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Dreamfall(en) in Oslo - Das Feature Teil 2

Ein Interview von MaryScots 16. September 2005

 

Adventure-Archiv: Die berühmte erste Frage: würdest Du Dich unseren Lesern vorstellen und uns ein wenig von Dir erzählen?

Craig Morrison: Mein Name ist Craig Morrison und ich bin der Community Relations Manager von Funcom. Seit Dezember letzten Jahres arbeite ich für die Firma und mein Verantwortungsbereich ist ziemlich breit gefächert. Ich arbeite an all unseren Spielen mit - spreche mit den Communitys, erleichtere die Kommunikation zwischen der Community und den Entwicklern und stelle im Allgemeinen sicher, dass wir die gute Beziehung zu unseren Spielern und Fans aufrechterhalten, die wir im Laufe der Jahre aufgebaut haben.

AA: Über Funcom: seit Gründung der Firma 1993 habt Ihr 23 Spiele veröffentlicht. Wurden sie alle komplett hier im Haus entwickelt oder habt Ihr auch mit externen Entwicklern/Firmen zusammengearbeitet?

CM: All unsere Spiele werden hier im Haus entwickelt. Bis 1998 entwickelten wir als eine Art Auftragsdeveloper. Wir arbeiteten für Sony, wir arbeiteten für Disney, wir machten Franchise-Spiele wie Casper und Pocahontas - entwickelten also für andere Leute. Als wir uns entschlossen The Longest Journey und Anarchy Online zu machen, entschieden wir uns, auch eigenverantwortlicher Publisher zu werden, was den Grundstein dafür legte, dass die Firma begann, für sich selbst zu entwickeln, statt für andere. Aber ja, all unsere Spiele werden von unserer eigenen kreativen Gruppen entwickelt und die Abteilungen befinden sich hier im Haus.

AA: Weltweit habt Ihr 5 Büros - in Norwegen, in der Schweiz, in Luxemburg, den USA und China. Welche Funktionen haben diese Büros im Ausland? Sind es ebenfalls Entwicklungsstudios?

CM: Nein. Der Hauptanteil der Entwicklung all unserer Spiele wird hier in Oslo gemacht. Das US-Büro zum Beispiel, ist unser Supportcenter für Anarchy Online, ein Live-Spiel, das 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr läuft, daher hat es eine große Anzahl Supportmitarbeiter, den Kundenservice, der Emails beantwortet, den Rechnungssupport, Ingame-Support, die Spielleitung von Anarchy Online. Das amerikanische Büro beherbergt auch einen Teil unserer QA-Abteilung, Quality Assurance, die für das Testen zuständig ist. Das Büro in China ist noch relativ neu - wir haben es erst innerhalb der letzten sechs Monate eröffnet - und werden dorthin einen Teil der Arbeit auslagern. Einige Grafikkünstler arbeiten dort für uns. Der chinesische Markt ist ein potentiell riesiger Markt für Spiele. In Korea, in Japan und in China expandiert der Markt - es gibt dort großes Potential für Progression und als eine Firma, die ständig danach strebt, sich weiterzuentwickeln, ist es für uns ein Markt, den wir im Auge behalten müssen, und ganz offensichtlich arbeiten dort eine Menge talentierter Leute. In unserem Büro in China arbeiten auch einige Entwickler, aber hauptsächlich im grafischen Bereich, wie Konzeptgrafiker und Studiografiker, und natürlich ist es einfacher, diesen Teil des Developments in einem externen Büro erledigen zu lassen, während die Designarbeit und die Programmierung wirklich an ein und demselben Ort gemacht werden müssen und dafür sind die Osloer Büros zuständig. Die Büros in der Schweiz und in Luxemburg gehören zur finanziellen Seite der Firma.

Craig Morrison

Craig Morrison


AA: Wie viele Angestellte (Designer/Künstler/Programmierer) arbeiteten 1993 für Funcom und wie viele sind es heute? Hat die Anzahl der Mitarbeiter stetig zugenommen?

CM: Ich könnte Dir nicht die genaue Zahl aus '93 nennen. Wir sind heute ca. 140 Leute, die an den drei aktuellen Projekten Anarchy Online, Dreamfall und Age of Conan arbeiten. Wir verstärken unsere Crew gerade, klar, da wir drei Spiele gleichzeitig in Entwicklung haben. Nach dem Launch von Anarchy Online mussten wir, und das ist auch kein Geheimnis, einige Mitarbeiter vor zwei oder drei Jahren aufgrund von Problemen entlassen, die wir mit dem Start des Spiels hatten. Aber die Firma ist umso stärker daraus hervorgegangen - wie gesagt, wir heuern jetzt Leute an - die Firma ist kerngesund, bringt neue Talente hervor und holt neue Leute an Bord. Und da wir an drei großartigen Spielen arbeiten, wird das hoffentlich in den kommenden Jahren so bleiben. Ja, wir werden hoffentlich eine ganze Menge neuer Mitarbeiter bekommen! (lächelt)

AA: Lass uns über Dreamfall sprechen: Wie viele Leute arbeiten an dem Spiel, in welchen Bereichen und seit wann?

