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Dreamfall - The Longest Journey


Erschienen: 26. Mai 2006
Entwickler: FunCom
Publisher: Micro Application / dtp

Spielsprache: Deutsch und Englisch
Handbuch: Deutsch

Boxshots

Homepage

Altersfreigabe: USK ab 12 Jahren, PEGI ab 16 Jahren


 

 

Ein Review von  MaryScots   02. Juni 2006

 

Am 27. Februar 2003 fand sich auf der offiziellen Homepage von The Longest Journey diese Newsmeldung: „We're extremely happy to announce that hell has indeed frozen over, and that preproduction has finally begun on the second chapter in The Longest Journey saga!" (Auf gut Deutsch: „Wir freuen uns außerordentlich, anzukündigen, dass in der Hölle tatsächlich Schnee gefallen ist, und dass die Vorproduktion zum zweiten Kapitel in der The Longest Journey Saga endlich begonnen hat."). Ein Jubeln und erleichtertes Aufatmen ging durch die Fangemeinde, deren lang gehegter Wunsch nach einem Nachfolger zu einem der erfolgreichsten und besten Adventures aller Zeiten doch noch in Erfüllung gehen sollte. Drei Jahre und etliche Previews, Interviews sowie Empörungsrufe über angekündigte Actionelemente später ist es nun endlich soweit – Dreamfall: The Longest Journey steht in den Regalen! Trotz der umfassenden Berichterstattung hat der norwegische Entwickler Funcom es fertig gebracht, extrem wenige Informationen über das Spiel durchsickern zu lassen und ich kann nur sagen, das war auch gut so! Dieses Spiel kann man am besten genießen, wenn man möglichst wenig vorher weiß. Da aber nicht alle die Katze im Sack kaufen wollen, gebe ich Euch nachfolgend ein paar Informationen an die Hand. :-)

 

Geschichte

Vor 10 Jahren, im Jahre 2209, hat die achtzehnjährige Kunststudentin April Ryan auf ihrer längsten Reise (The Longest Journey) das Gleichgewicht der Zwillingswelten Stark, unserer Welt der Technik, und Arcadia, der verborgenen Welt der Magie, wieder ins Lot gebracht, indem sie dem Hüter, dem Beschützer und Bewahrer des Gleichgewichts, auf seinen Platz geholfen hat. Abgesehen von der nagenden Frage, was nun weiter aus April würde und ob man es je erfahren werde, schien für den Spieler alles in bester Ordnung, doch in den Zwillingswelten folgte unmittelbar darauf ein heftiger Kollaps. Kaum jemand kann sich daran erinnern, was damals tatsächlich geschah, aber Stark hat sich seither sehr verändert und auch in Arcadia ist das friedliche Leben mehr Schein als Sein. Das wirtschaftliche Zentrum der technischen Welt hat sich auf den afrikanischen Kontinent verlagert und dort beginnt auch die Geschichte von Dreamfall.

Casablanca, 2219: Zoë Castillo, 20 Jahre alt, bildhübsch und intelligent, hat ihr Studium der Biotechnik an der Universität von Kapstadt geschmissen, sich von ihrem Freund getrennt und ist wieder bei ihrem Vater, Gabriel, eingezogen. Sie lebt lustlos und ohne Ambitionen in den Tag hinein und hat eigentlich gar keinen Plan, was sie mit sich und ihrem Leben anfangen soll. Schlimmer noch, es ist ihr im Augenblick schlichtweg ziemlich gleichgültig. Das soll sich allerdings ändern, nachdem ihr Ex-Freund Reza, ein Enthüllungsreporter, sie bittet, ein Päckchen für ihn abzuholen und es ihm später nach Hause zu bringen. Er ist einer ultra-heißen Story auf der Spur, will aber keine Details preisgeben. Mit ein wenig abenteuerlichem Einsatz schafft Zoë es, das Päckchen zu bekommen, erlebt aber eine unangenehme Überraschung, als sie es bei Reza abliefern will. Er ist nicht da und in seinem Appartement stimmt etwas nicht...

