Es gibt Spiele, die sind einfach prädestiniert, zu
polarisieren. Tony Tough and the Night of the roasted Moths
war eindeutig so ein Spiel. Für die einen lustige Unterhaltung, rollten sich bei den
anderen alleine bei dem Gedanken an Tonys Stimme die Fußnägel hoch. Und so konnte der
erste Teil trotz der eigentlich soliden Comic-Umsetzung noch längst nicht alle
Adventurefreunde zu Fans rekrutieren. Auch ich gehörte zu der Riege der Spieler, die von
der Umsetzung an sich zwar durchaus angetan waren, ansonsten aber eher peinlich berührt
vor dem Rechner saßen, wenn Tony mit nervig-näselnder Stimme wieder mal eine seiner
nicht enden wollenden Humorattacken auf den armen Spieler schwadronierte.
Das Problem ...
des ersten Teils bestand nämlich hauptsächlich darin, dass nahezu
der ganze Humor des Spiels auf einer einzigen Pointe basieren sollte bzw. reduziert war,
nämlich dass man mit Tony Tough einen Charakter erschaffen wollte, der absichtlich
unattraktiv und vor allem ständig so penetrant altklug und nervig sein sollte, dass er
schon wieder lustig wirken sollte quasi eine Art sympathischer Nerd. Leider war
Tony Tough tatsächlich die ganze Zeit nur eines völlig altklug und nervig, nur
zumindest in meinen Augen überhaupt nicht lustig.
Die Lösung ...
Wir erschaffen Tony neu! Na ja, nicht ganz neu, aber Veränderungen
mussten her. Potential war ja eindeutig da, nun heißt es, die kleine Nervensäge in die
richtige Richtung zu lenken. Und das beginnt schon mit der ....
Grafik
Denn, uiuiui, optisch hat sich Tony Tough ganz schön verändert.
Nicht nur, dass der schon sehr ansehnliche, klassische 2D-Look des ersten Teils einem
neuen Erscheinungsbild gewichen ist. Das Presskit spricht von einem 2,5D-Look und trifft
es damit irgendwie ganz gut. Denn die 3D-Charaktere bewegen sich in
dreidimensional-wirkenden Locations. Noch mehr fällt auf, dass mit der Umstellung auch
direkt eine Veränderung zu einem komplett neuen Grafikstil einhergeht, so dass dadurch
eine ganz andere Wirkung erzielt wird. Die Farbe wurde zurückgenommen und besonders die
manchmal fast schon realistisch erscheinenden Hintergründen sehen umwerfend gut aus und
wirken wirklich kunstvoll. Das Infoblatt verweist auf die Gemälde von Edward Hopper. Die
Figuren integrieren sich dabei in die Hintergründe, da auch sie nicht mehr ganz so
comicmäßig wirken.
Die ganze Art wie Tony neubearbeitet wurde, lässt sich ein wenig
mit der Wandlung des (erstaunlich guten) Lula 3D vergleichen, dessen Grafik sich ja auf
ähnliche Weise hin zu einem etwas realistischerem Stil verändert hat. Allerdings ist bei
Tony auch die Umsetzung der Charaktere gelungen.
Ähnlich opulent wie beim Lula-Adventure ist auch das große Areal
ausgefallen, in dem Tony sich bewegt. Dabei kann er sich ebenfalls fast überall hin
bewegen, was extrem viel Freiheit beim Spielen vermittelt.
Alles ist bis aufs kleinste Detail ausgeschmückt. Und überall in
der Stadt liegt Müll herum, was der Stadt eine gewisse Authenzität eines Vorstadtghettos
verleiht. Jede Handlung, wie etwa das Aufnehmen von Gegenständen, ist haargenau animiert.
Auch die Blätter auf den Bäumen bewegen sich im Wind. Wenn jetzt noch die Wolken über
den Himmel ziehen würden ... aber wir wollen jetzt nicht penibel werden.
