Time stand still einen passenderen Titel
hätte man diesem Teil der Serie um die Hobbydetektivin Carol Reed gar nicht geben
können. Denn die wunderbaren Bilder versetzen den Spieler auch diesmal wieder in eine
Welt, in der die Zeit stehen geblieben zu sein scheint.
Handlung
Allerdings bezieht sich der Titel auch noch auf ein anderes
entscheidendes Ereignis im Spiel. Was das ist, wird natürlich nicht verraten. Aber was
ist seit dem letzten Teil eigentlich passiert? Lovisa ist ausgezogen und die Wohnung ist
nun Carols festes Domizil. Die Möbel hat sie bei der Gelegenheit direkt übernommen. Hier
geht sie auch ihrer Tätigkeit als Privatdetektivin nach, wie ein neu angebrachtes Schild
an der Eingangstür verrät.
Sie betritt die Wohnung, liest einen Zeitungsartikel und schon
befindet sie sich in ihrem nächsten Fall. Warum passieren mir eigentlich nie solche
Dinge? Egal. In dem Artikel steht auf jeden Fall, dass im Haus von Solvig Lindberg immer
wieder merkwürdige Dinge geschehen. Lichter werden gesehen und Fußspuren entdeckt. Es
steckt natürlich mehr dahinter und allmählich stellt Carol fest, dass das Haus der
Familie Lindberg ein großes Geheimnis birgt um verhängnisvolle Ereignise der
Vergangenheit. Etwas unspektakulär fand ich dieses Mal lediglich den Schluss, da das
Spiel ohne richtiges Endrätsel, ohne einen dynamischen Höhepunkt, eine spannenden
Auflösung oder etwas in der Art aufhört.
In der Liste der Beteiligen taucht dieses Mal übrigens auch
Jonathan Boakes u.a. als Sprecher auf, den wir alle als Schöpfer der Dark Fall-Spiele
kennen und schätzen gelernt haben. Ich weiß nicht, ob er bei den ersten beiden Spielen
auch schon mitgewirkt hat, er war ja z.B. zuletzt nicht ganz unmaßgeblich auch schon an
Scratches beteiligt. Jetzt also schwedisch-britische Freundschaft, oder so ähnlich.
Grafik und Gestaltung
Bezüglich des Designs hat sich der dritte Teil im Vergleich zu den
Vorgängern so gut wie nicht verändert. Und das ist auch gut so. Denn, wie gesagt: Diese
Serie muss man ja auch eigentlich gar nicht großartig optimieren. Die verschiedenen
Cursorformen sind jetzt rot und die Karte des guten alten Norrköppings hat sich etwas
verändert. Das wäre eigentlich alles.
Eines der Hauptmerkmale des Spiels ist wieder einmal die wundervolle
Grafik, welche die Serie einzigartig und unverwechselbar macht. Falls es jemanden gibt,
der nicht versteht, was Adventures mit Kunst zu schaffen haben könnten, so präsentiere
man ihm dieses Spiel. Das fängt schon mit der Gestaltung der Verpackung an, die wie immer
im dezenten Slimcase daher kommt. Dabei hat man sich wie gewohnt zurückgenommen und das
schlichte Cover wirkt mit seinem uralten Foto fast schon wie ein geheimnisvolles Buch,
welches man ergründen will.
Zu sehen gibt es wie gehabt nur" Standbilder. Nichts ist
animiert. Selbst Gespräche mit Personen werden in einer Folge von Bildern dargestellt.
Und nachdem ich mich durch die ersten Bilder geklickt hatte, war sie sofort da, diese
spezifische Stimmung, die typisch ist für die Carol-Reed-Adventures. Ein Spieler
beschrieb diese im Internet gar als meditativ. Grundsätzlich bin ich wenig esoterisch
veranlagt, finde dieses Gedanken aber recht treffend. Auf jeden Fall ist das Spiel eine
Zeitreise und versetzt den Spieler in eine eigentlich reale Welt, die aber durch die
kunstvolle Bearbeitung unwirklich erscheint.