CM: Das Spiel - Dreamfall - ist bereits seit ein paar Jahren in der Entwicklung. Die Entwicklung der Spiele verläuft folgendermaßen: jeder Mitarbeiter arbeitet in einem Team an einem Spiel, d.h. dass jemand, der an Age of Conan arbeitet, nicht an Dreamfall arbeitet, jemand, der an Anarchy Online arbeitet, arbeitet nicht an Dreamfall. Das Dreamfall-Team selbst besteht momentan aus rund 30 Personen. Diese sind wiederum auf drei unterschiedliche Teams verteilt, als da wären Design, Coding und Grafik. Grafik umfasst alles von den Konzeptgrafikern und den leitenden Grafikern, die das Aussehen und die Atmosphäre kreieren, bis hin zu den 3D- und Animationsgrafikern, die den Konzeptzeichnungen das Leben einhauchen, das man später in den tatsächlichen Umgebungen im Spiel sieht. Die Coder arbeiten - offensichtlich (grinst) - am Code; ihre Aufgabe ist das Programmieren, dass die Software läuft und sie entwerfen den Code für die verschiedenen Plattformen, sowohl Xbox als auch PC. Dann wären da noch die Designer, die Leute eigentlich, die die Dialoge schreiben, die Rätsel entwerfen - sie kommen mit den Ideen rüber. Mit diesen drei Teams entwickeln wir also die Programme/die Spiele hier im Haus. Jedes Projekt hat diese drei Teams und sie widmen sich ausschließlich dem einen Spiel. Dazu kommen dann noch die Audiodesigner, die an all unseren Titeln arbeiten, sowie das Marketingpersonal, das sich um Dinge wie Websitedesign, Poster, Anzeigen und Verpackungsgestaltung kümmert.

AA: Außerdem gibt es dann noch die Tester…

CM: Ja, unsere QA-Abteilung ist hauptsächlich hier in Oslo stationiert und in den Vereinigten Staaten und je nachdem in welchem Stadium sich das jeweilige Spiel befindet, auch abhängig davon, wie viel gerade getestet wird - bei einem Spiel wie Dreamfall verständlicherweise sehr viel - gehen die QA-Leute jedes Kapitel nach dessen Abschluss durch. Sie achten auf alles, testen auf grafische Fehler, suchen nach Stellen, an denen der Spieler stecken bleiben kann und stellen sicher, dass das Gameplay fließend und überzeugend ist. Man sieht, die QA hat einen enorm wichtigen Job, weil sie auf vieles achten müssen und nicht nur dafür verantwortlich sind, dass technische Bugs beseitigt werden, sondern auch dafür, dass das Gameplay stimmt. Sie sind ein wesentlicher Teil des Teams, geben den Designern Feedback bezüglich der Rätsel und des Spielflusses - ist er zu langsam, ist er zu schnell, könnte er den Spieler verwirren. Ergo ist die QA ein sehr wichtiger Teil des Entwicklungsprozesses.

AA: Ich habe gelesen, dass TLJ von Anfang an als Trilogie geplant war. Es hatte jedoch den Anschein als läge es hauptsächlich an der Forderung der Spieler und Fans von TLJ, dass Ihr Euch entschieden habt, ein Sequel zu machen. Es gab sogar eine Umfrage auf der offiziellen TLJ-Seite, um zu erfahren, ob man vorzugsweise ein Sequel oder Prequel sehen würde. Wann habt Ihr das entschieden?

CM: Ich denke, was die Entscheidung betrifft, wann Dreamfall stattfinden sollte, dachten die Designer schon immer an eine längere Story - TLJ war schon immer Teil einer viel umfangreicheren Geschichte in den Köpfen der verantwortlichen Designer. Es ist schon klar, dass der Erfolg von TLJ es uns erlaubt hat, darauf zurückzukommen und Dreamfall zu machen und es als eine Art Sequel zu machen - wir ziehen es vor, es als spirituellen Nachfolger zu betrachten, denn als direktes Sequel - erschien uns als die richtige Entscheidung - die Leute wollen die Story weiter erkunden, sie wollen wissen, was mit ihren Lieblingscharakteren passiert ist -, aber gleichzeitig wollten wir ein Spiel machen, dass es nicht zwingend erforderlich macht, den Vorgänger gespielt zu haben, um es zu verstehen.