Als würden die Aufregungen noch nicht ausreichen, scheint Zoë die einzige zu sein, die auf allen möglichen Bildschirmen plötzlich ein schwarzes Haus in einer verschneiten Landschaft sieht und ein Mädchen, welches sie anfleht: „Zoë! Finde sie, rette sie! Finde April Ryan!" Wer ist April Ryan und warum soll ausgerechnet sie, Zoë, sie finden? Zoë kann sich keinen Reim darauf machen und ehrlich gesagt, macht sie sich auch mehr Sorgen um Reza. Hat sein Verschwinden etwas mit dem Päckchen und seiner geheimnisvollen Story zu tun? Nur eins ist sicher, sie muss ihn finden! Seine Spur führt sie einmal um den Erdball und auch der Name April Ryan kreuzt dabei wieder ihren Weg. Sollte diese April in irgendeinem Zusammenhang mit Rezas Recherchen stehen?

 

Grafik, Sound und Steuerung

Wenn es je eine Spielweltgrafik geschafft hat, mir unzählige Ahs und Ohs zu entlocken war es die von The Longest Journey. Falls Ihr das bestätigen könnt, schnallt Euch am Stuhl fest, denn Dreamfall wird Euch von selbigem fegen. Die Verwandlung von 3rd-Person-2D-Point & Click in – glücklicherweise immer noch 3rd-Person - 3D-Direktsteuerung ist eindeutig geglückt und ein Optionsmenü, das jedem die Möglichkeit bietet, seine individuell beste Einstellung zu konfigurieren, bereitet den Weg zu einer abenteuerlichen Erkundungsreise.

Aber beginnen wir am Anfang, oder zumindest fast. :-) Wie schon in The Longest Journey besteht die Spielwelt von Dreamfall aus den Zwillingswelten Stark und Arcadia. In Stark durchstreifen wir zunächst mit Zoë ein kuscheliges Viertel ihrer Heimatstadt Casablanca, wo man den Einfluss des Orients trotz der futuristischen Kulisse ganz eindeutig spürt und sieht. Auf dem kleinen belebten Marktplatz klingen leise orientalische Trommeln im Hintergrund, während wir lernen Zoë zu steuern. Das geht nämlich mit etwas Freiraum erst mal besser. Egal für welches Gerät wir uns entschieden haben, Tastatur und Maus oder Gamepad, man muss zunächst im Optionsmenü einige Einstellungen testen, um festzustellen, womit man am besten klar kommt. Ich habe alles ausprobiert und komme persönlich mit dem Gamepad optimal zurecht, da man hier alle Knöpfe sehr nah beieinander hat.

In der Regel laufen wir Zoë hinterher und werden dabei hin und wieder durch ein mit grünen Winkeln markiertes Viereck auf Hotspots aufmerksam gemacht. Was man damit anstellen kann, zeigen uns kleine Icons in der rechten unteren Bildecke an, die wir dann entsprechend anwählen können. Personen werden durch einen Lichtkreis zu ihren Füßen und ebenfalls durch diese Icons markiert. Um einen Kommentar zu weiter entfernten Punkten zu erhalten oder auch mal aus respektvoller Entfernung Personen beim Tuscheln zu belauschen, schalten wir das Fokusfeld ein. Das ist ein senkrechter Leuchtstreifen, mit dem wir die Umgebung um unseren Spielcharakter herum „abtasten" können, wodurch auch viele Hotspots überhaupt erst sichtbar werden, die wir sonst vielleicht gar nicht wahrnehmen würden.

