.
Die Palette der Aufgaben reicht von gut nachvollziehbar bis nicht
selten ziemlich herausfordernd - Auch in der Hinsicht steht Aurora Dark Fall II in nichts
nach.
Allerdings erscheinen einige Rätsel teilweise verwirrend, auch wenn
manchmal die eigentliche Lösung gar nicht so schwer ist. Etwa wenn man eine bestimmte
Stelle einer Zeitung mit der Lupe absuchen muss. Ich hatte selbst noch Schwierigkeiten
diese zu finden, nachdem ich in die Lösung geschaut habe.
Aufpassen muss man auch, da längst nicht bei allen spielrelevanten
Gegenständen (wie etwa bei der gefüllte Badewanne) per Hotspot angezeigt wird, dass man
andere Gegenstände auf diese verwenden kann. Bei einem Rätsel benötigt man
Notenkenntnisse (oder eine gute Komplettlösung), denn zusätzlich muss man beachten, dass
hier auch die Noten netterweise" mit ihren englischen Bezeichnungen belassen
wurden. Einige wenige weitere Rätsel fand ich ebenso schwer nachvollziehbar, etwa, wie
man auf ein merkwürdiges Anagramm ohne Hinweise kommen kann.
Fazit
Aurora ist ein kleines, im Vergleich zur größeren Konkurrenz
unauffälliges Independent-Adventure, das mit verhältnismäßig wenig Aufsehen und
Werbeaufwand veröffentlicht worden ist. Daher freut es mich immer, wenn solch ein Spiel
neben den vielen bekannten Adventures, die zeitgleich erschienen sind, trotzdem die
angemessene Aufmerksamkeit bekommt. Allerdings handelt es sich um ein Spiel, welches es
einem anfangs wegen so mancher Schwäche nicht ganz leicht macht, von seinen eigentlichen
Qualitäten zu überzeugen. Im Endeffekt sind es zwei Dinge, die zunächst unangenehm
auffallen. Zum einen ist es die deutsche Umsetzung, die es kaum verdient, als solche
bezeichnet zu werden, da sich eher um einen lustigen Sprachmix aus Deutsch, Englisch und
Italienisch handelt - quasi trilingual.
Zweitens stört das komplette Fehlen der Sprachausgabe. Schade, hier
hat man am falschen Ende gespart. Denn während man bei einsamen Gruseladventures noch
darauf verzichten könnte bzw. bei Darkfall, Barrow Hill usw. das Fehlen (zumindest
größtenteils) sogar als Stilmittel eingesetzt wurde, um die Intensität sogar noch zu
erhöhen, wirkt das Detektivadventure etwa bei Telefonaten oder Dialogen leerer als es
sein müsste, Auch wenn das nach einer Weile immer weniger auffällt.
Das ist aber zumindest in sofern etwas schade, da man sich ansonsten
viel Mühe gegeben hat. Denn hat man sich erst einmal warmgespielt und sich mit den
Schwächen arrangiert, merkt man, dass das Spiel an sich sehr ansprechend und
anspruchsvoll gemacht wurde.
Die aus extrem vielen Schauplätzen bestehende düstere Film-Noir-
und Sci-Fi-Grafik an sich ist auf hohem Niveau und von der Qualität vergleichbar mit
anderen guten Independentspielen. Sie kann teilweise auch schon mit anderen technisch
nicht allzu aufwändigen professionellen First-Person-Spielen mithalten. Kleinere
Animationen, kurze Sequenzen und auch einige bewegte Charaktere beleben den Bildschirm.
Die Story an sich ist ausgesprochen überraschend und auf jeden Fall spannend erzählt.
Aurora verfügt zudem über eine lange Spielzeit und es lief (bis auf einen lahmen Cursor
an einer Stelle) fehlerfrei.
Wenige Rätsel fand ich weniger gut nachvollziehbarer,
größtenteils sind sie aber abwechslungsreich und gelungen wenn auch auf einem
teilweise recht anspruchsvollem Schwierigkeitsgrad. Grafik und Story usw. können die
Widrigkeiten also wettmachen, so dass der Gesamteindruck durchaus positiv und Aurora
grundsätzlich ein Debüt auf gutem Independentniveau ist. Weiter so!