Sommer Festivalzeit, Urlaubszeit, Zeit für
Ausflüge und Radtouren - was für eine Zeit auch immer: Auf jeden Fall auch für Reviewer
nicht unbedingt Zeit, um sich stundenlang im Internet über die neuesten Spiele auf dem
Laufenden zu halten. Dementsprechend uninformiert war ich, als ich zusagte, die
Previewversion von Whispered World zu übernehmen. Unvoreingenommen und nicht wissend was
mich erwartete, installierte ich das Spiel. Schon nach den ersten Minuten war ich umso
erfreuter zu sehen, dass von Daedalic nach Edna offensichtlich schon das nächste
vielversprechende Comicadventure ins Haus steht.
Handlung
Whispered World spielt in einem märchenhaft anmutenden
Fantasiereich. Sadwick ist ein angehender Clown in einem Wanderzirkus, quasi in der
Ausbildung, und reist mit seinem Großvater und älteren Bruder Ben durch die Lande, um
sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Immer an seiner Seite sein Haustier, der Wurm Spot.
Gerade haben sie mal wieder an einer Lichtung im Zauberwald halt gemacht, um dort ihre
Vorstellung zu geben.
Dabei hat es Sadwick nicht gerade leicht: Nicht nur, dass sein
Bruder Ben kein gutes Haar an ihm lässt und ihm die ganze Arbeit aufbrummt. Nein, auch
bringt er ihm nichts bei. Aber nicht nur das: Die Geschäfte laufen immer schlechter, denn
die Gäste bleiben aus, da irgendwas Finsteres im Zauberwald zu sein scheint und die
Menschen vertreibt.
Und schon bald soll einiges passieren in Sadwicks Leben. Er hat
Vorahnungen in Form von Träumen, denn seine Welt scheint dem Untergang geweiht und schon
wird er in abenteuerliche Geschehnissen verwickelt.
Grafik
Mit Clown Sadwick hat man einen Helden geschaffen, der das
sad" nicht nur in seinem Namen trägt. Auch seine Gesichtszüge wirken leicht
traurig, aber auch mutig, entschlossen und mit seiner großen Bommelmütze doch recht
putzig genauso putzig wie sein treuer Begleiter, der zur Metamorphose neigende Wurm
Spot alles in allem also der klassische Fall, wo das Helfersyndrom beim Spieler
greift.
Auch grafisch ist die vorliegende Version des ersten Kapitels noch
nicht endgültig und an den Feinheiten wird noch gearbeitet. Doch das was ich gesehen
habe, ist nicht nur schon im sehr perfekten Zeichentrickstil gehalten, sondern hat mir
ebenso sehr zugesagt. Es handelt sich um ein buntes, klassisches Comicadventure im
Fantasy- bzw. Märchenstil mit ebensolchen klassischen 2D-Hintergründen. Hierzu wurden in
manchen Bildern das hauseigene sogenannte Parallaxscrolling angewandt, bei dem
verschiedene Ebenen wie Wolken, Berge usw. übereinandergelegt werden, die dann beim
Laufen in verschiedenen Geschwindigkeiten mitscrollen. Dadurch erscheint die Welt trotz 2D
etwas plastischer.
Die Szenenbilder an sich sind handgemalt und jedes für sich sieht
fast schon wie ein kleines Kunstwerk aus. Die verhältnismäßig realistisch gezeichneten
Hintergründe wie Wiesen und Wälder sind in natürlichen Braun- und Grüntönen gehalten.
Sie sind eher sparsam animiert. Mal plätschert ein Wasserfall, mal sorgt das Flackern
einer Kerze für die richtige Atmosphäre. Wirklich viel tut sich bisher nicht und die
Wolken am Himmel bleiben unbewegt. Es sollen aber noch Animationen und Bildelemente
hinzukommen. Die gelungenen Animationen der im mittelalterlichen bzw. märchenhaften Look
gekleideten Figuren finden in mit sehr vielen Details ausgeschmückten Szenen statt, wo
das beigebraune Narrenkostüm von Sadwick manchmal fast schon in den Naturfarben
untergeht.
