Am 27. Februar 2003 fand sich auf der offiziellen Homepage von The
Longest Journey diese Newsmeldung: We're extremely happy to announce that hell
has indeed frozen over, and that preproduction has finally begun on the second chapter in The
Longest Journey saga!" (Auf gut Deutsch: Wir freuen uns außerordentlich,
anzukündigen, dass in der Hölle tatsächlich Schnee gefallen ist, und dass die
Vorproduktion zum zweiten Kapitel in der The Longest Journey Saga endlich begonnen
hat."). Ein Jubeln und erleichtertes Aufatmen ging durch die Fangemeinde, deren lang
gehegter Wunsch nach einem Nachfolger zu einem der erfolgreichsten und besten Adventures
aller Zeiten doch noch in Erfüllung gehen sollte. Drei Jahre und etliche Previews,
Interviews sowie Empörungsrufe über angekündigte Actionelemente später ist es nun
endlich soweit Dreamfall: The Longest Journey steht in den Regalen! Trotz
der umfassenden Berichterstattung hat der norwegische Entwickler Funcom es fertig
gebracht, extrem wenige Informationen über das Spiel durchsickern zu lassen und ich kann
nur sagen, das war auch gut so! Dieses Spiel kann man am besten genießen, wenn man
möglichst wenig vorher weiß. Da aber nicht alle die Katze im Sack kaufen wollen, gebe
ich Euch nachfolgend ein paar Informationen an die Hand. :-)
Geschichte
Vor 10 Jahren, im Jahre 2209, hat die achtzehnjährige
Kunststudentin April Ryan auf ihrer längsten Reise (The Longest Journey) das
Gleichgewicht der Zwillingswelten Stark, unserer Welt der Technik, und Arcadia, der
verborgenen Welt der Magie, wieder ins Lot gebracht, indem sie dem Hüter, dem Beschützer
und Bewahrer des Gleichgewichts, auf seinen Platz geholfen hat. Abgesehen von der nagenden
Frage, was nun weiter aus April würde und ob man es je erfahren werde, schien für den
Spieler alles in bester Ordnung, doch in den Zwillingswelten folgte unmittelbar darauf ein
heftiger Kollaps. Kaum jemand kann sich daran erinnern, was damals tatsächlich geschah,
aber Stark hat sich seither sehr verändert und auch in Arcadia ist das friedliche Leben
mehr Schein als Sein. Das wirtschaftliche Zentrum der technischen Welt hat sich auf den
afrikanischen Kontinent verlagert und dort beginnt auch die Geschichte von Dreamfall.
Casablanca, 2219: Zoë Castillo, 20 Jahre alt, bildhübsch und
intelligent, hat ihr Studium der Biotechnik an der Universität von Kapstadt geschmissen,
sich von ihrem Freund getrennt und ist wieder bei ihrem Vater, Gabriel, eingezogen. Sie
lebt lustlos und ohne Ambitionen in den Tag hinein und hat eigentlich gar keinen Plan, was
sie mit sich und ihrem Leben anfangen soll. Schlimmer noch, es ist ihr im Augenblick
schlichtweg ziemlich gleichgültig. Das soll sich allerdings ändern, nachdem ihr
Ex-Freund Reza, ein Enthüllungsreporter, sie bittet, ein Päckchen für ihn abzuholen und
es ihm später nach Hause zu bringen. Er ist einer ultra-heißen Story auf der Spur, will
aber keine Details preisgeben. Mit ein wenig abenteuerlichem Einsatz schafft Zoë es, das
Päckchen zu bekommen, erlebt aber eine unangenehme Überraschung, als sie es bei Reza
abliefern will. Er ist nicht da und in seinem Appartement stimmt etwas nicht...
Als würden die Aufregungen noch nicht ausreichen, scheint Zoë die
einzige zu sein, die auf allen möglichen Bildschirmen plötzlich ein schwarzes Haus in
einer verschneiten Landschaft sieht und ein Mädchen, welches sie anfleht: Zoë!
Finde sie, rette sie! Finde April Ryan!" Wer ist April Ryan und warum soll
ausgerechnet sie, Zoë, sie finden? Zoë kann sich keinen Reim darauf machen und ehrlich
gesagt, macht sie sich auch mehr Sorgen um Reza. Hat sein Verschwinden etwas mit dem
Päckchen und seiner geheimnisvollen Story zu tun? Nur eins ist sicher, sie muss ihn
finden! Seine Spur führt sie einmal um den Erdball und auch der Name April Ryan kreuzt
dabei wieder ihren Weg. Sollte diese April in irgendeinem Zusammenhang mit Rezas
Recherchen stehen?