Optisch weniger ansprechend, weil zu sehr an ein Konsolenspiel erinnernd und auch nicht unbedingt hübsch, fand ich das ein- und ausblendbare Inventar und die Dialogoptionen, die beide in großen transparenten Feldern auf dem Monitor erscheinen, allerdings nur so lange wie unbedingt nötig. Sie verschwinden, sobald wir unsere Wahl getroffen haben bzw. den Gegenstand benutzen. Am Ende des ersten Stadtrundgangs steht ein Besuch im Sportstudio, wo wir lernen können, wie wir unsere Alter Egos im Kampf steuern. Aber dazu komme ich später. Ich verzichte hier absichtlich darauf, jede Steuerungsvariante eingehend zu erklären, da es sehr viele Möglichkeiten gibt und das den Rahmen dieses Reviews sprengen würde. Nur soviel sei erwähnt, man sollte sich die Zeit nehmen, im ersten Kapitel in aller Ruhe so viele Arten wie möglich auszuprobieren und sich damit vertraut zu machen, damit man sich anschließend besser auf das Spiel konzentrieren und es genießen kann.

Und zu genießen gibt es allerhand. Denn neben den nicht zu großen Locations (das finde ich sehr wichtig, denn man hat keine Karte, um sich an andere Orte zu befördern, sondern muss laufen), die eine atemberaubend detaillierte Grafik mit zahlreichen Animationen und Statisten und den dazu passenden Geräuscheffekten bieten, wird die Atmosphäre der Geschichte perfekt mal von leisen Hintergrundmelodien, mal von dramatisch-orchestralen Stücken unterstützt und abgerundet.

Während Zoë in Stark mit futuristischen Hightech-Transportmitteln um die Welt reist, hören wir auch den ein oder anderen Song des norwegischen Sängers Evan Johansen alias Magnet. Die dritte Dimension bietet natürlich auch sehr viel mehr Bewegungsfreiheit. Wolltet Ihr schon immer mal in die kleinen Gässchen schauen, die vom Marktplatz Marcurias in der Magiewelt Arcadia abzweigen? Jetzt könnt Ihr sie durchschreiten, Euch zwischen Häusern umsehen und Treppen hinaufsteigen! Doch die Spaziergänge werden sicher auch Spieler begeistern, die das Vorgängerspiel nicht kennen. Egal mit welcher Steuerung man spielt, außer beim Mausbewegungsmodus, kann man immer die Kamera unabhängig vom Laufen bewegen und so entgeht einem nichts.

Bei soviel Perfektion fiel mir allerdings mal wieder auf, dass es scheinbar sehr schwer ist, Wasser glaubhaft zu animieren. Der Regen konnte mich ja noch überzeugen, aber ich fand es schon sehr merkwürdig, dass das Wasser, durch das Zoë in einer Szene läuft, sich absolut nicht bewegte, nicht mal eine klitzekleine Welle warf. Der Grund, warum ich im Übrigen nicht näher auf die Locations eingehe, liegt darin, dass die Erkundung und die Überraschungsmomente einen sehr wichtigen Aspekt des Spieles darstellen. Und ich möchte nicht zuviel vorweg nehmen. Da lasse ich lieber die Screenshots nebenan für sich sprechen. :-)

Die Charakteranimation ist ebenfalls mehr als ansehnlich. Alle Bewegungen sind sehr natürlich und flüssig – Motion-Capturing macht es mal wieder möglich – und selbst, wenn die Personen stehen bleiben, sieht man die leichte Bewegung des Körpers beim Atmen. Einzig die Mimik lässt manchmal zu wünschen übrig, hier wurde nicht auf kontinuierliche Animation geachtet, was bei Zoës großen, braunen Augen zwar nicht immer auffällt, aber wenn etwas nahezu perfekt ist, bemerkt man auch Kleinigkeiten.

Während der zugegebenermaßen (besonders gegen Ende des Spiels) recht zahlreichen, aber auch sehr guten Filmsequenzen können wir uns zurücklehnen und entspannen, denn sobald ein längerer, u. U. mehrere Minuten andauernder, Dialog geführt werden muss, hat man sich für diese Art des Erzählens entschieden. Ich bin in diesem Fall nicht böse darum, da es die Geschichte nur noch spannender macht, als wenn man gewisse Dinge nicht versteht, weil man irgendwo einen optionalen Dialog nicht geführt oder ein paar Fragen vergessen hat zu stellen. So ist der Verlauf wohl sehr linear, doch auf der anderen Seite werden Verständnislücken vermieden. Und nicht zuletzt besitzt das ganze Spiel einen starken Filmcharakter, der durch die Direktsteuerung enorm unterstützt wird.

