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The Moment of Silence
Erscheinungsdatum Deutschland: Oktober 2004
Entwickler: House of Tales
Publisher: dtpHomepage
Boxshots
Spielsprache und Handbuch: DeutschUSK: ohne Altersbeschränkung
Ein Review von slydos 04. Oktober 2004
Daß es ein 'Heißer Herbst' werden würde, ließen bereits die Releaselisten erahnen. Das deutsche Entwicklerstudio House of Tales steuert dabei mit dem Zukunftsthriller "The Moment of Silence" bewußt einen explosiven Quantensprung an, der das Adventuregenre in das noch junge neue Jahrtausend katapultieren soll.
Viele Spiele sind ja wie Knallbonbons - schön verpackt aber bis auf eine Augenblicksunterhaltung und ein wenig buntes Konfetti, das sich mit leichter Hand abschütteln läßt, ziemlich hohl.
Auch bei "The Moment of Silence" werden Sie zusammenzucken. Auch "The Moment of Silence" ist wunderschön verpackt (übrigens in einer Miniklappbox), effektvoll unterhaltend und manchmal bunt, aber eben nicht nur das. Dieses Adventure kommt aus Deutschland. Weshalb ich das anmerke? Wir sind Spezialisten für die Problematik von staatlicher Überwachung und Manipulation weil wir seit langem gut im Thema stehen.
"The Moment of Silence" verwickelt die Spieler jedenfalls in eine Geschichte, die man nicht so leicht abstreift, wie einen Konfettiregen oder den Werbespot im Radio.
Geschichte
Peter Wright, unser Hauptdarsteller, ist Kommunikationsdesigner bei der New Yorker Firma Greenberg & Winter und befaßt sich zur Zeit, d. h. im Jahre 2044, mit der inhaltlichen Gestaltung einer Werbekampagne für die gesetzliche Einführung des Kryptografieverbotes. Peter befindet sich in einem denkbar angegriffenen Zustand, denn seine Frau und sein Sohn wurden erst vor kurzem bei einem Flugzeugabsturz getötet. Sein Chef hat ihn vorübergehend von der Arbeit freigestellt und war ihm auch bei der Beschaffung eines neuen, erinnerungslosen Singleapartements behilflich. Peter läßt sich treiben, trinkt und hält sich in anonymen Chaträumen auf.
Ein nächtlicher Vorfall in der Nachbarwohnung reißt ihn aus seinem depressiven Schwebezustand: er beobachtet wie ein Spezialkommando der Polizei seinen Nachbarn, den Journalisten Graham Oswald, wie einen Schwerverbrecher verhaftet und abtransportiert. Er beschließt, zu handeln und Mrs.Oswald und ihrem Sohn zu helfen. Peter gerät bei seiner Suche nach Oswald Stück für Stück einem Überwachungsstaat auf die Spur, der viel dezenter als Orwells "1984" im Hintergrund unbemerkt von der Mehrheit der Bevölkerung wirkt. Wir erfahren bruchstückhaft, wie sich die Welt in den letzten 40 Jahren verändert hat und vernehmen überrascht, daß sogar die NSA abgeschafft wurde. Was für ein glückliches Land, das keinen Geheimdienst mehr nötig hat!
Aber einige Bewohner scheinen überhaupt nicht mit der Entwicklung einverstanden zu sein und versuchen mit Anschlägen das hochtechnisierte Gesellschaftssystem zu schwächen ja zu stürzen. Nach den englischen Maschinenstürmern des 19. Jahrhunderts nennen sie sich Ludditen und werden als Terroristen von der Staatsmacht verfolgt. Peter war in seinem bisherigen Leben nicht wirklich an Ihnen oder den politischen Umständen interessiert und wird vom satten Mittelklassebürger zum handelnden Individuum erst dann, als er sich ganz persönlich betroffen fühlt.