Grafik, Sound und Steuerung
Wenn es je eine Spielweltgrafik geschafft hat, mir unzählige Ahs
und Ohs zu entlocken war es die von The Longest Journey. Falls Ihr das bestätigen
könnt, schnallt Euch am Stuhl fest, denn Dreamfall wird Euch von selbigem fegen.
Die Verwandlung von 3rd-Person-2D-Point & Click in glücklicherweise immer noch
3rd-Person - 3D-Direktsteuerung ist eindeutig geglückt und ein Optionsmenü, das jedem
die Möglichkeit bietet, seine individuell beste Einstellung zu konfigurieren, bereitet
den Weg zu einer abenteuerlichen Erkundungsreise.
Aber beginnen wir am Anfang, oder zumindest fast. :-) Wie schon in The
Longest Journey besteht die Spielwelt von Dreamfall aus den Zwillingswelten
Stark und Arcadia. In Stark durchstreifen wir zunächst mit Zoë ein kuscheliges Viertel
ihrer Heimatstadt Casablanca, wo man den Einfluss des Orients trotz der futuristischen
Kulisse ganz eindeutig spürt und sieht. Auf dem kleinen belebten Marktplatz klingen leise
orientalische Trommeln im Hintergrund, während wir lernen Zoë zu steuern. Das geht
nämlich mit etwas Freiraum erst mal besser. Egal für welches Gerät wir uns entschieden
haben, Tastatur und Maus oder Gamepad, man muss zunächst im Optionsmenü einige
Einstellungen testen, um festzustellen, womit man am besten klar kommt. Ich habe alles
ausprobiert und komme persönlich mit dem Gamepad optimal zurecht, da man hier alle
Knöpfe sehr nah beieinander hat.
In der Regel laufen wir Zoë hinterher und werden dabei hin und
wieder durch ein mit grünen Winkeln markiertes Viereck auf Hotspots aufmerksam gemacht.
Was man damit anstellen kann, zeigen uns kleine Icons in der rechten unteren Bildecke an,
die wir dann entsprechend anwählen können. Personen werden durch einen Lichtkreis zu
ihren Füßen und ebenfalls durch diese Icons markiert. Um einen Kommentar zu weiter
entfernten Punkten zu erhalten oder auch mal aus respektvoller Entfernung Personen beim
Tuscheln zu belauschen, schalten wir das Fokusfeld ein. Das ist ein senkrechter
Leuchtstreifen, mit dem wir die Umgebung um unseren Spielcharakter herum
abtasten" können, wodurch auch viele Hotspots überhaupt erst sichtbar werden,
die wir sonst vielleicht gar nicht wahrnehmen würden.
Optisch weniger ansprechend, weil zu sehr an ein Konsolenspiel
erinnernd und auch nicht unbedingt hübsch, fand ich das ein- und ausblendbare Inventar
und die Dialogoptionen, die beide in großen transparenten Feldern auf dem Monitor
erscheinen, allerdings nur so lange wie unbedingt nötig. Sie verschwinden, sobald wir
unsere Wahl getroffen haben bzw. den Gegenstand benutzen. Am Ende des ersten
Stadtrundgangs steht ein Besuch im Sportstudio, wo wir lernen können, wie wir unsere
Alter Egos im Kampf steuern. Aber dazu komme ich später. Ich verzichte hier absichtlich
darauf, jede Steuerungsvariante eingehend zu erklären, da es sehr viele Möglichkeiten
gibt und das den Rahmen dieses Reviews sprengen würde. Nur soviel sei erwähnt, man
sollte sich die Zeit nehmen, im ersten Kapitel in aller Ruhe so viele Arten wie möglich
auszuprobieren und sich damit vertraut zu machen, damit man sich anschließend besser auf
das Spiel konzentrieren und es genießen kann.
Und zu genießen gibt es allerhand. Denn neben den nicht zu großen
Locations (das finde ich sehr wichtig, denn man hat keine Karte, um sich an andere Orte zu
befördern, sondern muss laufen), die eine atemberaubend detaillierte Grafik mit
zahlreichen Animationen und Statisten und den dazu passenden Geräuscheffekten bieten,
wird die Atmosphäre der Geschichte perfekt mal von leisen Hintergrundmelodien, mal von
dramatisch-orchestralen Stücken unterstützt und abgerundet.
