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Tony Tough 2


Erscheinungsdatum: 10/2006

Entwickler: Stefano Gualeni & Valerio Massari 
Publisher: dtp/Anaconda

Spielsprache: Deutsch


Homepage

Boxshots

USK: ab 12 Jahren
PEGI: 12+

 

 

Ein Review von   André   13. November 2006



Es gibt Spiele, die sind einfach prädestiniert, zu polarisieren. Tony Tough and the Night of the roasted Moths war eindeutig so ein Spiel. Für die einen lustige Unterhaltung, rollten sich bei den anderen alleine bei dem Gedanken an Tonys Stimme die Fußnägel hoch. Und so konnte der erste Teil trotz der eigentlich soliden Comic-Umsetzung noch längst nicht alle Adventurefreunde zu Fans rekrutieren. Auch ich gehörte zu der Riege der Spieler, die von der Umsetzung an sich zwar durchaus angetan waren, ansonsten aber eher peinlich berührt vor dem Rechner saßen, wenn Tony mit nervig-näselnder Stimme wieder mal eine seiner nicht enden wollenden Humorattacken auf den armen Spieler schwadronierte.

 

Das Problem ...

des ersten Teils bestand nämlich hauptsächlich darin, dass nahezu der ganze Humor des Spiels auf einer einzigen Pointe basieren sollte bzw. reduziert war, nämlich dass man mit Tony Tough einen Charakter erschaffen wollte, der absichtlich unattraktiv und vor allem ständig so penetrant altklug und nervig sein sollte, dass er schon wieder lustig wirken sollte – quasi eine Art sympathischer Nerd. Leider war Tony Tough tatsächlich die ganze Zeit nur eines – völlig altklug und nervig, nur zumindest in meinen Augen überhaupt nicht lustig.

 

Die Lösung ...

Wir erschaffen Tony neu! Na ja, nicht ganz neu, aber Veränderungen mussten her. Potential war ja eindeutig da, nun heißt es, die kleine Nervensäge in die richtige Richtung zu lenken. Und das beginnt schon mit der ....

 

Grafik

Denn, uiuiui, optisch hat sich Tony Tough ganz schön verändert. Nicht nur, dass der schon sehr ansehnliche, klassische 2D-Look des ersten Teils einem neuen Erscheinungsbild gewichen ist. Das Presskit spricht von einem 2,5D-Look und trifft es damit irgendwie ganz gut. Denn die 3D-Charaktere bewegen sich in dreidimensional-wirkenden Locations. Noch mehr fällt auf, dass mit der Umstellung auch direkt eine Veränderung zu einem komplett neuen Grafikstil einhergeht, so dass dadurch eine ganz andere Wirkung erzielt wird. Die Farbe wurde zurückgenommen und besonders die manchmal fast schon realistisch erscheinenden Hintergründen sehen umwerfend gut aus und wirken wirklich kunstvoll. Das Infoblatt verweist auf die Gemälde von Edward Hopper. Die Figuren integrieren sich dabei in die Hintergründe, da auch sie nicht mehr ganz so comicmäßig wirken.

Die ganze Art wie Tony neubearbeitet wurde, lässt sich ein wenig mit der Wandlung des (erstaunlich guten) Lula 3D vergleichen, dessen Grafik sich ja auf ähnliche Weise hin zu einem etwas realistischerem Stil verändert hat. Allerdings ist bei Tony auch die Umsetzung der Charaktere gelungen.

Ähnlich opulent wie beim Lula-Adventure ist auch das große Areal ausgefallen, in dem Tony sich bewegt. Dabei kann er sich ebenfalls fast überall hin bewegen, was extrem viel Freiheit beim Spielen vermittelt.

Alles ist bis aufs kleinste Detail ausgeschmückt. Und überall in der Stadt liegt Müll herum, was der Stadt eine gewisse Authenzität eines Vorstadtghettos verleiht. Jede Handlung, wie etwa das Aufnehmen von Gegenständen, ist haargenau animiert. Auch die Blätter auf den Bäumen bewegen sich im Wind. Wenn jetzt noch die Wolken über den Himmel ziehen würden ... aber wir wollen jetzt nicht penibel werden.