Peters Nachforschungen bleiben nicht unentdeckt und auch er wird durch seine Kenntnisse und Aktionen zum Staatsfeind. Und dieser Staat kennt ganz besondere Behandlungsmethoden für seine Feinde. Wenn man Peters Entwicklung betrachtet, fragt man sich unwillkürlich, ob vielleicht nicht doch ein kleiner Una-Bomber in uns allen stecken könnte.
Szenario
Das Szenario, das die Spieler in dieser erdachten Welt vorfinden, ist von heute gesehen in einigen Punkten wahrscheinlich, in anderen eher unwahrscheinlich, in jedem Fall aber so oder ähnlich möglich und nachvollziehbar.
- Wahrscheinlich erscheint beispielsweise die Roboterisierung weiter Lebens- und Arbeitsbereiche und der damit verbundene Rückgang von Beschäftigung, wie hier in der Krankenbetreuung dargestellt, in der Schule oder anderen Dienstleistungsberufen. Nur noch ganz wenige Aufgaben werden für die Menschen übrig bleiben, z. B. Kontrollfunktionen (Polizei, Führungskräfte, Maschinenwartung) oder auch kreative Tätigkeiten.
- Eher unwahrscheinlich erscheint beispielsweise die gern prognostizierte Union und Weltregierung (vielleicht kommt sie ja doch, wenn der Mensch einen anderen Gegner als sich selbst findet).
- Interessant ist, woher das System des Moment-of-Silence-Staates seine Helfer rekrutiert: es sind leicht zu führende Menschen, 'nützliche Idioten' mit niedrigem IQ, Leute die bereits eine Hirnwäsche hinter sich haben, oder traditionell nicht hinterfragende Befehlsempfänger wie die Polizei oder das Militär.
- Jeder Bürger muß ein per Gesetz eingeführtes Kommunikationsgerät bei sich tragen, den 'Messenger', mit dem man Telefongespräche führt, bezahlt und sich ausweist.
- Alle nicht elektronisch erfaßten Printmedien müssen gescannt und so dem Informationsministerium zugänglich gemacht werden, da alle schriftliche Informationen der Allgemeinheit zur Verfügung stehen müssen.
- Individuelle schriftliche Kommunikation ohne die erlaubten Mittel wie Computer oder Messenger, also z.B. das Schreiben von persönlichen Notizen, ist per Gesetz verboten.
- Es gibt auch weiterhin verschiedene Online-Zeitungen und freie Journalisten wie Oswald.
- Schulkinder werden online oder von Robotertutoren erzogen. In der Schule wird das handschriftliche Schreiben nicht mehr gelehrt.
- Zumindest in den Großstädten ist der Individualverkehr auf der Straße weitgehend abgeschafft. Automatisch gesteuerte Satcars haben Taxis mit Fahrern ersetzt. Weniger Priviligierte müssen die überirdischen Magnetbahnen nutzen, die unterirdischen Bahnen waren zu unsicher und wurden stillgelegt. Passagierflugverkehr ist möglich. Automatisch gesteuerte Zeppeline sind für bestimmte Wartungsaufgaben vorgesehen.
- Ihre Freizeit verbringen die Menschen vor dem Telescreen oder im Virtual Palace, Kinderspiele werden in einer virtuellen 3D-Realtität simuliert. Als besonders 'exklusiver' Urlaubsort gilt Lunar 5, eine 'idyllische' Raumstation im Erdorbit, die mit einer Schnellbahn im Space Elevator mit der Erde verbunden ist.
- Die Menschen haben freien Zugang zu bewußtseinsverändernden Medikamenten, Alkohol ist ebenfalls überall verfügbar.
- Die Konzentration von Großunternehmen nimmt weitgehend unkontrolliert immer weiter zu.
- Der Staat duldet einen Teil von harmlosen Outlaws, Freaks, und Kriminellen in ihren Nischen und Verstecken.
Hört sich doch alles gar nicht so schrecklich an, meinen Sie? Ordnung und Organisation muß sein, damit nicht alles im Verbrechen und Chaos untergeht? Sie trennen sich gerne von kleinen persönlichen Freiheiten und geben einen Teil Ihrer Privatsphäre zugunsten eines sicheren Lebens ab? Sie tun es ja jetzt schon und es tut gar nicht weh?