Schon wegen der recht hohen Systemanforderungen von Dreamfall möchte ich erwähnen, dass das Programm von Anfang bis Ende technisch völlig fehlerfrei auf meinem System gelaufen ist und ich habe die Grafikauflösung bis 1280 x 960 Pixel hochgeschraubt. Auch der viel gescholtene Kopierschutz „Starforce" hat bei mir – wie immer bis dato - keinerlei Probleme verursacht.

 

Charaktere und Dialoge

Nicht viele Adventures haben eine solche Menge an ausgeprägten, verschiedenen, tiefgründigen und glaubwürdigen Charakteren zu bieten wie wir sie in Dreamfall antreffen. Das zeigt sich natürlich besonders bei der ersten Hauptrolle Zoë Castillo. Sie durchläuft eine nachvollziehbare Verwandlung vom gelangweilten, perspektivlosen Mädchen zur engagierten und fokussierten jungen Frau. Sie passt sich nicht nur kontinuierlich den Anforderungen an, sondern wirft sich der Herausforderung förmlich entgegen. April Ryan hat sich dagegen seit ihrem großen Abenteuer stark geändert. Sie hat ihre Illusionen verloren, ist enttäuscht vom Schicksal und sucht nach Ausflüchten, sich nicht nochmals für irgendetwas anderes einsetzen zu müssen als ihre persönlichen Überzeugungen. Doch so einfach kann auch sie nicht alles abschütteln. Kian, der geheimnisvolle dritte Charakter, den wir in Dreamfall steuern können ist eine interessante Mischung aus Apostel, Soldat und Auftragskiller. Er lebt von und für seinen Glauben und seine Überzeugungen. Letztere sollen jedoch auf eine harte Probe gestellt werden.

Es gibt zwei Sorten von nicht-spielbaren Charakteren (NPCs) – jene, mit denen wir per wählbaren Dialogoptionen sprechen können bzw. müssen und die Statisten. Die erste Kategorie der NPCs steht dem Persönlichkeitsaufbau der Hauptcharaktere in nichts nach. Wenn man sich die Zeit nimmt, Gespräche komplett zu führen, erfährt man einiges über ihre Lebensumstände, Ansichten und Beziehung zum Spielcharakter, was der Geschichte noch mehr Tiefe verleiht. Es kann auch vorkommen, dass eine Unterhaltung vorzeitig beendet wird, weil man die falsche Dialogoption gewählt hat. Nicht immer besteht dann auch die Möglichkeit, das Gespräch gleich oder später weiterzuführen und manchmal hat die Auswahl der Gesprächsthemen auch Auswirkungen auf den unmittelbar anschließenden Verlauf der Geschichte und Rätsellösungen. Regelmäßiges manuelles Speichern ist also schon aus diesen Gründen empfehlenswert und den vom Programm regelmäßig erneuerten Autosaves vorzuziehen. Viele Dialoge finden ja, wie bereits erwähnt, auch komplett als Teil einer Filmsequenz statt. Wiederholen kann man selbst geführte Gespräche generell nicht, doch werden alle Aussagen und Dialoge in Zoës Handy bzw. einer Art Notizbuch zum Nachlesen gespeichert. Neben den wichtigen NPCs, mit denen wir sprechen müssen, gibt es noch eine ganze Reihe Statisten, die wir ansprechen können, damit sie uns drei bis vier nicht-interaktive Antworten geben. Zu einigen gibt unser jeweiliger Spielcharakter auch nur eine Bemerkung von sich.

