Bei den ganzen Hammerveröffentlichungen des letzten Jahres blieben
die "Neben"-Spiele ja etwas auf der Strecke und fanden nicht ganz so viel
Beachtung. Klar, man zockt halt erst mal die Großen und Essentiellen durch. Ob das neue
Tunguska, Runaway 2, Secrets of Atlantis, Baphomet 4 usw. ... man kann sie gar nicht alle
aufzählen.
Solch ein Spiel, das ein wenig im Schatten der großen Namen steht,
ist das Märchenadventure "Hans Christian Andersen - Die Rettung des
Königreichs" von Guppyworks. Nachdem uns Cornelsen Ende 2004 mit "Zwerg
Nase" und Ende 2005 mit "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" mit zwei
schönen Märchenspielen in Weihnachtsstimmung versetzte, blieb eine Veröffentlichung
2006 leider aus. Eigentlich hatte mich schon darauf eingestellt und gefreut. So hilft uns
die Firma mit dem vermehrungsfreudigen Fisch im Namen dieses zu verkraften, indem sie mit
"Hans Christian Andersen" für Ersatz sorgt und die "Tradition"
fortsetzt.
Handlung
Zwar ist HCA ein mehr oder weniger märchenhaftes Spiel, aber
eigentlich spielt man kein von Andersen erfundenes Märchen, sondern eine fiktive
Geschichte um den großen dänischen Schriftsteller selbst. Inwieweit Teile seiner
Märchen in die Handlung eingebunden wurden, kann ich nicht sagen, da meine Fachkenntnisse
auf diesem Gebiet bei Hänsel und Gretel aufhören. Sein Name ziert auf jeden Fall in
großen Lettern die Vorderseite des Kartons. Mit der Covergestaltung dürfte sowohl eine
junge als auch eine erwachsene, aufgeschlossene Zielgruppe angesprochen werden. Sicher
nicht die schlechteste Form der Vermarktung, zumal das Spiel auch für beide Zielgruppen
geeignet ist.
Die Introsequenz ist ziemlich originell gestaltet: Dort sehen wir
Andersen in einer Kammer vor einer Art Puppentheater stehen. Er erzählt uns begleitet von
einer sprechenden, etwas vorwitzigen Ente, eine teils erfundene, teils auf wahren
Begebenheiten basierende Geschichte aus seinem eigenen Leben. Dabei sieht man in dem
Puppentheater ebenfalls Andersen als jungen Mann sowie die Spielumgebung. Dann gibt es
einen Schnitt und wir befinden uns in der Geschichte, die HC Andersen erzählt:
Es ist das Jahr 1820. HCA verlässt als14jähriger seine Heimatstadt
Odense mit der Absicht, in Kopenhagen als Schauspieler im königlichen Theater berühmt zu
werden. Das Spiel ist in fünf Kapitel unterteilt und am Anfang des ersten Kapitels
beginnen wir im ärmeren Viertel der Stadt, sind mittellos und einfach gekleidet und in
der Hierarchie noch ganz unten. Daher möchte uns der Polizist auch direkt wieder zu den
Stadtmauern befördert, wenn er uns sieht. Er gibt uns übrigens kaum Gelegenheit, die
anfangs nicht unbedingt innovative Steuerung in Ruhe auszuprobieren. Also heißt es, den
Herrn erst einmal zu ignorieren und schnell an ihm vorbeizugehen, um dann bei den Leuten
rumzufragen, um erste Informationen zu erhalten.
Schnell erfährt man aber, was zu tun ist und so bekommt Andersen
einen kleinen Auftrag, um Geld verdienen und eine Empfehlung für das Theater bekommen zu
können. Außerdem trifft er auf die ebenso junge und schöne wie schnippige Prinzessin,
die aus dem Palast geflohen ist, um das Leben außerhalb der Stadtmauern zu erleben. Doch
ahnt er noch nicht, dass sie kurze Zeit später entführt wird und sogar ihr Leben bedroht
ist. Denn es stehen böse, die Welt bedrohende Kräfte, die durch einen Bannzauber lange
Zeit in Schach gehalten wurden, kurz vor ihrer Befreiung ...
Grafik
Grafisch ist HCA wirklich gelungen und kaum mit den beiden
Märchenspielen von Cornelsen zu vergleichen, da es um einiges aufwändiger und imposanter
umgesetzt worden ist. Statt der zwar schönen, aber sehr schlichten 2D-Grafik der beiden
Märchenspiele, gibt es eine aufwändig gestaltete 3D-Umgebung. Hier wurde für fast jedes
der fünf Kapitel eine neue sehr große Kulisse erschaffen, bestehend aus vielen
Straßenzügen der Stadt Kopenhagen. Daneben gibt es aber auch noch z.B. eine
unterirdische Höhle, Wohnräume, Hinterhöfe, eine Mühle oder das Hafengebiet, die für
Abwechslung sorgen. Bei letzter Location wurde besonders der Wellengang des Wassers sehr
schön animiert. In den Straßen bewegen sich so viele dreidimensionale Charaktere, wie
selten in einem Adventure gesehen. Auch diese wurden alle grafisch sehr ansprechend und
für ein Märchenadventure adäquat umgesetzt. Vereinzelt eiert und wankt vielleicht mal
eine der üppig gebauten Damen auf der Straße beim Stehen etwas unkoordiniert auf einer
Stelle rum, als sei sie gerade frisch aus der Forensik geflohen. Die Charaktergrafiken
sind vielleicht noch nicht hundertprozentig, aber wirklich auszusetzen gibt es an sich so
gut wie nichts.