Die fiktive Geschichte von "The Moment of Silence" setzt sich aus wohl bekannten Versatzstücken aus Film, TV und Literatur zusammen, was kein Kritikpunkt sein soll. Der aus der Bahn geworfene Held mit seinem Alkoholproblem ist nicht gerade neu, die Alienfreaks könnten aus Akte X stammen und bei Mr. Huntington, dem Antikhändler werden alle, die Orwells "1984" (Mr. Charrington) kennen, besonders mißtrauisch sein.
Wichtig ist, daß die bekannten Puzzleteile mit originalen Charakteren und Strukturen zu einem neuen und stimmigen Handlungsbogen zusammengefügt werden, wie hier ausgezeichnet geschehen. Das führt zu einem Wiedererkennungslächeln bei allen, die das Referenzmaterial kennen. Aber auch wer mit den munter verteilten Mosaiksteinen oder auch knappen Anspielungen weniger anfangen kann, wird von der Story mit Sicherheit gefesselt werden. Dabei spielen nicht nur gut gesetzte Spannungs- und Überraschungselemente eine große Rolle, sondern auch die ausführlichen Hintergrundgeschichten vieler NPCs, die uns nicht nur das Leben im Jahr 2044 näher bringen, sondern auch als Hinweisgeber bei der Lösung von Aufgaben dienen.
"The Moment of Silence" baut nicht auf einer düsteren, dauernd regnenden Bladerunnerstimmung auf, bei der wir nicht mehr wissen ob es Tag oder Nacht ist. Wir befinden uns zunächst in einer überraschend aufgeräumten Großstadt, die im Businessviertel mit hellen Glasstrukturen aufwartet, hinter denen sich die durchaus freundlichen Büros der Ideenschmieden verbergen oder im idyllischen Greenwich Village und selbst die heruntergekommene Lower Eastside macht mit den bunten Graffitis einen fast heimeligen Eindruck. Irgendwie kommt es uns am hellen Tag ganz unwirklich vor, daß sich hinter allem tatsächlich ein dunkles Geheimnis verbergen soll. Aber es wird auch in diesem Spiel dunkler, je tiefer wir mit Peter in die Geschichte einsteigen, scheinbar verlassene Ubahnstationen und verwinkelte Kanalisationsschächte sind Zuflucht und Gefängnis zugleich. Aber am liebsten spielt TMOS mit dem Kontrast einer scheinbar heiteren Kulisse mit abgründiger Handlung, wie auf der paradiesisch anmutenden Orbitalstation Lunar 5.
Grafik/Sound
Die Hintergrundgrafiken sind ausgezeichnet und beschäftigen unsere Augen und unsere Maus mit einer Menge von Details, von denen wir auch nicht spielrelevante Objekte betrachten können, um dazu Informationen zu erhalten. Gerät unser Held an bestimmte Schlüsselpunkte, werden wir mit dynamischen Kamerafahrten und Perspektivwechseln überrascht, die uns immer wieder neue Einsichten vermitteln. Allerdings dienen sie auch, und wie mir schien nicht ganz ungezielt, der Desorientierung der Spieler in der New Yorker Unterwelt, die Peter mit den beschwörenden Eingangsworten betritt: "Man könnte fast meinen, es sei ein Labyrinth - aber ich bin ganz sicher, daß es keins ist!" (Gütiger Dädalus, ich hätte mich fast an meinem Apfel verschluckt!). Tatsächlich ist es kein echtes Labyrinth, aber auch nicht die Übersichtlichkeit per se. An einer unterirdischen Stelle war es fast unmöglich weiterzuspielen, da der Held immer auf einem vollkommen unpassenden Pfad zurücklief und dabei teilweise durch die Wand verschwand. Es gibt nur einen winzigen interaktiven Pixelbereich (siehe entsprechender Screenshot), der Peter korrekt in die nächste Szene entläßt.