Handlung
Hier gibt es die nächste Veränderung, denn eigentlich ist Tony
Tough 2 ein Prequel. Sprich, das Spiel findet in der Vergangenheit statt, als Tony noch
ein Kind war. Dabei fängt die Geschichte zunächst sehr unkonventionell und überraschend
an, da sie vom Aufbau, bedingt durch die vielen abrupten und unerwarteten Schnitte und
Szenenwechsel erst verwirrt. Zusätzlich gibt es am Anfang des Spiels immer wieder die
gleichen Szenen, was ein wenig an Und täglich grüßt das Murmeltier"
erinnert. Es macht Spaß zu beobachten, wie sich die Story Stück für Stück
zusammensetzt. Überraschung gelungen!
Aber der Reihe nach: Wir schreiben das Jahr 1953 und spielen Tony
Junior. Tony ist 13 Jahre alt und lebt in dem 21-Seelen-Dorf Washington (?) in New-Mexico.
Tony hat es nicht leicht, denn bedingt durch sein aufmüpfiges Verhalten hat er Probleme
mit seinem Lehrer. Dann passiert ein Raubüberfall in dem Dorf. Betroffen ist die Tante
von Tonys Hausmädchen Cornelia, welche bei dem Verbrechen umkommt. Das weckt Tonys noch
kindliche Neugierde und so wird dieses der erste Fall des selbsternannten
Möchtegerndetektivs. Aber damit nicht genug, denn merkwürdigerweise ist auch der
Bürgermeister verschwunden. Und es sollen im Laufe des Spiels noch weitere Verbrechen und
merkwürdige Ereignisse passieren.
Das Spiel ist in etwa 10 kurze Kapitel unterteilt. Es ist dann aber
schneller zuende als erwartet. Als ich dachte, dass es noch weitergehen würde, kam recht
unerwartet die Schlusssequenz. Ich frage mich, ob da eventuell das Geld ausgegangen ist,
denn viele Fragen bleiben nach dem Abspann ungeklärt. Genau so gut kann ich mir
vorstellen, dass diese bewusst offen gehalten wurden um in einem eventuellen
Nachfolgespiel beantwortet zu werden?
Dialoge
Ein weiterer Grund, warum Roasted Moths, also der erste Teil, bei
mir nicht so recht zünden wollte, war die deutsche Lokalisierung. Monty Arnold mag ein
guter Comedian und sein, aber bitte nicht in der Rolle des Tony Tough. Denn mit dem
nervige Gequäke kann man meines Erachtens keine Hauptrolle besetzten. Davon abgesehen
konnte auch die Riege hochkarätiger", zumindest aus dem Privatfernsehen
bekannt gewordener Comedystars das Spiel nicht retten, sondern ließ es vielleicht auch
bedingt durch die platten Dialoge eher wie ein schaler Aufguss schlimmer
RTL-Samstag-Nacht-Sendungen erscheinen. Und so war es eine gute Entscheidung, die
Hauptrolle für den zweiten Teil mit einem etwas weniger anstrengenden Organ zu besetzen.
Tony Tough wird mit der Stimme des kleinen Arschlochs" vertont. Und auch die
anderen Stimmen wirken dieses Mal passender, vermutlich auch, weil dieses Spiel generell
eine witzigere Atmosphäre als sein Vorgänger ausstrahlt. Neben Peter Lohmeyer, Tetje
Mierendorf, Tanja Schumann, Ruth Moschner, Sky DuMont, Denimgirl Jasmin Wagner und anderen
bekannten Synchronsprechern ist ebenfalls mit dabei: Herbert Feuerstein, den ich besonders
schätze.
Wobei ich mich frage, wer denn Tony nun wirklich spricht. Ja,
sicher, das kleine Arschloch. So stehts im Presskit. Aber das gibt es bekanntlich
nicht wirklich. Auch im Internet erhält man fast keine Informationen. Ist es Ingrid
Steeger, wie ich es noch in Erinnerung habe und auch auf einer Seite gemutmaßt wird? Oder
Ilona Schulz wie imdb.com schreibt Das wird wohl am ehesten stimmen. Warum macht man so
ein Geheimnis darum?