Dabei hat man sich der bewährten Stilmittel bedient. Sprich: In
erster Linie wurden die Farben wieder kunstvoll übersteigert. Genauso wichtig sind sicher
auch die sorgsam ausgesuchten Locations. Gezeigt werden typisch schwedische Ortschaften.
Da sind oft verträumte kleine Sträßchen und Feldwege mit verwilderten Gärten und
typische Häuser, die an romantische Gartenlauben erinnern, in denen die Zeit stehen
geblieben zu sein scheint. Time Stand Still eben.
In einem Schuppen herrscht ein kunstvolles Durcheinander von
Gegenständen, welche man auch auf dem Trödel oder einem Antikmarkt finden kann. Manches
ist rostig und kaputt und woanders hätte man es sicher schon weggeworfen. Hier weiß man
die Dinge noch zu schätzen und so bleibt ein alter Topf Farbe in einem Schuppen eben
stehen, bis er eingetrocknet ist oder vielleicht doch noch Verwendung an einem Zaun
findet.
Aber natürlich sind daneben auch genauso viele ganz gewöhnliche,
oft typisch schwedische Produkte und Alltagsgegenstände in die Bilder integriert und auch
ganz normale Wohnungen und Wohnblocks werden dargestellt. Oder wir statten dem hiesigen
Museum für Design und dem Park mit seinem Kräutergarten einen Besuch ab. Die
Sorgsamkeit, mit der diese Orte ausgesucht und aufgenommen wurden, setzt sich bei den
Details fort. Dabei ist es einzigartig, wie nahe die Wohnungen dem Spieler gebracht
werden. Sie wirken einerseits bewohnt und andererseits durch die Menschenleere und die
grafische Nachbearbeitung geheimnisvoll und fremd. Jeder Raum kann genau erforscht werden
und man kommt sich so vor, als würde man in einen sehr privaten Bereich vordringen.
Rätsel
Es muss wieder viel gesucht und die Orte müssen genauestens
erkundet werden. Kann man ein Rätsel an einer Stelle nicht sofort lösen, muss man
vielleicht später noch einmal zu dem Ort zurückkehren, wenn sich die Situation
verändert hat oder man neue, hilfreiche Informationen oder Gegenstände erhalten hat. Vom
letzten Teil beibehalten wurden einige etwas kniffligere Aufgaben, die man durch Drücken
eines Überspringen-Symbols umgehen kann. Dieses sollte man aber eigentlich nur im
äußersten Notfall benutzen, denn zum einen ist das Spiel sonst kürzer und zum anderen
macht man sich den Spielspass kaputt. Zumal die Rätsel fast immer mit ein bisschen
Nachdenken gut nachvollziehbar sind. Auch wenn das bedeutet, dass man dafür schon mal
länger nach dem nächsten Hinweis suchen muss. Drei-vier mal musste ich aber trotzdem
nachschauen. Die Funktion zum Überspringen hingegen habe ich wie schon beim Vorgänger
nicht benutzen müssen.
Dabei sollen verschiedene kleine Puzzles gelöst werden. So muss man
in einem Garten Namensschilder den richtigen Kräutern zuordnen oder das Geheimfach einer
Uhr finden. Notizen sollte man sich auch machen, denn manche Zahlen und Symbole, über die
man stolpert, finden später vielleicht noch Verwendung. Viele Rätsel waren kreativ
gestaltet. Bei einer Aufgabe werden mehrere Rätsel miteinander verbunden: Zum einen muss
man muss sich Töne merken und diese gleichzeitig einem kleinen Code zuordnen. Klingt
vielleicht etwas kompliziert, ist aber, auch wenn man nur über ein rudimentäres
musikalisches Gehör verfügt, völlig logisch.