Der Abwasserstrom in der Nähe des Ausgangs wirkt eher wie ein Abraumfließband und nicht wie flüssige Materie, mir fehlte hier darüberhinaus die passende Geräuschkulisse, genau wie beim Springbrunnen in Peters Büro oder beim nächtlichen Regen im Park, wo stattdessen Mücken um eine Laterne surren, die eigentlich das plätschernde Naß hätte vertreiben müssen. Sonst finden wir wirklichkeitsnah animierte Bachläufe im Park und in Alaska. Auch der Ozean in Peters Ausflug ins Bermuda-Dreieck kommt echt rüber und stellt auch bei den Soundeffects zufrieden. Ganz besonders lobenswert und äußerst beruhigend ist die Tatsache, daß Peter nicht zur Rasse der Vampirähnlichen gehört, will sagen es gibt von ihm Spiegelbilder in Scheiben, Pfützen, Spiegeln, und Fußböden.
Die Schauplätze in New York und auch auf Lunar 5 wirken auf den ersten Blick realistisch belebt, es stehen oder sitzen immer eine Anzahl von nicht interaktiven NPCs herum, die auch teilweise sehr gut animiert sind, sich aber immer an den gleichen Stellen aufhalten. Mobile Passanten sind die Ausnahme. Satcar-Verkehr sucht man außer in den Videoszenen vergeblich. Nur die Magnetbahn, Aufzüge und Rolltreppen sind unterwegs und der eine oder andere Vogel regt sich. Etwas eigenartig fand ich die Geräuschkulisse in der Metro - obwohl wir erfahren, daß der Ubahnverkehr eingestellt wurde, hört man hier immer noch Züge fahren, vielleicht die oberirdische Magnetbahn, oder ein Geisterzug, wer weiß. Während die Musik, speziell das Hauptthema, überzeugt und das futuristische Ambiente unterstützt, wurden auffallend viele erwartete Soundeffekte unterlassen bzw. nicht realistisch umgesetzt.
Bei den 3D Charakteren, von denen wir kurzzeitig neben Peter auch seine Nachbarin Deborah Oswald steuern können, fallen zunächst perfekte realistische Bewegungen und Gang auf. Demgegenüber ist die Gesichtsanimation noch ausbaufähig. Auch wenn sich Münder relativ synchron zum gesprochenen Text bewegen, zeigen unsere Darsteller keine der Situation entsprechende Mimik wie sie z. B. in den ausgezeichneten Filmszenen zu sehen ist. Allerdings kommen unser Held und seine Gesprächspartner selten in Großaufnahmen vor, in denen Mimik ein größeres Gewicht hat.
Die schon angesprochenen Filmszenen bieten richtig gutes Kino und fügen sich passend in die Situationen, in denen es spannend und actiongeladen wird. Nur hier geht es richtig zur Sache, während der interaktive Teil des Spiels keine Actionelemente beinhaltet. Immer dann, wenn Peter seinen Körper mehr als fürs Daherlaufen beanspruchen muß, werden diese Bewegungen durch elegante Ingame-Animationen ausgeführt, Klettern oder Springen wie bei Uru oder Baphomets Fluch 3 bleiben den Spielern erspart. Woher Peter wohl die Kraft für manche Übungen nimmt bei seinem Lebenswandel?
Zu unseren Hauptcharakteren gesellen sich noch 35 interaktive Darsteller, bei denen sich der weibliche Anteil in Grenzen hält. Wenn es schon heute nicht mehr so ist, daß die Frauen nur am Empfang sitzen oder als Dummerchen-Hostess oder Prostituierte ihren Lebensunterhalt verdienen, dann sollte man in 40 Jahren doch eine höhere Frauenquote erwarten als hier dargestellt. Hätte man auf der anderen Seite z. B. auch einige gutgebaute, nicht besonders IQ-belastete männliche 'Begleiter' auf Lunar 5 eingesetzt, wäre Mrs. Winter (Gast auf Lunar 5) sicher etwas zufriedener.