 

Handlung

Hier gibt es die nächste Veränderung, denn eigentlich ist Tony Tough 2 ein Prequel. Sprich, das Spiel findet in der Vergangenheit statt, als Tony noch ein Kind war. Dabei fängt die Geschichte zunächst sehr unkonventionell und überraschend an, da sie vom Aufbau, bedingt durch die vielen abrupten und unerwarteten Schnitte und Szenenwechsel erst verwirrt. Zusätzlich gibt es am Anfang des Spiels immer wieder die gleichen Szenen, was ein wenig an „Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert. Es macht Spaß zu beobachten, wie sich die Story Stück für Stück zusammensetzt. Überraschung gelungen!

Aber der Reihe nach: Wir schreiben das Jahr 1953 und spielen Tony Junior. Tony ist 13 Jahre alt und lebt in dem 21-Seelen-Dorf Washington (?) in New-Mexico. Tony hat es nicht leicht, denn bedingt durch sein aufmüpfiges Verhalten hat er Probleme mit seinem Lehrer. Dann passiert ein Raubüberfall in dem Dorf. Betroffen ist die Tante von Tonys Hausmädchen Cornelia, welche bei dem Verbrechen umkommt. Das weckt Tonys noch kindliche Neugierde und so wird dieses der erste Fall des selbsternannten Möchtegerndetektivs. Aber damit nicht genug, denn merkwürdigerweise ist auch der Bürgermeister verschwunden. Und es sollen im Laufe des Spiels noch weitere Verbrechen und merkwürdige Ereignisse passieren.

Das Spiel ist in etwa 10 kurze Kapitel unterteilt. Es ist dann aber schneller zuende als erwartet. Als ich dachte, dass es noch weitergehen würde, kam recht unerwartet die Schlusssequenz. Ich frage mich, ob da eventuell das Geld ausgegangen ist, denn viele Fragen bleiben nach dem Abspann ungeklärt. Genau so gut kann ich mir vorstellen, dass diese bewusst offen gehalten wurden – um in einem eventuellen Nachfolgespiel beantwortet zu werden?

 

Dialoge

Ein weiterer Grund, warum Roasted Moths, also der erste Teil, bei mir nicht so recht zünden wollte, war die deutsche Lokalisierung. Monty Arnold mag ein guter Comedian und sein, aber bitte nicht in der Rolle des Tony Tough. Denn mit dem nervige Gequäke kann man meines Erachtens keine Hauptrolle besetzten. Davon abgesehen konnte auch die Riege „hochkarätiger", zumindest aus dem Privatfernsehen bekannt gewordener Comedystars das Spiel nicht retten, sondern ließ es vielleicht auch bedingt durch die platten Dialoge eher wie ein schaler Aufguss schlimmer RTL-Samstag-Nacht-Sendungen erscheinen. Und so war es eine gute Entscheidung, die Hauptrolle für den zweiten Teil mit einem etwas weniger anstrengenden Organ zu besetzen. Tony Tough wird mit der Stimme des „ kleinen Arschlochs" vertont. Und auch die anderen Stimmen wirken dieses Mal passender, vermutlich auch, weil dieses Spiel generell eine witzigere Atmosphäre als sein Vorgänger ausstrahlt. Neben Peter Lohmeyer, Tetje Mierendorf, Tanja Schumann, Ruth Moschner, Sky DuMont, Denimgirl Jasmin Wagner und anderen bekannten Synchronsprechern ist ebenfalls mit dabei: Herbert Feuerstein, den ich besonders schätze.

Wobei ich mich frage, wer denn Tony nun wirklich spricht. Ja, sicher, das kleine Arschloch. So steht’s im Presskit. Aber das gibt es bekanntlich nicht wirklich. Auch im Internet erhält man fast keine Informationen. Ist es Ingrid Steeger, wie ich es noch in Erinnerung habe und auch auf einer Seite gemutmaßt wird? Oder Ilona Schulz wie imdb.com schreibt Das wird wohl am ehesten stimmen. Warum macht man so ein Geheimnis darum?