Während Zoë in Stark mit futuristischen Hightech-Transportmitteln
um die Welt reist, hören wir auch den ein oder anderen Song des norwegischen Sängers
Evan Johansen alias Magnet. Die dritte Dimension bietet natürlich auch sehr viel mehr
Bewegungsfreiheit. Wolltet Ihr schon immer mal in die kleinen Gässchen schauen, die vom
Marktplatz Marcurias in der Magiewelt Arcadia abzweigen? Jetzt könnt Ihr sie
durchschreiten, Euch zwischen Häusern umsehen und Treppen hinaufsteigen! Doch die
Spaziergänge werden sicher auch Spieler begeistern, die das Vorgängerspiel nicht kennen.
Egal mit welcher Steuerung man spielt, außer beim Mausbewegungsmodus, kann man immer die
Kamera unabhängig vom Laufen bewegen und so entgeht einem nichts.
Bei soviel Perfektion fiel mir allerdings mal wieder auf, dass es
scheinbar sehr schwer ist, Wasser glaubhaft zu animieren. Der Regen konnte mich ja noch
überzeugen, aber ich fand es schon sehr merkwürdig, dass das Wasser, durch das Zoë in
einer Szene läuft, sich absolut nicht bewegte, nicht mal eine klitzekleine Welle warf.
Der Grund, warum ich im Übrigen nicht näher auf die Locations eingehe, liegt darin, dass
die Erkundung und die Überraschungsmomente einen sehr wichtigen Aspekt des Spieles
darstellen. Und ich möchte nicht zuviel vorweg nehmen. Da lasse ich lieber die
Screenshots nebenan für sich sprechen. :-)
Die Charakteranimation ist ebenfalls mehr als ansehnlich. Alle
Bewegungen sind sehr natürlich und flüssig Motion-Capturing macht es mal wieder
möglich und selbst, wenn die Personen stehen bleiben, sieht man die leichte
Bewegung des Körpers beim Atmen. Einzig die Mimik lässt manchmal zu wünschen übrig,
hier wurde nicht auf kontinuierliche Animation geachtet, was bei Zoës großen, braunen
Augen zwar nicht immer auffällt, aber wenn etwas nahezu perfekt ist, bemerkt man auch
Kleinigkeiten.
Während der zugegebenermaßen (besonders gegen Ende des Spiels)
recht zahlreichen, aber auch sehr guten Filmsequenzen können wir uns zurücklehnen und
entspannen, denn sobald ein längerer, u. U. mehrere Minuten andauernder, Dialog geführt
werden muss, hat man sich für diese Art des Erzählens entschieden. Ich bin in diesem
Fall nicht böse darum, da es die Geschichte nur noch spannender macht, als wenn man
gewisse Dinge nicht versteht, weil man irgendwo einen optionalen Dialog nicht geführt
oder ein paar Fragen vergessen hat zu stellen. So ist der Verlauf wohl sehr linear, doch
auf der anderen Seite werden Verständnislücken vermieden. Und nicht zuletzt besitzt das
ganze Spiel einen starken Filmcharakter, der durch die Direktsteuerung enorm unterstützt
wird.
Schon wegen der recht hohen Systemanforderungen von Dreamfall
möchte ich erwähnen, dass das Programm von Anfang bis Ende technisch völlig fehlerfrei
auf meinem System gelaufen ist und ich habe die Grafikauflösung bis 1280 x 960 Pixel
hochgeschraubt. Auch der viel gescholtene Kopierschutz Starforce" hat bei mir
wie immer bis dato - keinerlei Probleme verursacht.
Charaktere und Dialoge
Nicht viele Adventures haben eine solche Menge an ausgeprägten,
verschiedenen, tiefgründigen und glaubwürdigen Charakteren zu bieten wie wir sie in Dreamfall
antreffen. Das zeigt sich natürlich besonders bei der ersten Hauptrolle Zoë Castillo.
Sie durchläuft eine nachvollziehbare Verwandlung vom gelangweilten, perspektivlosen
Mädchen zur engagierten und fokussierten jungen Frau. Sie passt sich nicht nur
kontinuierlich den Anforderungen an, sondern wirft sich der Herausforderung förmlich
entgegen. April Ryan hat sich dagegen seit ihrem großen Abenteuer stark geändert. Sie
hat ihre Illusionen verloren, ist enttäuscht vom Schicksal und sucht nach Ausflüchten,
sich nicht nochmals für irgendetwas anderes einsetzen zu müssen als ihre persönlichen
Überzeugungen. Doch so einfach kann auch sie nicht alles abschütteln. Kian, der
geheimnisvolle dritte Charakter, den wir in Dreamfall steuern können ist eine
interessante Mischung aus Apostel, Soldat und Auftragskiller. Er lebt von und für seinen
Glauben und seine Überzeugungen. Letztere sollen jedoch auf eine harte Probe gestellt
werden.