Dialoge/Sprachausgabe
Alle Liebhaber dialogbetonter Adventures kommen hier voll auf ihre Kosten. Auch wenn nach Angaben der Hersteller mit 8 Stunden Sprachausgabe "The Longest Journey" noch nicht erreicht wird, so bleibt doch ein ganz ähnlicher Eindruck zurück. Wir erfahren bei weitem nicht nur das, was wir unbedingt für die Lösung unserer Aufgaben benötigen, sondern auch Familiengeschichten von Kollegen oder das Tagesgeschehen der Welt der Zukunft. Wer daran, und natürlich der hervorragenden Sprachausgabe nicht so ganz interessiert ist, hat die Möglichkeit in den Multiple-Choice Dialogwahlen nur das tatsächlich zu selektieren, was er/sie dringend fürs Weiterkommen in diesem Adventure benötigt. Allerdings wird es dann problematisch die Geschichte zu verstehen, ähnlich als würde man in einem Buch nur jede 2. Seite lesen. Dialoge können auch schnell weitergeklickt werden, falls man einmal aus Versehen eine Frage doppelt gestellt haben sollte. Wir erkennen bereits abgehandelte Dialogthemen durch andersfarbige Schriftdarstellung und können auch Untertitel zuschalten (die dann am oberen Bildschirmrand und auch in verschiedenen Farben angezeigt werden).
Wie bei Publisher dtp jetzt schon üblich, wurde die Synchronisation von so ausgezeichneten Sprechern wie Manfred Lehmann oder Daniela Hoffmann übernommen, die besser bekannt sind als die deutschen Stimmen von Bruce Willis und Julia Roberts. Auch in den Nebenrollen wurde ausgezeichnete Arbeit geleistet, da finden wir Referenzen wie Norman Matt von Monkey Island oder Alexander Schottky von Baphomets Fluch. Die beiden Hauptdarsteller wurden als Doppelpack von den Fans gewählt, was in der erzwungenen Kombination dann doch nicht ganz nach freier Wahl aussah. Martin Lehmann ist zwar einer meiner liebsten und ich freue mich auch jedesmal ihn zu hören oder zu sehen wie gerade als Privatdetektiv beim Wiso-Magazin, aber er gibt Peter zwangsläufig eine Coolness und Abgebrühtheit, die der eigentlich gar nicht verkörpert.
Steuerung
The Moment of Silence kann fast ausschließlich mit der Maus gesteuert werden. Es gibt allerdings neben der unbedingt zu nutzenden ESC-Taste, die das Hauptmenü öffnet noch die Tasten 'H' für die Einblendung von Szenenausgängen und die Taste "M" für den Aufruf des Messengers, falls man das nicht per Rechtsklick über das Inventar erledigen will. Der Standarpfeilcursor verändert seine Gestalt über Hotspots und deutet damit Gesprächspartner, Szenenausgänge oder interaktive Objekte an. Die Steuerung ist intuitiv erfaßbar, benötigt nur beim Szenenwechsel einige Übung, denn nicht jeder Kamera-/Szenenwechsel wird durch eine Cursoränderung angezeigt. Eine ausführliche Beschreibung aller Funktionen bietet das gut illustrierte 19seitige Handbuch.
Unser 3rd-Person Held Peter reagiert enorm 'relativ' auf die relative Maussteuerung. Er folgt den vorgegebenen Bewegungspfaden und macht dabei manchmal große Umwege. Wenn ich z. B. auf die rechte Bildschirmseite klicke und er erst mal nach links unten läuft, dann wirkt das eigenartig. Um ihn dorthin zu bekommen, wohin man ihn eigentlich haben will, braucht man in manchen Szenen eine gehörige Portion Geduld.
Ein Doppelklick sowohl mit linker als auch mit rechter Maustaste läßt Peter rennen, aber manchmal ist dieser Mann gar nicht zu stoppen. Es passiert, daß er ungewollt einfach weiter in die nächste Szene läuft.