Handhabung
Im Endeffekt unterscheidet sich auch die Art der Bedienung nicht
wirklich von der der letzten zwei Teile. Nachdem wir unseren ersten Gegenstand erhalten
haben, bekommen wir kurze Instruktionen über die einfache Handhabung. Hier erfahren wir,
dass sich unser Inventar in einer Leiste befindet, welche aufklappt, wenn wir den oberen
Bildschirmrand berühren. Außerdem gibt es eine Lupe, mit der wir die darin befindlichen
Gegenstände genauer untersuchen können. Das sollte man auch tunlichst machen, denn
manchmal werden wichtige Hinweise angezeigt.
Pfeile zeigen uns wie üblich, in welche Richtung es geht und eine
Hand, dass man hier etwas benutzen kann. Sieht man ein Rädchen, kann man einen Gegenstand
aus dem Inventar anwenden. Hierzu ziehe man ihn (also den richtigen Gegenstand) mit dem
linken Mausöhrchen auf das besagte Rädchen. Auch alle anderen Funktionen betreibt man
mit diesem Ohr, während man das rechte Gegenstück lediglich dazu benötigt, um ins
spärliche Menü zu gelangen.
In diesem Menü befindet sich nichts! Na ja, fast nichts. Abgesehen
davon, dass man speichern, laden und das Spiel beenden kann. Außerdem kann man noch
weiche Übergänge ein- bzw. ausschalten. Wie wäre es so langsam mal mit einem
Lautstärkenregler, damit man nicht jedes Mal das Spiel verlassen muss, um diese zu
justieren? Ich meine ja nur. Zum Speichern und Laden kommt man ebenfalls, wenn man den
Cursor zum unteren rechten bzw. linken Bildschirmrand bewegt. Den Cursor nach oben rechts
geführt erscheint das Symbol zum Überspringen der Rätsel.
Sound
Wie bei der Nancy Drew-Serie gibt es ein-zwei Grundthemen, die man
seit dem ersten Teil kennt. Sonst hören wir wieder eine breite Palette von ruhige
Melodien am Piano über sphärische, fast schon merkwürdig entrückte Elektroklänge bis
hin zu minimalistischen Clicks&Cuts-Sounds. Diese ziehen sich durch das Spiel und
tragen mit dazu bei, die typische melancholische, entspannte Carol-Reed-Atmosphäre zu
verbreiten.
Fehler
Bisher liefen die Spiele auf meinem Rechner immer komplett
fehlerfrei. Das ist bis auf eine Kleinigkeit fast immer noch so. Und zwar musste ich den
Gärtner bezüglich eines Gegenstandes doppelt ansprechen, obwohl ich diesen Dialog
bereits gehalten hatte. Erst dann konnte ich einen Gegenstand in mein Inventar aufnehmen.
Es gibt Schlimmeres.
Fazit
Auch in diesem Jahr und damit inzwischen zum dritten mal pünktlich
zum Herbstbeginn ist wieder eine neue Folge der Carol Reed-Adventures erschienen. Kein
Wunder, denn das Spiel um die schwedisch-amerikanische Detektivin passt bestens in diese
Jahreszeit und das Erscheinen eines neuen Teils ist einer der Gründe, mich auf diese Zeit
zu freuen. Und so gibt es kaum etwas Schöneres als vor dem Rechner zu sitzen (bzw. in
meinem Fall zu liegen) um die einzigartige Atmosphäre zu genießen. Fremd und mysteriös
sowie melancholisch und entspannend sind sicher die besten Attribute, um die Carol-Reed
Adventures zu beschreiben. Allerdings verliert sich das Spiel nicht in irgendwelchen
Sphären, sondern es gibt wie jedes Mal eine handfeste Story und ebensolche Rätsel. Diese
machen im dritten Teil besonders Spaß und sind mit ein bisschen Nachdenken (fast
allesamt) gut nachvollziehbar. Das traumhaft schöne Design, das die Serie unverwechselbar
und einzigartig macht, ist (bis auf minimale Änderungen an den Feinheiten) vom
Grundkonzept geblieben. Ansonsten stagniert Carol Reed auf konstant hohem Niveau, so dass
ich mich schon jetzt auf den Nachfolger freue. In Prozenten ausgedrückt bedeutet das