Hauptfiguren und Nebencharaktere sind ansprechend geraten und
auch wenn noch nicht final schon sehr schön animiert: so sieht man z.B., wie sich
Sadwicks Körper beim Atmen bewegt und sein Bruder trainiert während der Redepause weiter
mit seinen Jonglierbällen.
Manchmal fällt es schwer, die Texte zu lesen, da sie bunt und
verschnörkelt sind und sich von der sehr detailreichen Grafik schlecht abheben. Aber es
ist noch im lesbaren Rahmen und es kommt ja noch Sprachausgabe hinzu.
Ton und Dialoge
Wie sie hören hören sie nichts. Zumindest noch nicht viel. Denn
wie schon in Grafik" erwähnt, fehlt die Sprachausgabe bislang. Was die Texte
betrifft, wäre es auf jeden Fall wünschenswert, wenn die Figuren mit mehr und
individuelleren Antworten beim Durchprobieren von Inventargegenständen reagieren würden,
da man oft dieselben Standardantworten à la Das geht nicht" oder Versuch
was anderes" erhält. Allerdings bin ich auch noch von Edna, übrigens ebenfalls von
Daedalic, verwöhnt, welches ein Paradebeispiel in Sachen abwechslungsreicher Kommentare
ist.
Whispered World wirkt wegen der teilweise fehlenden Dialoge noch
etwas steril. In einer Sequenz gibt es z.B. ein kleines Erdbeben, woraufhin eine Figur
verschwindet. Statt dass Sadwick Staunen, Verwunderung oder Bestürzen zum Ausdruck
bringt, oder einfach nur irgendein Zeichen der Gefühlsregung zeigt, fehlt bislang noch
jegliche Reaktion. Es werden hoffentlich noch zahlreiche Dialoge und Kommentare ergänzt,
denn die fertigen Gespräche sind flüssig und wie das mit einigen sprechenden Steinen
zudem sehr humorvoll.
Wohl kann ich schon genauere Informationen zur Musik geben. Wie
schon bei The Abbey hat man sich auch bei Daedalic nicht lumpen lassen und dem Spiel
manuell eingespielte Musik von echten Musikern gegönnt. Vertont werden die
Hintergrundklänge von einem Ensemble klassischer Musiker des Teams des Periscope Studios.
Im ersten Kapitel wurde die Musik vom märchenhaften Ambiente des Spiels inspiriert.
Überhaupt eine spannende Entwicklung, dass man teilweise statt Samples und
Computerklängen zu benutzen wieder auf per Hand eingespielte Musik zurückgreift und dann
noch in der aufwändigen und bestimmt nicht ganz kostengünstigen Variante eines
Orchesters. Auch wenn ich als Fan von Minimal Electro nicht immer generell sagen möchte,
dass manuelle Klänge für jedes Spiel besser als elektronische funktionieren, war es für
dieses Spiel auf jeden Fall eine weise Entscheidung, da diese bestens zu den
stimmungsvollen handgemalten Bildern passt.
Rätsel
Komisch, obwohl grafisch eigentlich überhaupt nicht ähnlich musste
ich sofort an das tolle Torins Passage von Al Lowe denken. Vielleicht weil beide Spiele in
einem Fantasiereich spielen und in beiden Spielen die Hauptfigur von einem putzigen Tier
begleitet wird. Und tatsächlich stellt sich noch eine weitere Gemeinsamkeit heraus. Wie
in Torins Passage erlernt auch Wurm Spot mit zunehmender Spieldauer immer mehr
Spezialfähigkeiten. Eine erste Fähigkeit wäre z.B., dass er sich in einen Ball
verwandelt. Das verleiht dem Spiel natürlich Abwechslung. Ansonsten gibt es wie gewohnt
ein Inventar, in das die gesammelten Gegenstände rein- und aus dem sie wieder rausgepackt
werden müssen, um sie an entsprechender Stelle zu verwenden. Auch scheint man ab und zu
Geräte bedienen zu können, so muss man z.B. den Mechanismus einer Standuhr einstellen.