Beim Verlassen einer Szene oder auch nur eines Blickwinkels, z. B. in seiner Wohnung, gerät der unbedarfte Spieler nur zu leicht in das sich aufklappende Inventar. Um dieses Problem ein wenig abzuschwächen, kann man sich die Szenenausgänge per Tastendruck anzeigen lassen. Ungeduldige Spieler werden von dieser Funktion sicher begeistert sein.
Rätsel
Damit wären wir bei den Rätseln: sie werden keine schlaflosen Nächte bereiten, sind aber auch nicht so einfach, daß es einen ganz ungestoppten Durchmarsch gäbe. Die Rätsel sind klassisch aber trotzdem nicht unerfindungsreich. Sie sind alle logisch ableitbar und gut in die Geschichte eingebettet. Neben Inventar-/Objekträtseln sollten wir besonders auf wichtige Hinweise in Dialogen achten und auf einige zeitabhängige Rätsel gefaßt sein, bei denen wir eine bestimmte Zeitspanne verstreichen lassen müssen. Einige wenige Logikrätsel, wie wir sie von den Mystvertretern kennen, verlangen Kombinationsgabe und richtiges Auslegen der Hinweise. Besonders fein fand ich Rätsel, bei denen man sich von den ganzen krummen Gedanken wieder auf den direkten Weg besinnen mußte. Etwa so, wie in der Filmszene auf einem arabischen Markt als Indiana Jones die Pistole benutzt. Das hat was!
"The Moment of Silence" ist linear angelegt, wenn wir auf grundlegende Handlungsverzweigungen blicken, bietet aber nach der Einstiegsphase die Möglichkeit, einen Teil der Schauplätze wieder und wieder zu besuchen bzw. mit Gesprächspartnern in fast beliebiger Reihenfolge erneut zu reden. Meist müssen wir Rätsel A vor Rätsel B lösen und auch zuerst eine Information oder ein Hilfsmittel zu einer Handlungsmöglichkeit erhalten, bevor wir tätig werden können. Auch Computer und Messenger sind in den Rätselaufbau integriert. Es gibt keine Spielsequenzen, die Reaktionsvermögen verlangen und ebenfalls kein Gameover.
Ich konnte "The Moment of Silence" in 30 Stunden beenden, ganz fixe Spezialisten werden minimal in 25 Stunden fertig, beim Gros der Spieler wird nach meiner Einschätzung nach 35 Stunden einer der beiden möglichen Endfilme zu sehen sein.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals auf den Genuß hinweisen, den ein persönlich gelöstes Rätsel bereitet. Wer Spielelösungen verwendet, nimmt sich viel vom ursprünglichen Vergnügen. Ich bin ganz sicher, daß jeder "The Moment of Silence" aus eigener Kraft lösen kann, wenn er/sie nur genügend Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hat. Wer bisher bei Adventures nicht ohne eine Lösungshilfe ausgekommen ist, sollte sich dieses Spiel mal ganz ohne vornehmen und sich vom eigenen Können überraschen lassen.
Installation/Technisches
Es muß nochmal betont werden, daß nur Spieler die einen Rechner mit einem DVD-Laufwerk besitzen, "The Moment of Silence" spielen können. Die Installationsprozedur bietet 2 Möglichkeiten: die empfohlene Vollinstallation von 3,3 GB oder eine Minimalinstallation von 900 MB.
Nach der Starforce-Codeeingabe gab es bei mir eine Fehlermeldung, die sich auch nach einem Rechner-Neustart nicht umgehen ließ, so daß eine De- und Neuinstallation des Spiels erforderlich wurde. Seltsam, daß keine erneute Codeabfrage mehr zu absolvieren war, was wohl bedeutet, daß der Kopierschutzcode nicht entfernt wurde.
"The Moment of Silence" wird über ein kleines Startermenü aufgerufen, das sich Launcher nennt. Hier können wir einige Voreinstellungen wie Kantenglättung oder Sound-Typ ändern oder auch den Installationsumfang nachträglich auf Minimal zurücksetzen, falls man den Platz braucht, ebenso kann man jederzeit wieder von der Minimalinstallation zur Vollinstallation zurückkehren, was ich für äußerst komfortabel halte.