Ich meine mir einzubilden, dass Tony jetzt zumindest etwas weniger
quasselt. Nicht, dass er jetzt wortkarg wäre. Manchmal musste ich die Monologe nach wie
vor noch wegklicken, um ihn ein wenig in seinem Wortschwall zu bremsen. Dabei ist der
Humor schwarz, albern und überdreht, anarchisch, agnostisch und sarkastisch. Es sitzt
vielleicht noch nicht jede Pointe und neben den zahlreichen wirklich amüsanten Momenten
gibt es sie ab und zu nach wie vor noch, die nervigen Peinlichkeiten. Aber es überwiegen
eindeutig die gekonnt-spitzzüngigen Dialoge und lustigen Wortspielereien. Und so machte
es meistens Spaß, den Gesprächen zu folgen. Dabei sind diese bewusst ziemlich skurril
gehalten. Watzlawick aber auch Freud hätten sicher ihre wahre Freude daran, sie zu
erforschen. Die Wortwahl ist trotzdem oft erstaunlich frivol bis derbe. Und so manche
vermeintlich anmaßende, diskriminierende Bemerkung sollte man als unbedingt als Ironie
verstehen, damit sie nicht in die falsche Ecke gestellt wird.
Sound
Startet man Tony Tough, hört man dezente Pianoklänge. Ansonsten
ist die musikalische Untermalung erstaunlich zurückhaltend. So zurückhaltend, dass ich
mich frage, ob da irgendwas fehlt. Denn oft hört man keinen Ton. Gelegentlich kommt aber
doch etwas Musik, etwa aus dem Radio im Store. Ewas störend ist, wenn Tony spricht und
jemand im Hintergrund brabbelt, wie der permanent vor sich hinfluchende Postbote.
Rätsel
Die Rätsel sind wie bei den meisten Comic-Adventures
inventarbasiert. Sie sind sehr ideenreich umgesetzt. Das fängt schon damit an, dass man
wie schon zuvor bei Tunguska oder Al Emmo nicht mit den gleichen Standardantwort
abgespeist wird, wenn man Gegenstände ansieht oder verwendet.
An einer Stelle muss man schnell von Punkt A nach Punkt B gelangen,
um weiterzukommen. Es gibt auch ein-zwei Logikrätsel. Dabei ist die Reihenfolge nicht
streng vorgeschrieben und was mit in einen Kapitel nicht erledigt hat, kann man im
nächsten immer noch machen. Generell sind die Rätsel genau so abgedreht wie das ganze
Spiel, aber bis auf wenige Ausnahmen gut lösbar.
Handling
Erinnert sich eigentlich noch jemand an die Zeiten, in denen es Mode
war, dass alle 3D-Spiele unbedingt mit einer Fingerstauch-Tastatursteuerung ausgestattet
werden mussten? Zum Glück gehört diese Unsitte der Vergangenheit an und auch bei Tony
Tough weiß die Handhabung dank klassischer Maussteuerung zu gefallen.
Bewegt man sich zum oberen Bildschirmrand erscheinen die
Gegenstände, die Tony in seiner Tasche mit sich führt. Mit Links nimmt man die
Gegenstände und führt auch die anderen Funktionen wie Laufen" oder
Ansehen" aus. Mit der rechten Maustaste wechselt man zwischen diesen
Funktionen. Innerhalb des Inventars kann Tony die Gegenstände kombinieren. Einzig etwas
störend habe ich empfunden, dass man den Doppelklick zum Rennen sehr schnell durchführen
muss und das ist mir bis zum Schluss nur etwa bei jedem zweiten Versuch gelungen.
Mit der Escape-Taste kommt man ins Menü. Dort findet man alle
wichtigen Funktionen wie Untertitel, Grafikeinstellungen oder Sound. Schön, dass man
Sprachausgabe, Hintergrundgeräusche und Musik voneinander getrennt regeln kann. Ebenfalls
etwas schneller kommt man mit der F2- bzw. F3-Taste direkt zu den Speicher- bzw.
Ladefunktionen.