Insgesamt fand ich einige der Rätsel nicht gerade leicht, da wie
bei Fantasyspielen üblich, die abwegigsten Kombinationen von Gegenständen möglich sind.
So ist nicht selten Raten angesagt und man kommt erst weiter, wenn man immer wieder alle
Gegenstände durchprobiert. Allerdings ist auch die Rätselgestaltung noch nicht final und
so sollen durch weitere Dialoge noch konkretere Hinweise hinzukommen, so dass die Aufgaben
logischer nachvollziehbar sein werden.
Handling
Zu den Optionen kann ich ebenfalls noch nicht viel sagen, denn in
meiner Previewversion konnte ich bisher nur das Kapitel starten und beenden sowie
Spielstände speichern und laden. Ich hoffe und gehe davon aus, es kommt zumindest noch
ein Lautstärkenregler dazu, der Effekte, Sprache und Musik getrennt regeln lässt. Das
sollte ja eigentlich inzwischen bei jedem Spiel grundsätzlich möglich sein. Und viel
mehr braucht so ein Comicadventure ja eigentlich nicht.
Die Steuerung ist wie gewohnt einfaches und praktisches Point &
Click und vergleichbar mit Monkey Island 3. Wie in diesem Spiel erscheint, wenn man über
einem Hotspot die linke Maustaste gedrückt hält, an dieser Stelle ein kleines
Kontextmenü. Hier kann man zwischen Auge (Ansehen), Mund (Sprechen) und Hand (Nehmen)
auswählen.
Sadwick kann zwar nicht rennen, aber zumindest verlässt er per
Doppelklick auf die als Pfeil dargestellten Bildausgänge das Bild stante pedes. Außerdem
bekommt man schnell einen Karte, so dass eine recht flotte Fortbewegung durch das Spiel
gewährleistet ist.
Um Spot seine jeweilige Spezialfähigkeit zukommen zu lassen, muss
man den Cursor rechts zum oberen Bildschirmrand führen, so dass ein Menü mit den
Fähigkeiten erscheint, von denen man nur noch eine mit einem Linksklick aussuchen muss.
Das Inventar öffnet man wie so oft mit der rechten Maustaste und
mit Links wählt man einen Gegenstand aus. Nicht selten konnte ich Gegenstände im
Inventar miteinander kombinieren.
Fazit Ersteindruck
Okay, Daedalic betont, dass die vorliegende Version noch längst
nicht die Endversion sein soll. Ohne Sprachausgabe, oftmals fehlende Animationen und
Dialoge ist die Wirkung noch etwas steril. Viele Konversationen hingegen, die schon fertig
sind, wie die mit den sprechenden Steinen, sind einfach nur klasse, während man beim
Durchprobieren von Gegenständen nicht selten bislang nur Standardkommentare bekommt.
Für die Rätsel wünsche ich mir mehr und bessere Texthinweise um
das wahllose Raten und Ausprobieren zu vermeiden. Ebenfalls wünschte ich mir mehr
Kontrast der Gegenstände, die sich bisher etwas schlecht vom Hintergrund abheben. Aber
auch daran arbeitet man noch. Es gibt einige optimierungsfähige Details, die dem
Hersteller bekannt sind, so dass man hoffen kann, dass diese bis zur Endversion
ausgebügelt sein werden.
Whispered World kann ein sehr schönes Spiel werden, wenn man noch
an den Details feilt. Der wundervolle, fantasiereiche Grafikstil mit den detailreich
ausgeschmückten, kunstvoll gezeichneten Hintergrundbildern sagt mir auf jeden Fall sehr
zu. Sadwick ist ein überzeugender Held und sein niedlicher Begleiter bringt mit seiner
Fähigkeit der Verwandlungen Abwechslung ins Rätseldesign. Wie sich die Handlung und
schließlich das gesamte Spiel entwickelt, lässt sich natürlich noch nicht sagen, aber
generell hinterlässt das erste Kapitel einen sehr vielversprechenden Eindruck. Für
Freunde klassischer Comic-Adventures ist Whispered World auf jeden Fall ein Spiel, das man
sich vormerken sollte.