Es gibt zwei Sorten von nicht-spielbaren Charakteren (NPCs)
jene, mit denen wir per wählbaren Dialogoptionen sprechen können bzw. müssen und die
Statisten. Die erste Kategorie der NPCs steht dem Persönlichkeitsaufbau der
Hauptcharaktere in nichts nach. Wenn man sich die Zeit nimmt, Gespräche komplett zu
führen, erfährt man einiges über ihre Lebensumstände, Ansichten und Beziehung zum
Spielcharakter, was der Geschichte noch mehr Tiefe verleiht. Es kann auch vorkommen, dass
eine Unterhaltung vorzeitig beendet wird, weil man die falsche Dialogoption gewählt hat.
Nicht immer besteht dann auch die Möglichkeit, das Gespräch gleich oder später
weiterzuführen und manchmal hat die Auswahl der Gesprächsthemen auch Auswirkungen auf
den unmittelbar anschließenden Verlauf der Geschichte und Rätsellösungen.
Regelmäßiges manuelles Speichern ist also schon aus diesen Gründen empfehlenswert und
den vom Programm regelmäßig erneuerten Autosaves vorzuziehen. Viele Dialoge finden ja,
wie bereits erwähnt, auch komplett als Teil einer Filmsequenz statt. Wiederholen kann man
selbst geführte Gespräche generell nicht, doch werden alle Aussagen und Dialoge in Zoës
Handy bzw. einer Art Notizbuch zum Nachlesen gespeichert. Neben den wichtigen NPCs, mit
denen wir sprechen müssen, gibt es noch eine ganze Reihe Statisten, die wir ansprechen
können, damit sie uns drei bis vier nicht-interaktive Antworten geben. Zu einigen gibt
unser jeweiliger Spielcharakter auch nur eine Bemerkung von sich.
Rätsel und Actioneinlagen
Hier komme ich zum einzigen Aspekt, der mir bei Dreamfall
nahezu gefehlt hat. OK, Funcom hatte sich zum Ziel gesetzt, die Rätsel so zu gestalten,
dass keine Frustmomente aufkommen können und die Spieler im Fluss der Geschichte nicht
gehindert werden. Nun, das ist ihnen eindeutig gelungen, frei nach der Devise Wo
keine Rätsel, da keine Hindernisse". Na ja, es gibt schon Rätsel, aber sie sind
sehr, sehr einfach zu lösen, denn die Aufgabenstellung ist eigentlich immer klar und wer
trotzdem Zweifel hat, bekommt die Hinweise mit einem Blick in Zoës Handy bzw. das
Notizbuch vor die Nase gesetzt.
Das mit maximal fünf Gegenständen (in sechs vorhandenen Feldern)
gefüllte" Inventar ist obendrein so übersichtlich, dass man auch nie
rumprobieren muss, welchen Gegenstand man anwenden soll, ganz abgesehen davon, dass alle
Objekte in der Regel erst kurz bevor man sie benötigt organisiert werden müssen und man
keinen Gegenstand, außer des Handys, von einem Hauptschauplatz zum anderen mitnimmt.
Immerhin gibt es an einigen Stellen die Möglichkeit, ein Rätsel auf unterschiedliche Art
zu lösen, das macht es auch interessanter, das Spiel noch mal anders anzugehen.
Im Gegensatz zu den wenigen Inventar-, Kombinations-, Beschaffungs-
und Decodierrätseln sind die Aufgaben in Form von Schleicheinlagen schon etwas
fordernder, aber sie bringen auch die beabsichtigte Spannung ins Spiel. Besonders eine
längere Schleicheinlage verbunden mit einer Art Coderätsel, während wir als April
spielen, kann schon mal etwas an den Nerven zerren, da wir ständig auf der Hut vor einem
großen Troll sein müssen, der zu stark ist, als dass er im Kampf besiegt werden könnte.