Ich meine mir einzubilden, dass Tony jetzt zumindest etwas weniger quasselt. Nicht, dass er jetzt wortkarg wäre. Manchmal musste ich die Monologe nach wie vor noch wegklicken, um ihn ein wenig in seinem Wortschwall zu bremsen. Dabei ist der Humor schwarz, albern und überdreht, anarchisch, agnostisch und sarkastisch. Es sitzt vielleicht noch nicht jede Pointe und neben den zahlreichen wirklich amüsanten Momenten gibt es sie ab und zu nach wie vor noch, die nervigen Peinlichkeiten. Aber es überwiegen eindeutig die gekonnt-spitzzüngigen Dialoge und lustigen Wortspielereien. Und so machte es meistens Spaß, den Gesprächen zu folgen. Dabei sind diese bewusst ziemlich skurril gehalten. Watzlawick aber auch Freud hätten sicher ihre wahre Freude daran, sie zu erforschen. Die Wortwahl ist trotzdem oft erstaunlich frivol bis derbe. Und so manche vermeintlich anmaßende, diskriminierende Bemerkung sollte man als unbedingt als Ironie verstehen, damit sie nicht in die falsche Ecke gestellt wird.

 

Sound

Startet man Tony Tough, hört man dezente Pianoklänge. Ansonsten ist die musikalische Untermalung erstaunlich zurückhaltend. So zurückhaltend, dass ich mich frage, ob da irgendwas fehlt. Denn oft hört man keinen Ton. Gelegentlich kommt aber doch etwas Musik, etwa aus dem Radio im Store. Ewas störend ist, wenn Tony spricht und jemand im Hintergrund brabbelt, wie der permanent vor sich hinfluchende Postbote.

 

Rätsel

Die Rätsel sind wie bei den meisten Comic-Adventures inventarbasiert. Sie sind sehr ideenreich umgesetzt. Das fängt schon damit an, dass man wie schon zuvor bei Tunguska oder Al Emmo nicht mit den gleichen Standardantwort abgespeist wird, wenn man Gegenstände ansieht oder verwendet.

An einer Stelle muss man schnell von Punkt A nach Punkt B gelangen, um weiterzukommen. Es gibt auch ein-zwei Logikrätsel. Dabei ist die Reihenfolge nicht streng vorgeschrieben und was mit in einen Kapitel nicht erledigt hat, kann man im nächsten immer noch machen. Generell sind die Rätsel genau so abgedreht wie das ganze Spiel, aber bis auf wenige Ausnahmen gut lösbar.

 

Handling

Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Zeiten, in denen es Mode war, dass alle 3D-Spiele unbedingt mit einer Fingerstauch-Tastatursteuerung ausgestattet werden mussten? Zum Glück gehört diese Unsitte der Vergangenheit an und auch bei Tony Tough weiß die Handhabung dank klassischer Maussteuerung zu gefallen.

Bewegt man sich zum oberen Bildschirmrand erscheinen die Gegenstände, die Tony in seiner Tasche mit sich führt. Mit Links nimmt man die Gegenstände und führt auch die anderen Funktionen wie „Laufen" oder „Ansehen" aus. Mit der rechten Maustaste wechselt man zwischen diesen Funktionen. Innerhalb des Inventars kann Tony die Gegenstände kombinieren. Einzig etwas störend habe ich empfunden, dass man den Doppelklick zum Rennen sehr schnell durchführen muss und das ist mir bis zum Schluss nur etwa bei jedem zweiten Versuch gelungen.

Mit der Escape-Taste kommt man ins Menü. Dort findet man alle wichtigen Funktionen wie Untertitel, Grafikeinstellungen oder Sound. Schön, dass man Sprachausgabe, Hintergrundgeräusche und Musik voneinander getrennt regeln kann. Ebenfalls etwas schneller kommt man mit der F2- bzw. F3-Taste direkt zu den Speicher- bzw. Ladefunktionen.

 

Fehler

Kommen wir noch zu den Fehlern, und mit diesen wurde das Spiel von den Programmierern mehr als reichlich bedacht. Nur das ebenfalls erst kürzlich erschienene Paradise war in den letzten Jahren verbugter: Einen Absturz gab’s, der sich so bemerkbar macht, dass ich mir nichts dir nichts wieder auf dem Desktop gelandet bin, wenn man mit einer Person (etwa Jessica + Phillip) die Flasche aus dem Inventar verwenden will. Das gleiche passierte, als ich den Fetzen des Krankenhaus-Armbands der Oberschwester benutzen wollte. Man sollte auch den Lehrer im vierten (?) Kapitel nicht auf der Straße ansprechen, da Tony sonst automatisch zur Kirche läuft, wo der Lehrer ein Kapitel zuvor noch gestanden hat. Dort spricht er dann mit dem unsichtbaren Pädagogen und ist anschließend im Bild gefangen. Weiter ließ sich eine mit Benzin gefüllte Flasche nicht mehr ausschütten, obwohl ich diese eigentlich mit Wasser befüllen musste.