Während der Minimalinstallation kommt es zu längeren Ladezeiten bei Szenenwechseln. Das Spiel lief aber reibungslos und ohne merkbare Verzögerung in der Vollinstallation.
Einen vollständigen Spiel- und Systemhänger konnte ich nach dem Anklicken einer nicht sichtbaren Chat-Nachricht an Peters PC am Morgen des 2. Oktobers verzeichnen. Sonst lief das Spiel ohne Abbrüche.
Es gibt über das Launcher-Menü die Möglichkeit, bei eventuellen Programmproblemen per Internet auf ein Patchverzeichnis zuzugreifen und von dort Dateien direkt zu laden. Für Leute, die keinen Internetzugang haben oder nicht verwenden wollen, sieht das Handbuch einige kostenpflichtige Supporttelefonnummern vor.
Das Hauptmenü, das während des Spiels mit der ESC-Taste zugänglich ist, bietet die 6 Punkte Neustart, Ende, Sichern, Laden, Bedienungshinweise und Einstellungen von Sound, Gamma-Korrektur und Untertiteln.
Savegames gibt's leider nur in der Einzeldarstellung, in der man durch die entsprechenden Miniszenenbilder scrollen muß. Die Anzahl der Savegames ist nicht zahlenmäßig begrenzt. Die Namen sind zwar mit den Ortsbezeichnungen vorbelegt, können aber von uns auch mit deutschen Umlauten überschrieben werden: Der Zeitpunkt der Sicherung wird automatisch festgehalten.
Wer das Spiel unterbrechen muß - wird sich darüber freuen, daß der Neueinstieg ihn/sie ohne Umwege, d. h. ohne Vorspann, Filmchen ja sogar ohne die Notwendigkeit ein Savegame auszuwählen zum letzten Spielstand bringt. Das nenn' ich Minimalismus an der richtigen Stelle! Fast ebenso fix kann man TMOS wieder verlassen und muß dabei nur den Haltepunkt Hauptmenü passieren.
USK
"The Moment of Silence" hat von der USK die Freigabe für alle Altersklassen erhalten und kann damit genau wie Freddi Fisch von 3jährigen gespielt werden. Es ist nicht das erste Mal, daß ich mit der USK-Einstufung meine Probleme habe.
TMOS ist kein Kinderspiel, sondern wendet sich inhaltlich an ein erwachsenes Publikum. Nicht genug, daß es zu Verständnisproblemen bei Kindern kommt, es gibt auch einige mehr oder weniger unappetitliche Szenen, die man den noch Zombieunerfahrenen nicht gerade aufzwingen sollte. Also ab 12 Jahren wäre passender gewesen.
Fazit
Wenn ich die Veränderungen der Welt in den letzten 40 Jahren rekapituliere, zeigt das TMOS-Szenario für 2044 eine fast schon zahme, und wenn man will, durch die Zukunftsprojektion sogar gefährlich verniedlichende Entwicklung, gemessen an den bereits real eingesetzten Technologien der Gegenwart. Der erwähnte Datenstaubsauger Echelon ist Wirklichkeit und niemand weiß ganz genau, wer letztlich Empfänger und Auswerter der Satellitenkommunikation ist, die hier von einem Land in Echtzeit abgehört und analysiert werden können. Die US-Zollbehörden und angeschlossene Institutionen haben auf alle Luftfracht- und Passagierbewegungen Datenzugriff zusätzlich zu den ab 1.10.2004 eingescannten Fingerabdrücken und Fotos von Flugreisenden. Den Lesern werden sicher Stichworte wie Krankenservicecard, Biometriedaten, Terrorist Information Awareness Office oder das harmlose Mautsystem einfallen. Ich persönlich denke beispielsweise an die fast lautlose Einführung der RFID-Spitzelchips, bei denen die internationale PR-Agentur Fleishman&Hillard gerade aktuell die heute noch widerspenstigen Gegner neutralisieren soll. (Übrigens ist F&H, die auch für das US-Militär arbeiten, ebenfalls verantwortlich für die Kampagne eines messengerähnlichen PDA-Handys der Firma 'Danger', den Namen kann man sich gar nicht ausdenken, der ist echt). Die Zukunft hat bereits begonnen. Aber es dient ja bekanntlich alles dem eigenen Komfort und der Sicherheit und wir haben ja nichts zu verbergen, nicht wahr?