 

Rätsel und Actioneinlagen

Hier komme ich zum einzigen Aspekt, der mir bei Dreamfall nahezu gefehlt hat. OK, Funcom hatte sich zum Ziel gesetzt, die Rätsel so zu gestalten, dass keine Frustmomente aufkommen können und die Spieler im Fluss der Geschichte nicht gehindert werden. Nun, das ist ihnen eindeutig gelungen, frei nach der Devise „Wo keine Rätsel, da keine Hindernisse". Na ja, es gibt schon Rätsel, aber sie sind sehr, sehr einfach zu lösen, denn die Aufgabenstellung ist eigentlich immer klar und wer trotzdem Zweifel hat, bekommt die Hinweise mit einem Blick in Zoës Handy bzw. das Notizbuch vor die Nase gesetzt.

Das mit maximal fünf Gegenständen (in sechs vorhandenen Feldern) „gefüllte" Inventar ist obendrein so übersichtlich, dass man auch nie rumprobieren muss, welchen Gegenstand man anwenden soll, ganz abgesehen davon, dass alle Objekte in der Regel erst kurz bevor man sie benötigt organisiert werden müssen und man keinen Gegenstand, außer des Handys, von einem Hauptschauplatz zum anderen mitnimmt. Immerhin gibt es an einigen Stellen die Möglichkeit, ein Rätsel auf unterschiedliche Art zu lösen, das macht es auch interessanter, das Spiel noch mal anders anzugehen.

Im Gegensatz zu den wenigen Inventar-, Kombinations-, Beschaffungs- und Decodierrätseln sind die Aufgaben in Form von Schleicheinlagen schon etwas fordernder, aber sie bringen auch die beabsichtigte Spannung ins Spiel. Besonders eine längere Schleicheinlage verbunden mit einer Art Coderätsel, während wir als April spielen, kann schon mal etwas an den Nerven zerren, da wir ständig auf der Hut vor einem großen Troll sein müssen, der zu stark ist, als dass er im Kampf besiegt werden könnte.

Damit wäre ich dann auch bei den von vielen Fans fast ängstlich erwarteten Kampfeinlagen angekommen. Auch sie sollten der Abwechslung und der Unterstützung der Story dienen. Allerdings sind sie so einfach und simpel ausgefallen, dass man sie schnell erfolgreich hinter sich bringen kann. Eigentlich rennt man nur in Richtung des Gegners, hält die Vorwärtstaste gedrückt und haut mit dem Actionknopf drauf, bis der Gegner aufgibt oder in die Knie geht. Das war’s! Man sollte lediglich wissen, dass Zoë nicht die beste Kämpferin ist – also besser andere Wege suchen sollte - und dass April besser schleichen und rennen kann. Der dritte Spielcharakter, Kian, ist allerdings Soldat und schafft mit seinem Schwert locker alle Gegner. Unterm Strich kann man also sagen, dass Funcom sich die Kampfszenen auch hätte sparen können. Sie bringen nichts, stören aber auch nicht übermäßig. Das soll aber auf gar keinen Fall heißen, dass ich im nächsten Spiel bessere Kampfszenen sehen möchte, lieber gar keine oder von mir aus in einer weiteren Filmsequenz, dafür aber lieber mehr und forderndere Rätsel.

 

Sprachausgabe

Da bei Dreamfall folglich der Schwerpunkt eher im Bereich der interaktiven Geschichte zu finden ist als im Rätseln, spielt neben der Grafik die Sprachausgabe die Hauptrolle.

Weil ich es nicht abwarten konnte bis die deutsche Version erscheint, habe ich bereits vorher die englische Limited Edition gespielt und muss sagen, dass ich sie wirklich genossen habe – trotz meiner anfänglichen Zweifel, ob es nicht eventuell merkwürdig sein könnte, da ich The Longest Journey nur auf Deutsch „auswendig" kenne. :-) Ausnahmslos alle Stimmen sind perfekt ausgewählt und die Sprecher wie auch Regie (Chefdesigner und Autor Ragnar Tørnquist selbst hat sie geführt) und Technik haben erstklassige Arbeit geliefert. Um Menschen unterschiedlicher Herkunft zu unterscheiden, hat man auch schottische, irische, amerikanische und diverse nicht-englischstämmige Akzente verwendet, welche für Ungeübte zuweilen nicht ganz einfach zu verstehen sind, aber ich fand’s toll. Kurzum, alles hat gestimmt und seinen erheblichen Anteil zur großartigen Atmosphäre des Spiels beigetragen.