AA: War diese Umfrage dann überhaupt wichtig für Euch oder hat sie Eure Entscheidung nur untermauert?

CM: Wir benutzen Community-Umfragen dazu, uns bei Entscheidungen zu helfen - mit unserer Community zu reden ist sehr wichtig. Wir haben ja auch einiges an Erfahrung gesammelt mit einem Spiel wie Anarchy Online, bei dem wir ständig und den ganzen Tag lang mit unseren Kunden über die verschiedenen Punkte sprechen und wir bedienen uns der gleichen Methodik, um uns bei der Gewinnung von Feedback zu helfen, wenn wir Singleplayer-Spiele wie Dreamfall machen. Also, ja, manchmal benutzen wir sie, um unsere Vorstellungen zu untermauern - manchmal geben uns Gedanken aus den Foren und den verschiedenen Fanseiten, die im Web existieren, die Ideen. Wir lesen sie - wir wissen, dass die Leute manchmal denken, wie würden sie nie lesen -, aber das tun wir (zwinkert und lächelt). Und das Feedback der Spieler ist immer wichtig. Es wird nie der einzige Faktor sein, um zu entscheiden, was richtig ist, aber es ist etwas, das die Designer immer mit einbeziehen.

AA: Da Dreamfall nun ein Sequel ist, könnte dies bedeuten, dass der letzte Teil der Trilogie - ohne Euch damit jetzt irgendwelche Pläne unterstellen zu wollen - ein Prequel ist?

CM: Ah, das könnte ich wirklich nicht beantworten. Es wird an Ragnar sein, darüber zu einem späteren Zeitpunkt zu spekulieren und zu sprechen.

[OK. Naja, man kann ja mal fragen. (grins)]

AA: Es wurde und wird immer noch viel darüber spekuliert, als was man Dreamfall denn nun bezeichnen soll - ein Adventure, ein Action-Adventure, was auch immer. Welche Gameplay-Elemente werden eingebaut und wird es immer einen Weg geben, "Action"-Sequenzen zu umgehen - mit "immer" meine ich auch jene von Kian und April?

CM: Dreamfall ist ein Adventure-Spiel im Herzen - das ist das Wichtigste - es erzählt eine Geschichte. Daher wollen wir es nicht in irgendein spezifisches Genre zwängen und in die jeweils damit einhergehenden Vorurteile. Was wir mit Dreamfall versuchen wollen ist, es etwas zeitgemäßer zu gestalten und eine neue Generation von Adventure-Spielen zu machen. Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Markt für Adventure-Spiele im traditionellen Stil in den vergangenen paar Jahren nicht vorhanden war, was schade ist, da ein großer Anteil des erzählerischen Aspektes in den aktuelleren Computerspielen manchmal weniger wichtig war als die Action und wie viele Explosionen du hinkriegen kannst. Mit Dreamfall erzählen wir in erster Linie eine Geschichte. Die Action-Sequenzen werden an adäquater Stelle genutzt, um sicher zu gehen, dass die Story vorangetrieben wird. Zum größten Teil werden sie optional sein, es wird immer andere Lösungen geben. Die Spieler werden die Möglichkeit haben, zu interagieren und sich ihren Weg aus den meisten Situationen herauszureden, es kann sein, dass sie den direkten Konflikt vermeiden, verhandeln und sich herausreden können. Im Hinblick auf das endgültige Gameplay - werden alle Actionszenen vermeidbar sein? Wir können nicht garantieren, dass jede einzelne vermeidbar sein wird, aber die meisten von ihnen werden dem Spieler selbstverständlich Auswahlmöglichkeiten anbieten.

AA: Oh, das ist gut zu wissen!

AA: Ragnar Tørnquist erwähnte in einem JA+ Interview im Jahre 2003, dass AO Funcoms wichtigste finanzielle Einnahmequelle ist. Habt Ihr jemals darüber nachgedacht, das TLJ-Universum online zu bringen?

CM: Das ist natürlich etwas, dass - wenn man ein beliebtes Spiel wie The Longest Journey hat und die Welt, die es umgibt - immer eine Option darstellt. Das nächste Onlinespiel, das wir machen, ist Age of Conan, aber wir werden mit Sicherheit in den kommenden Jahren weitere Onlinewelten entwickeln und man kann nie wissen - es ist immer eine Möglichkeit.