Handhabung
HCA lässt sich sowohl mit der Maus als auch mit der Tastatur
steuern. Eigentlich ist HCA an sich ja ein normales 3rd-Person-Adventure und sollte damit
problemlos mit der Maus zu bedienen sein. Nachdem ich in der letzten Zeit nur sehr einfach
zu steuernde Spiele angefangen von Tunguska bis Atlantis 5 gespielt hatte, habe ich mich
mit dieser Art der Interaktion jedoch ziemlich schwer getan.
Ziemlich umständlich ist, dass man mit Personen oder Gegenständen
erst interagieren kann, wenn man ganz nah herangetreten ist. Also muss man das Ziel der
Begierde ein erstes Mal anklicken, etwas warten, bis Andersen bei der Person angekommen
ist, und dann noch ein zweites Mal, damit er eine Aktion ausführt. Vorausgesetzt,
Andersen reagiert überhaupt auf den Befehl, denn nicht selten verweigert er diesen und
bleibt einfach stehen. Man muss teilweise erst an den exakt richtigen Ort, etwa den
Blickwinkel einer Person treten, damit HCA reagierte. Das Ganze hat sich als ziemlich
ungenau und hakelig erwiesen.
Daher bin ich nach einiger Zeit des mürrischen Versuchens und
Herumexperimentierens freiwillig auf Tastatursteuerung umgestiegen, obwohl ich eigentlich
nicht unbedingt ihr Freund bin. Mit dieser Steuerung kam ich nach etwas Rumprobieren dann
allerdings ziemlich gut zurecht, da man genauer auf sein Ziel zusteuern kann. Diese Art
der Fortbewegung erwies sich auch als praktischer, wenn man nicht wohlgesonnenen Figuren
schnell aus dem Weg gehen muss. Die Steuerung erinnerte ein wenig an die von Monkey Island
4 bzw. Grim Fandango (allerdings einfacher) und wenn man damit zurechtgekommen ist, sollte
man bei HCA auch keine größeren Probleme haben.
So hat man auch ein paar Elemente von den besagten Spielen
übernommen. Das Inventar, welches sich oben rechts befindet, kann man z.B. mit dem
Mausrad oder den Bild-Auf- und Bild-Ab-Tasten auf der Suche nach dem richtigen Gegenstand
durchscrollen. Hans schaut auch wie Manny oder Guybrush in die entsprechende Richtung,
wenn er einen nützlichen Gegenstand oder eine Person gesehen hat. Manchmal schaut er auch
nur einfach so irgendwo hin, obwohl dort nichts Wichtiges ist und selten - etwa an einer
Tür - wird der Maus-Cursor zur Hand, obwohl man dort nichts machen kann.
Oben rechts, neben dem Inventar tauchen je nachdem, was an einer
Stelle zu tun ist, verschiedene Icons auf. Diese zeigen an, ob man etwa einen bestimmten
Gegenstand benutzen muss, mit einer Person reden oder ihr einen Gegenstand geben kann.
Insgesamt gibt es (ohne die Eieruhr für Warten") sieben verschiedene
Aktionsicons. Überwiegend steht eine manchmal auch zwei Aktionsmöglichkeiten zur Auswahl
- etwa mit einer Person reden oder ihr einen Gegenstand geben.
Mit der linken Maustaste bzw. mit der Leertaste führt man Aktionen
durch und mit einem Doppelklick bzw. mit der Umschalttaste rennt Andersen. Man kann
zwischen zwei Arten der Fortbewegung wählen: Relativ zur Spielfigur" oder
Relativ zum Bildschirm". Mit der Escapetaste kommt man ins Menü. Dort findet
man ein Tagebuch vor, in dem mit wenigen Sätzen erklärt wird, was zu tun ist. Außerdem
bekommt man ein paar Erklärungen zu den einzelnen Gegenständen. Natürlich kann man hier
auch laden und speichern, wobei Speicherstände automatisch nach Datum und Uhrzeit (also
chronologisch) angelegt werden. Im Optionsmenü kann man verschiedene Werte wie
Auflösung, Kantenglättung, Grafikdetails usw. einstellen. Schön, dass man Untertitel
wählen und Musik, Geräusche und Sprache einzeln justieren kann.
Akustisches
Andersen - mit en" am Ende. Also keine Angst: Der hier
fängt nicht an zu singen! Wie dem auch sei. Ich sollte mehr Klassik hören. Oder anders
ausgedrückt: Ich hätte mich überhaupt mal mit dieser Musik auseinander setzten sollen.