Das waren wohlgemerkt nur Beispiele. Je länger man spielt, desto mehr gravierende Fehler dieser Art tauchen auf. Man kann sie gar nicht alle aufzählen. Es ist daher ratsam, öfters zu speichern oder besser noch mit dem Kauf warten, bis das Spiel durch einen Patch vernünftig spielbar ist. Aber das waren nur die bösen Fehler. Vergleichsweise harmlos sind folgende Dinge: Permanent sind ganze Dialoge falsch untertitelt, so dass diese versetzt zum eigentlich Gesprochenen kommen. Oder die Sprachausgabe fehlt ganz, etwa wenn Tony mit seinem Vierbeiner Pantagruel redet. Nicht wirklich schön ist das Knacken nach jedem Satz. Eine eigentlich längst außer Gefecht gesetzte und auf dem Boden liegende Person steht einfach wieder vor einem, wenn man sie anspricht - als wenn nichts geschehen wäre. Das alles sollte man bei der Gelegenheit direkt mitflicken.

 

Fazit

Als feststand, dass ich Tony Tough 2 reviewen würde, bin ich mit einer gewissen, nicht zwingend positiven Erwartungshaltung an das Spiel rangegangen. Zu präsent waren noch die traumatischen Erinnerungen an den ersten Teil. Jedoch hat man dazugelernt und in dem zweiten Teil die Sprecher größtenteils neu besetzt und den platten Holzhammerhumor etwas zurückgenommen. Dennoch ist Tony Tough nach wie vor kein Spiel für Leute, die keine langen Gespräche mögen, denn Tony quasselt munter drauf los. Viele der Unterhaltungen sind jetzt aber recht subtil und der Humor schräg und anarchisch. So überwiegen im zweiten Teil neben einigen platten Witzen die gelungenen Pointen. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sich an den Dialogen bzw. am Humor auch im zweiten Teil wieder die Geister scheiden werden.

Ansonsten steckt Tony Tough 2 voller weiterer Überraschungen. Angefangen vom interessanten Aufbau der skurrilen Geschichte bis zur Grafik, welche absolut gelungen im komplett neu überarbeiteten Look daher kommt. Ich spiele ja sehr gerne klassische 2D-Comic-Adventures, finde aber, dass diese Art der Umsetzung Tony sehr gut, wenn nicht gar noch besser zu Gesicht steht. Sie wirkt tatsächlich recht kunstvoll und erinnert in ihrer Machart gar ein wenig an Grim Fandango, sicher nicht zuletzt wegen des mexikanischen Einschlages.

Schade nur, dass Tony Tough 2 recht kurz und unerwartet zuende ist. Noch unschöner fand ich die zahlreichen Programmierfehler, so dass es stellenweise kaum spielbar ist. Denn es wäre wirklich nett, wenn wir Spieler nicht ständig als Betatester missbraucht würden. Warten wir also auf den hoffentlich bald erscheinenden Patch. Dann haben wir allerdings ein wirklich schönes und unkonventionelles Spiel mit ganz eigener Note. 

 

Gesamtwertung: 83%

 

Bewertungssystem Adventure-Archiv:

  • 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
  • 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
  • 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
  • 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
  • 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
  • 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)

 

Minimale Systemanforderungen:

  • Win ME/2000/XP
  • Pentium III 1GHz
  • 256 MB RAM
  • Grafikkarte 64 MB DirectX-kompatibel
  • DirectX-kompatible Soundkarte
  • DVD-Laufwerk
  • Festplatte 2 GB
  • Maus, Tastatur, Lautsprecher

Gespielt unter:

  • Win XP
  • AMD Athlon XP 1800
  • 512 MB RAM
  • Grafikkarte Radeon 9200 Series
  • DVD-Laufwerk
  • Festplatte 60 GB

 

 

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Der Startbildschirm
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Copyright © André für Adventure-Archiv, 13. November 2006

 

 

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