Damit wäre ich dann auch bei den von vielen Fans fast ängstlich
erwarteten Kampfeinlagen angekommen. Auch sie sollten der Abwechslung und der
Unterstützung der Story dienen. Allerdings sind sie so einfach und simpel ausgefallen,
dass man sie schnell erfolgreich hinter sich bringen kann. Eigentlich rennt man nur in
Richtung des Gegners, hält die Vorwärtstaste gedrückt und haut mit dem Actionknopf
drauf, bis der Gegner aufgibt oder in die Knie geht. Das wars! Man sollte lediglich
wissen, dass Zoë nicht die beste Kämpferin ist also besser andere Wege suchen
sollte - und dass April besser schleichen und rennen kann. Der dritte Spielcharakter,
Kian, ist allerdings Soldat und schafft mit seinem Schwert locker alle Gegner. Unterm
Strich kann man also sagen, dass Funcom sich die Kampfszenen auch hätte sparen können.
Sie bringen nichts, stören aber auch nicht übermäßig. Das soll aber auf gar keinen
Fall heißen, dass ich im nächsten Spiel bessere Kampfszenen sehen möchte, lieber gar
keine oder von mir aus in einer weiteren Filmsequenz, dafür aber lieber mehr und
forderndere Rätsel.
Sprachausgabe
Da bei Dreamfall folglich der Schwerpunkt eher im Bereich der
interaktiven Geschichte zu finden ist als im Rätseln, spielt neben der Grafik die
Sprachausgabe die Hauptrolle.
Weil ich es nicht abwarten konnte bis die deutsche Version
erscheint, habe ich bereits vorher die englische Limited Edition gespielt und muss sagen,
dass ich sie wirklich genossen habe trotz meiner anfänglichen Zweifel, ob es nicht
eventuell merkwürdig sein könnte, da ich The Longest Journey nur auf Deutsch
auswendig" kenne. :-) Ausnahmslos alle Stimmen sind perfekt ausgewählt und die
Sprecher wie auch Regie (Chefdesigner und Autor Ragnar Tørnquist selbst hat sie geführt)
und Technik haben erstklassige Arbeit geliefert. Um Menschen unterschiedlicher Herkunft zu
unterscheiden, hat man auch schottische, irische, amerikanische und diverse
nicht-englischstämmige Akzente verwendet, welche für Ungeübte zuweilen nicht ganz
einfach zu verstehen sind, aber ich fands toll. Kurzum, alles hat gestimmt und
seinen erheblichen Anteil zur großartigen Atmosphäre des Spiels beigetragen.
Nun komme ich zur deutschen Version. Zuerst das Zuckerbrot: die
deutsche Ausgabe von Dreamfall enthält sowohl die deutsch lokalisierte Version als
auch die englische Originalversion des Spiels auf einer DVD. Oft haben sich
fremdspracheninteressierte Adventurefans diese Auswahlmöglichkeit gewünscht und ich
finde, es verdient ein dickes Lob, dass dtp/Anaconda sie bei Dreamfall anbietet.
Erwartungsgemäß sind die deutschen Stimmen sehr gut ausgewählt, wie immer bei dtp, und
alle Sprecher haben fast durchweg gute Arbeit abgeliefert, insbesondere einige der NPCs.
Ein großes Plus für all jene, die The Longest Journey kennen und lieben ist die
Wiederverpflichtung von einigen Sprechern mit wohlbekannten Stimmen, allen voran Stefanie
Kindermann als April Ryan. Auch an der Lippensynchronisation lässt sich nichts
bemängeln; hier hat die Technik gute Arbeit geleistet.
Leider hört es da dann aber auch auf mit der Professionalität und
jetzt kommt die Peitsche. Ich fange mal mit der Übersetzung ins Deutsche an. Warum
verpflichtet man einen bekannten Fantasy-Autor wie Harald Evers (Die Höhlenwelt-Saga)
für solch einen Job, wenn er so derbe Schnitzer liefert, wie folgende Übersetzung:
Please, let this work!", was korrekt übersetzt bedeutet: Bitte, lass es
funktionieren!", hier aber kommt heraus Bitte, lass diese Arbeit!" Das war
wohlgemerkt nur das krasseste Beispiel, es gibt noch viele weniger auffällige. Wurde hier
mit Babelfish gearbeitet? Mit einem professionellen Übersetzer, der beide Sprachen und
ihre Eigenheiten kennt; der darüber hinaus weiß, dass man bessere Ergebnisse erzielt,
wenn man sinngemäß und nicht wortwörtlich übersetzt, wäre man hier sicher besser
bedient gewesen. Des weiteren scheint es, als hätte Herr Evers und/oder alle anderen
Verantwortlichen nie The Longest Journey in Deutsch gespielt, da er wichtige
Begriffe und Namen nicht übersetzt hat, was der Kontinuität abträglich ist. Das erste
Mal fiel es mir auf, als von der Balance" statt vom Gleichgewicht"
gesprochen wurde und etwas später bei Zoës erstem Dialog in Arcadia. Dort spricht man
Allsprache" (ebenfalls bereits aus dem ersten Spiel bekannt), nur heißt es
jetzt wie im englischen Original Alltongue". Und das sind wieder nur zwei
Beispiele von vielen weiteren, die mich gestört haben, nicht nur wegen des
Wiedererkennungswertes, sonder weil man gerade bei Worten, wie dem letztgenannten besser
versteht, was überhaupt gemeint ist, wenn sie übersetzt worden wären.