Nun komme ich zur deutschen Version. Zuerst das Zuckerbrot: die deutsche Ausgabe von Dreamfall enthält sowohl die deutsch lokalisierte Version als auch die englische Originalversion des Spiels auf einer DVD. Oft haben sich fremdspracheninteressierte Adventurefans diese Auswahlmöglichkeit gewünscht und ich finde, es verdient ein dickes Lob, dass dtp/Anaconda sie bei Dreamfall anbietet. Erwartungsgemäß sind die deutschen Stimmen sehr gut ausgewählt, wie immer bei dtp, und alle Sprecher haben fast durchweg gute Arbeit abgeliefert, insbesondere einige der NPCs. Ein großes Plus für all jene, die The Longest Journey kennen und lieben ist die Wiederverpflichtung von einigen Sprechern mit wohlbekannten Stimmen, allen voran Stefanie Kindermann als April Ryan. Auch an der Lippensynchronisation lässt sich nichts bemängeln; hier hat die Technik gute Arbeit geleistet.

Leider hört es da dann aber auch auf mit der Professionalität und jetzt kommt die Peitsche. Ich fange mal mit der Übersetzung ins Deutsche an. Warum verpflichtet man einen bekannten Fantasy-Autor wie Harald Evers (Die Höhlenwelt-Saga) für solch einen Job, wenn er so derbe Schnitzer liefert, wie folgende Übersetzung: „Please, let this work!", was korrekt übersetzt bedeutet: „Bitte, lass es funktionieren!", hier aber kommt heraus „Bitte, lass diese Arbeit!" Das war wohlgemerkt nur das krasseste Beispiel, es gibt noch viele weniger auffällige. Wurde hier mit Babelfish gearbeitet? Mit einem professionellen Übersetzer, der beide Sprachen und ihre Eigenheiten kennt; der darüber hinaus weiß, dass man bessere Ergebnisse erzielt, wenn man sinngemäß und nicht wortwörtlich übersetzt, wäre man hier sicher besser bedient gewesen. Des weiteren scheint es, als hätte Herr Evers und/oder alle anderen Verantwortlichen nie The Longest Journey in Deutsch gespielt, da er wichtige Begriffe und Namen nicht übersetzt hat, was der Kontinuität abträglich ist. Das erste Mal fiel es mir auf, als von der „Balance" statt vom „Gleichgewicht" gesprochen wurde und etwas später bei Zoës erstem Dialog in Arcadia. Dort spricht man „Allsprache" (ebenfalls bereits aus dem ersten Spiel bekannt), nur heißt es jetzt wie im englischen Original „Alltongue". Und das sind wieder nur zwei Beispiele von vielen weiteren, die mich gestört haben, nicht nur wegen des Wiedererkennungswertes, sonder weil man gerade bei Worten, wie dem letztgenannten besser versteht, was überhaupt gemeint ist, wenn sie übersetzt worden wären.