AA: Inwiefern hat die aus TLJ resultierende Erfahrung und/oder externer Einfluss (z.B. Publisher/ Industrie/Publikum) auf das Design von Dreamfall eingewirkt? Musstet Ihr Zugeständnisse machen und wenn ja, welche? Wo weigert Ihr Euch/habt Ihr Euch geweigert nachzugeben? Wessen Aufmerksamkeit wollt Ihr wecken, wessen Forderungen erfüllen und welche Altersgruppe der Spieler habt Ihr im Visier?

CM: Mit das Wichtigste, was wir mit Dreamfall versuchen zu erreichen ist, das Adventure-Genre auf den neuesten Stand zu bringen. Ob die Leute es als Adventure oder als Action-Adventure kategorisieren wollen - das wird alles ziemlich stark von den Leuten abhängen, die es reviewen, wir werden es sehen, wenn sie das fertige Produkt bekommen - aber zunächst wollen wir alles daran setzten, das Genre auf den heutigen Stand zu bringen und ein Gameplay kreieren, das zugänglich ist. Offensichtlich sind die Interfaces einer der Gründe dafür, das die Adventures in den vergangenen Jahren schwächer geworden sind, weißt Du, die Leute erwarten mehr von einem Spiel als nur Point & Click und den Frust, wenn Du diesen einen Pixel nicht finden kannst, der etwas Wichtiges auslösen wird. Da Du The Longest Journey gespielt hast, wirst Du diesen Frust bestimmt kennen und wir wollten sicher gehen, das Dreamfall nicht in diese Fallen gerät und für ein möglichst breites Publikum zugänglich ist. Was die Zielgruppe betrifft, wollen wir logischerweise, dass so viele Leute wie irgend möglich unsere Spiele kaufen. (grinst) Aber es ist auch eine Art des Geschichtenerzählens, die, wie wir glauben, das gleiche Publikum ansprechen wird, das auch von The Longest Journey angesprochen wurde und gleichzeitig wird es hoffentlich mehr Leute dazu bringen, ein Spiel aus einem Genre zu spielen, das sie normalerweise nicht hätten spielen wollen. Was das Alter der Zielgruppe angeht, sehen wir weder nach unten noch nach oben Grenzen oder sagen "Nun, wir wollen, dass nur alte Menschen dieses Spiel spielen oder wir wollen, dass nur Jugendliche dieses Spiel spielen". Die Story ist ganz klar eine reife und verwickelte Story, es ist also ganz sicher kein Spiel für Kinder, aber abgesehen davon wollen wir gar nicht erst versuchen, es in eine Schublade zu stecken. Wenn wir an Tagungen teilnehmen oder mit der Öffentlichkeit über die Foren sprechen, sind dort Leute im Alter zwischen 18 und 80, denen The Longest Journey gefallen hat, denen unserer Spiele gefallen. Und das ist etwas, das wir mit Dreamfall beibehalten wollen.

AA: Die Altersfrage wirft gerade noch eine weitere auf. Quantic Dream mussten wegen der ESRB-Einstufung in Amerika einige Zugeständnisse bei Fahrenheit machen; sie mussten einige Sexszenen herausnehmen. Seid Ihr darauf vorbereitet irgendetwas zu ändern, falls es erforderlich wird?

CM: Wir sind ziemlich sicher, dass wir einstufungstechnisch nicht allzu viele Probleme mit Dreamfall haben werden, wenn es soweit ist. Wenn man auf dem amerikanischen Markt eine "Adult Only" (ab 18 in D) Einstufung erhält, wird der größte Teil der Händler in Amerika das Spiel nicht ins Sortiment aufnehmen, und das ist etwas, was jeder Spielemacher vermeiden will. Quantic Dream haben offensichtlich Änderungen an ihrem Spiel vorgenommen, um eine solche Kategorisierung zu vermeiden. Zum jetzigen Zeitpunkt glauben wir nicht, dass es irgendetwas in Dreamfall geben wird, das uns dazu zwingen würde, einschneidende Zugeständnisse machen zu müssen. Ohne dem ESRB vorgreifen zu wollen, wissen wir, dass der Inhalt der eines als "Mature" einzustufenden Spieles sein wird und sehr wahrscheinlich ab 16 Jahren in Europa. Es mag eine leicht veränderte Version für den amerikanischen Markt geben, abhängig vom Feedback der Einstufungsstelle, aber es wird keine dramatischen Änderungen des Gameplays geben.

 

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maryscots, adventure-archiv 16.10.05

 

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