Fehler
Kommen wir noch zu den Fehlern, und mit diesen wurde das Spiel von
den Programmierern mehr als reichlich bedacht. Nur das ebenfalls erst kürzlich
erschienene Paradise war in den letzten Jahren verbugter: Einen Absturz gabs, der
sich so bemerkbar macht, dass ich mir nichts dir nichts wieder auf dem Desktop gelandet
bin, wenn man mit einer Person (etwa Jessica + Phillip) die Flasche aus dem Inventar
verwenden will. Das gleiche passierte, als ich den Fetzen des Krankenhaus-Armbands der
Oberschwester benutzen wollte. Man sollte auch den Lehrer im vierten (?) Kapitel nicht auf
der Straße ansprechen, da Tony sonst automatisch zur Kirche läuft, wo der Lehrer ein
Kapitel zuvor noch gestanden hat. Dort spricht er dann mit dem unsichtbaren Pädagogen und
ist anschließend im Bild gefangen. Weiter ließ sich eine mit Benzin gefüllte Flasche
nicht mehr ausschütten, obwohl ich diese eigentlich mit Wasser befüllen musste.
Das waren wohlgemerkt nur Beispiele. Je länger man spielt, desto
mehr gravierende Fehler dieser Art tauchen auf. Man kann sie gar nicht alle aufzählen. Es
ist daher ratsam, öfters zu speichern oder besser noch mit dem Kauf warten, bis das Spiel
durch einen Patch vernünftig spielbar ist. Aber das waren nur die bösen Fehler.
Vergleichsweise harmlos sind folgende Dinge: Permanent sind ganze Dialoge falsch
untertitelt, so dass diese versetzt zum eigentlich Gesprochenen kommen. Oder die
Sprachausgabe fehlt ganz, etwa wenn Tony mit seinem Vierbeiner Pantagruel redet. Nicht
wirklich schön ist das Knacken nach jedem Satz. Eine eigentlich längst außer Gefecht
gesetzte und auf dem Boden liegende Person steht einfach wieder vor einem, wenn man sie
anspricht - als wenn nichts geschehen wäre. Das alles sollte man bei der Gelegenheit
direkt mitflicken.
Fazit
Als feststand, dass ich Tony Tough 2 reviewen würde, bin ich mit
einer gewissen, nicht zwingend positiven Erwartungshaltung an das Spiel rangegangen. Zu
präsent waren noch die traumatischen Erinnerungen an den ersten Teil. Jedoch hat man
dazugelernt und in dem zweiten Teil die Sprecher größtenteils neu besetzt und den
platten Holzhammerhumor etwas zurückgenommen. Dennoch ist Tony Tough nach wie vor kein
Spiel für Leute, die keine langen Gespräche mögen, denn Tony quasselt munter drauf los.
Viele der Unterhaltungen sind jetzt aber recht subtil und der Humor schräg und
anarchisch. So überwiegen im zweiten Teil neben einigen platten Witzen die gelungenen
Pointen. Trotzdem gehe ich davon aus, dass sich an den Dialogen bzw. am Humor auch im
zweiten Teil wieder die Geister scheiden werden.
Ansonsten steckt Tony Tough 2 voller weiterer Überraschungen.
Angefangen vom interessanten Aufbau der skurrilen Geschichte bis zur Grafik, welche
absolut gelungen im komplett neu überarbeiteten Look daher kommt. Ich spiele ja sehr
gerne klassische 2D-Comic-Adventures, finde aber, dass diese Art der Umsetzung Tony sehr
gut, wenn nicht gar noch besser zu Gesicht steht. Sie wirkt tatsächlich recht kunstvoll
und erinnert in ihrer Machart gar ein wenig an Grim Fandango, sicher nicht zuletzt wegen
des mexikanischen Einschlages.
Schade nur, dass Tony Tough 2 recht kurz und unerwartet zuende ist.
Noch unschöner fand ich die zahlreichen Programmierfehler, so dass es stellenweise kaum
spielbar ist. Denn es wäre wirklich nett, wenn wir Spieler nicht ständig als Betatester
missbraucht würden. Warten wir also auf den hoffentlich bald erscheinenden Patch. Dann
haben wir allerdings ein wirklich schönes und unkonventionelles Spiel mit ganz eigener
Note.