Neben diesen Nicht-Übersetzungen, wurden sehr viele Namen und Begriffe – seltsamerweise im Gegensatz zur englischen Version! - englisch ausgesprochen, andere werden wiederum unnötig eingedeutscht. Hätte man sich vor Beginn der Lokalisationsarbeiten überhaupt mal eingehend mit der Originalversion beschäftigt, wäre aufgefallen, dass selbst dort darauf geachtet wurde, dass Namen wie Reza korrekt, also „Resa", ausgesprochen werden und nicht einge-’englischt’ „Risa", um wieder nur ein Beispiel zu nennen. Mir ist klar, dass im heutigen deutschen Sprachgebrauch Anglizismen gebräuchlich und auch akzeptiert sind – ich benutze sie selbst oft genug – aber was hier abgeliefert wird ist unlogisch bis ärgerlich. Auch die streckenweise schlechte Dialog-/Tonregie und Einbindung der Dateien ins Spiel ist ein Kritikpunkt, und dazu muss man nicht einmal zwingend das Vorgängerspiel und seine unübertroffen gute deutsche Lokalisation kennen. Da fallen falsche Betonungen und Einsätze auf (z.B. dauert es gute 2 Sekunden in einer Filmsequenz, wenn ein Sprecher seinen Satz unbeendet lässt, weil der andere ihm ins Wort fallen soll, bis jener dies auch tut) oder die Betonung ist falsch bzw. fehlt schlicht und ergreifend. Es gibt zwar mindestens genauso viele positive Stellen, doch wäre eine durchgängig hohe Qualität wünschenswert gewesen. Zu guter Letzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sich sehr viele Tippfehler in die deutschen Untertitel eingeschlichen haben bis hin zu ganzen Satzteilen, die der entsprechende Charakter so nicht von sich gibt.

Das war ein ganzer Schwung Kritik und deshalb sage ich es noch mal: wer die deutsche Version zuerst oder ausschließlich spielt, weil er keinen Bezug zur englischen Sprache hat und/oder gar The Longest Journey nicht kennt, wird mit einigen meiner Punkte nichts anfangen können und seine Freude am Spiel haben. Und so soll es ja auch sein, aber bitte für alle Spieler.

 

Fazit

Dreamfall ist beileibe kein klassisches Adventurespiel, aber es ist ein Abenteuer im besten Sinne des Wortes. Es ist ein erwachsen gewordenes TLJ und ein würdiger Nachfolger, der möglicherweise nicht jedem Liebhaber dieses Spiels gefallen wird. Doch wenn man sich darauf einlässt, nimmt es einen gefangen und lässt nicht ein einziges Mal locker bis man den Abspann sieht (der bei mir nach guten 23 Stunden Spielzeit über den Monitor lief, und den es sich übrigens bis zum Schluss anzuschauen lohnt ;-) ). Die Story ist so fantastisch, dass selbst eingefleischte Adventurefans den Mangel an wirklichen Rätseln verzeihen dürften, ja sogar müssen, wenn sie nicht ein Highlight der interaktiven Erzählkunst verpassen möchten. Trotzdem hätte es in dieser Hinsicht etwas mehr und gerne auch etwas schwieriger sein dürfen. Schon allein durch die grafische Gestaltung wären die Möglichkeiten vorhanden gewesen. Deshalb meine innige Bitte an Funcom: „Macht weiter mit den Geschichten dieses wunderbaren Universums und findet den goldenen Mittelweg bei den Aufgaben, damit man die Spielwelt noch intensiver nutzen und erleben kann."

 

 

Bewertung der Originalversion: 85%

Bewertung der deutschen Version: 82%

 

 

Bewertungssystem Adventure-Archiv:

  • 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
  • 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
  • 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
  • 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
  • 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
  • 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)

 

Minimale Systemvoraussetzungen:

  • Windows 2000/XP
  • Intel Pentium IV 1,6 GHz
  • 256 MB RAM
  • 2x DVD-ROM-Laufwerk
  • 64 MB DirectX 9.0c kompatible Grafikkarte
  • DirectX 9.0c kompatible Soundkarte
  • 6 GB freier Festplattenspeicher

 

 

Gespielt auf:

  • Windows XP Professional SP2
  • Pentium IV 2,6 GHz
  • 1024 MB (1 GB) RAM
  • 16x DVD-ROM SD-616 Samsung
  • ATI Radeon 9550 256 MB Grafikkarte
  • Creative SoundBlaster Live! 5.1 Soundkarte
  • Tastatur, Maus und Gamepad

 

 

Copyright © MaryScots für Adventure-Archiv, 02. Juni 2006

 

 

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