House of Tales hat aus vielen einzelnen guten Zutaten eine schmackhafte Mahlzeit bereitet, beherzt die alte Hollywood-Regel, nicht vollkommen schwarz zu malen, sondern die 'Es-ist-noch-was zu-retten-Einstellung' zu kultivieren mit einem Helden, der das Unmögliche anpackt. Das Spiel zeigt, wie weit es kommen kann, wenn man nicht mehr selbst denkt sondern denken läßt.
Trotz der Abstriche bei den Charaktergrafiken, Soundeffects und beim Handling gehört das Spiel fraglos in seiner Gesamtwirkung zu den diesjährigen Höhepunkten des Genres. Die Fragen, die wir uns zum Schluß stellen müssen, sollten unbedingt in einem 2. Teil beantwortet werden.
Wertung 90%
Bewertungssystem Adventure-Archiv:
- 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
- 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
- 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
- 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
- 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
- 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)
Minimale Systemvoraussetzungen:
- Windows 98/2000/ME/XP
- Pentium 1 GHz
- 256 MB RAM
- 32 MB Grafikkarte mit DX-kompatibler Texturkompression
- DirectX 8.1 (mitgeliefert)
- 16-Bit Soundkarte
- ca. 900 MB Festplattenspeicher
gespielt mit:
- Windows XP
- P IV 1,6 GHz
- 512 MB RAM
- 16x DVD-ROM (Ultima Artec)
- nVidia GeForce 2MX400 64 MB Grafikkarte
- Soundkarte DirectX-kompatibel
Das Hauptmenü
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Mit dem Satcar bewegt sich Peter durch New York
Zahlenmystiker und Verschwörungstheoretiker finden genug Futter in "The Moment of Silence"
In der Lower Eastside trifft Peter auf den Alien Attack Club
Die Monitore werden immer größer und die Berieselung untentrinnbarer
Die Ideenschmiede Greenberg & Winter
Low-fat Schnellgerichte gehören zur Ernährung von Peters Kollegen
Hier unterhält sich Peter mit Claire - dem Pförtnerroboter in seinem Bürogebäude - leider in dieser Einstellung unsichtbar
Das idyllische Greenwich Village
Peter macht sich auf mit dem Space Elevator nach Lunar 5
Der Souvenirshop des Planetariums in Arecibo, Puerto Rico ist ein weiteres Ziel
Das Kinderobservatorium beherbergt ein vollfunktionsfähiges Teleskop
Ein traumhafter Blick von der Orbitalstation auf die Erde
Lunar 5 bietet viele Annehmlichkeiten und einige Geheimnisse
Ein Motorboot ist eines der vielen Fortbewegungsmittel, die Peter benutzt
Wir übernehmen auch vorübergehend die Steuerung von Mrs. Oswald
Governor's Island ist 2044 die Gefängnisinsel von New York
Peters Nachforschungen führen ihn ausgerechnet nach Alaska
Mit der H-Taste kann man sich die Szenenausgänge anzeigen lassen, an dieser Stelle gibt's einen nur wenige Quadratpixel großen Ausgang zu finden!
Wer sitzt am anderen Ende der Überwachungseinrichtung?
Einige Schauplätze, wie Brooklyn, können wir sowohl bei Tag, als auch nachts besuchen
Am Flughafen starten sowohl Space Elevator als auch Flugzeuge und Zeppeline
Copyright © slydos für Adventure-Archiv, 04. Oktober 2004