Neben diesen Nicht-Übersetzungen, wurden sehr viele Namen und
Begriffe seltsamerweise im Gegensatz zur englischen Version! - englisch
ausgesprochen, andere werden wiederum unnötig eingedeutscht. Hätte man sich vor Beginn
der Lokalisationsarbeiten überhaupt mal eingehend mit der Originalversion beschäftigt,
wäre aufgefallen, dass selbst dort darauf geachtet wurde, dass Namen wie Reza korrekt,
also Resa", ausgesprochen werden und nicht einge-englischt
Risa", um wieder nur ein Beispiel zu nennen. Mir ist klar, dass im heutigen
deutschen Sprachgebrauch Anglizismen gebräuchlich und auch akzeptiert sind ich
benutze sie selbst oft genug aber was hier abgeliefert wird ist unlogisch bis
ärgerlich. Auch die streckenweise schlechte Dialog-/Tonregie und Einbindung der Dateien
ins Spiel ist ein Kritikpunkt, und dazu muss man nicht einmal zwingend das Vorgängerspiel
und seine unübertroffen gute deutsche Lokalisation kennen. Da fallen falsche Betonungen
und Einsätze auf (z.B. dauert es gute 2 Sekunden in einer Filmsequenz, wenn ein Sprecher
seinen Satz unbeendet lässt, weil der andere ihm ins Wort fallen soll, bis jener dies
auch tut) oder die Betonung ist falsch bzw. fehlt schlicht und ergreifend. Es gibt zwar
mindestens genauso viele positive Stellen, doch wäre eine durchgängig hohe
Qualität wünschenswert gewesen. Zu guter Letzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass
sich sehr viele Tippfehler in die deutschen Untertitel eingeschlichen haben bis hin zu
ganzen Satzteilen, die der entsprechende Charakter so nicht von sich gibt.
Das war ein ganzer Schwung Kritik und deshalb sage ich es noch mal:
wer die deutsche Version zuerst oder ausschließlich spielt, weil er keinen Bezug zur
englischen Sprache hat und/oder gar The Longest Journey nicht kennt, wird mit
einigen meiner Punkte nichts anfangen können und seine Freude am Spiel haben. Und so soll
es ja auch sein, aber bitte für alle Spieler.
Fazit
Dreamfall ist beileibe kein klassisches Adventurespiel, aber
es ist ein Abenteuer im besten Sinne des Wortes. Es ist ein erwachsen gewordenes TLJ
und ein würdiger Nachfolger, der möglicherweise nicht jedem Liebhaber dieses Spiels
gefallen wird. Doch wenn man sich darauf einlässt, nimmt es einen gefangen und lässt
nicht ein einziges Mal locker bis man den Abspann sieht (der bei mir nach guten 23 Stunden
Spielzeit über den Monitor lief, und den es sich übrigens bis zum Schluss anzuschauen
lohnt ;-) ). Die Story ist so fantastisch, dass selbst eingefleischte Adventurefans den
Mangel an wirklichen Rätseln verzeihen dürften, ja sogar müssen, wenn sie nicht ein
Highlight der interaktiven Erzählkunst verpassen möchten. Trotzdem hätte es in dieser
Hinsicht etwas mehr und gerne auch etwas schwieriger sein dürfen. Schon allein durch die
grafische Gestaltung wären die Möglichkeiten vorhanden gewesen. Deshalb meine innige
Bitte an Funcom: Macht weiter mit den Geschichten dieses wunderbaren Universums und
findet den goldenen Mittelweg bei den Aufgaben, damit man die Spielwelt noch intensiver
nutzen und erleben kann."