Dann müsste ich jetzt nicht rumdrucksen und schreiben, dass bekannte Themen aus eben
jener Musikgattung bei HCA die Hintergrundmusik liefern. Klassikfreunde werden sich jetzt
vermutlich verzweifelt die Haare ob soviel Kulturlosigkeit raufen. Die Musik variiert auf
jeden Fall ein wenig je nach Kapitel und Stimmung und passt hervorragend zu der
Atmosphäre eines so klassischen" Märchenspiels aus der Zeit des Hans
Christian Andersen.
Die einzelnen Stimmen wurden generell gut gesprochen. Jedoch
bekommen wir statt richtiger Dialoge meisten nur kurze Sätze von unseren
Gesprächspartnern zu hören. Denn Andersen selbst ist, außer in den Zwischensequenzen,
stumm und man hört immer nur die Antworten der jeweiligen Gesprächspartner. Mir ist
aufgefallen, dass mich das in Ego-Adventures oft gar nicht stört. In diesem
3rd-Person-Adventure, wo man den Protagonisten zwar sehen, aber nicht hören kann, wirkt
das etwas karg und ist dem Gesprächsfluss ebenfalls nicht gerade zuträglich. Nicht
zuletzt wissen wir daher auch nie, was Andersen denkt und bekommen dementsprechend keinen
richtigen Zugang zu unserem Protagonisten.
Rätsel
Einerseits bestehen viele Aufgaben aus einfachen Botendiensten sowie
einfach nur darin, die nächste Person und den nächsten Ort zu suchen. Und wenn man mit
Briefen vier mal hintereinander von A nach B und wieder zurück nach A geschickt wird,
muss man schon mal die Zähne zusammenbeißen. Es gibt aber andererseits genauso gut auch
ein paar abwechslungsreiche Aufgaben. Man bewegt einen massiven Stein mittels eines Kran
und bedient andere Maschinen oder gurkt in einem Labyrinth rum. Ab und an liegt die
einfache Lösung eher wegen der teilweise etwas umständlichen Umsetzung nicht auf der
Hand. Etwa, wenn wir einer Person unser Tagebuch mit einer darin befindenden Empfehlung
zeigen sollen, aber beim Tagebuch im Gegensatz zu sonst kein entsprechendes Symbol für
Benutzen" angezeigt wird.
Man muss auch aufpassen, wen man anspricht. Denn sonst kann es
passieren, dass die Herren von der Polizei kommen. Und die meinen es nicht immer gut. Also
nimmt man ab und zu mal besser die Beine in die Hand. Genau so sollte man sich verhalten,
wenn das Böse Überhand über die Stadt gewinnt und Bösewichter aus der Unterwelt die
Straßen bevölkern.
Aber auch diese Situationen sind problemlos zu meistern. Für
richtig rauhe Gesellen der Abenteurerzunft, welche die harte Herausforderung lieben, ist
das alles nix. HCA ist ja auch eher ein gediegenes Familienspiel und so sollten die
einfachen Rätsel auch zu verstehen sein.
Fazit
Bei Guppyworks ist geplant, dass noch weitere Spiele folgen sollen.
Ich denke, es spricht nichts dagegen. Mit hat HCA zumindest grundsätzlich gut gefallen.
Die Steuerung habe ich besonders mit der Maus als ziemlich unangenehm da sehr hakelig und
ungenau empfunden. Die Steuerung mit der Tastatur ist zwar nicht optimal - wer mit der
umständlicheren Steuerung von Monkey Island 4 oder Grim Fandango zurechtgekommen ist,
sollte auch mit HCA nach einer Eingewöhnungszeit keine größeren Probleme mehr haben.
Nicht so toll empfand ich die Tatsache, dass unser Held während des
eigentlichen Spiels keinen Ton von sich gibt. Das ist zwar einerseits recht niedlich und
hat so einen gewissen Pan-Tau-Effekt". Andererseits erscheinen die
Dialoge", wenn man sie so nennen möchte, dadurch nicht unbedingt flüssiger
und der Zugang zum Protagonisten wird erschwert. In den Zwischensequenzen hingegen kommt
der sprechende Andersen überzeugender rüber. Auch die hohe Zahl teilweise sehr niedlicher
Figuren, welche die Straßen Kopenhagens bevölkern, ziehen die Sympathien sofort auf ihre
Seite. Sie sehen sehr schön aus, wie auch der Rest der Grafik, nämlich die
Hintergründe. Hier war ich doch erstaunt wie viel Mühe man sich gegeben hat, ein extrem
großes Areal aufwändig umzusetzen. Die Rätsel hingegen sind einfach und bestehen oft
aus Suchereien, simplen, kleinen Laufwegen, aber auch anderen, zumindest etwas
anspruchsvolleren Aufgaben sowie leichten Actionsequenzen. Es ist generell halt ein
Familienspiel mit sehr moderatem Schwierigkeitsgrad.
Man sollte HCA aber nur spielen, wenn man einen neuen Rechner hat,
denn die Wartezeiten waren auf meinem nur mäßig aktuellen Rechner unerträglich lang.
Aber dafür kann das Spiel ja nichts.