Rollenspiele werden von Laien oft mit Adventures
verwechselt und umgekehrt. Manchmal fällt dann bei dem hilflosen Versuch ein Adventure zu
beschreiben der Begriff Rollenspieladventure, so dass derjenige dann schnell vom rührigen
Adventurespieler aufgeklärt wird: Nein, was Du meinst, ist ein Adventure. Ein
Rollenspiel ist nämlich im Gegensatz dazu blablabla...". Wir wissen alle, was jetzt
folgt.
In diesem Fall trifft aber genau die Bezeichnung
Rollenspieladventure völlig berechtigt zu, denn The Fifth Disciple gehört neben wenigen
Spielen zu der seltenen Gattung, in der beide Elemente zu hohem Anteilen vertreten sind.
Bekannt ist hier vielleicht Death Gate von Legend oder besser noch die Quest for
Glory-Serie von Sierra. Und selbige Abenteuer dürften dementsprechend vermutlich einen
gewissen Einfluss auf das Team von Napoleon-Games gehabt haben.
Grafik
Ja, anfangs war ich etwas von der überalterten und auch nicht
wirklich perfekten Grafik überrascht. So wird man zunächst mit einem Intro konfrontiert,
welches lediglich aus einigen einfachen Standbildern besteht. Was die Spielgrafik
betrifft, so liegt es nahe, dass es wegen des selben Spielprinzips auch grafisch im Stil
alter 3rd-Person-Rollenspieladventures gehalten ist, wie sie bereits Mitte der 90er
erschienen sind. Was jetzt aber bei weitem kein Nachteil darstellen soll, denn ich mag die
alten Klassiker und habe gegen solch eine Grafik auch heute noch absolut nichts
einzuwenden, wenn sie denn wie hier stimmig gemacht ist. Aber, um bei den
Sierra-Quests-Vergleichen zu bleiben: Ganz das Niveau wird natürlich nicht erreicht und
es geht nicht ganz so detailverliebt zu. Aber eine Kopie der alten Klassiker soll
5th-Disciple auch gar nicht darstellen, dafür ist die Grafik wie das ganze Spiel auch zu
eigenständig und The Fifth Disciple schneidet erstaunlich gut ab, entwickelt vor allem
schnell seinen eigenen, wenn auch etwas kruden Charme. Die Bewegungen der im
Fantasy-Comicstil dargestellten Figuren sind schon halbwegs flüssig und vielseitig,
während Mimik so gut wie gar nicht vorhanden ist.
Handlung
The Fifth Disciple spielt in einer eigenen mystischen und
altertümlichen Welt. Eine Spielumgebung, die bekanntlich gerne genommen wird, da sie sich
bestens eignet, magische Elemente benutzen zu können und unheilvolle Wesen, gegen die man
kämpfen muss, zu erklären. Der Hauptdarsteller Engeor befindet sich mit seinen
Studienkollegen bei einem abendlichen Treffen und sie diskutieren über den Despoten
Wahargem ein Name, den man besser unter vorgehaltener Hand erwähnt. Während der
Diskussion erhitzen sich die Gemüter sehr und Engeor trifft ein paar eindeutige Aussagen
bezüglich Wahargem. Das Gespräch schien nicht unbeachtet geblieben zu sein, denn am
nächsten Morgen wird Engeor von den Männern Wahargems gepackt und in ein Gefangenenlager
in eine andere Welt versetzt. Ziel ist es natürlich, wieder nach Hause zu kommen.
Während der Reise gelangt man zu einigen geheimnisvollen, magischen Städten und Orten
und muss sich Gefahren in Form von bösartigen Kreaturen stellen. Doch zunächst muss man
als erste Aufgabe aus dem Gefängnis entkommen.
Rätsel
Bemerkenswert ist, wie hier Rollenspiel- und Adventureelemente
geschickt miteinander gekreuzt wurden bzw. die Rollenspielelemente in das Rätseldesign
miteingebunden wurden. Denn man kann nicht nur die Inventarleiste benutzen sondern auch
die Fähigkeiten der Magie außerhalb der Kämpfe anwenden. Das macht das Spiel einerseits
natürlich besonders interessant und eröffnet ungeahnte Möglichkeiten. Jedoch ergeben
sich aus den zahlreichen Verwendungsmöglichkeiten der Magie auch Nachteile, eben weil es
so viele Möglichkeiten gibt und man mit gesundem Menschenverstand oft nicht weiterkommt.
Denn auch diesbezüglich hat man sich an den alten oft sehr knackigen Rätseln der
Sierra-Quest-Serien orientiert. So ist in der magischen Welt längst nicht alles logisch
und man kann oft einen Zauberspruche an den ungewöhnlichsten Orten, etwa einer schnöden
Mauer tätigen. Manchmal ahnt man die Lösung, aber es kommt auch auf das Wie an: Man muss
z.B. manchmal penibel genau an einem Ort stehen, um einen bestimmten Zauber
durchzuführen, so dass ich bei vielen Aufgaben, wie dem Herstellen eines Spruches durch
das exakte Anwenden der Formel oder das Beamen" an einen bestimmten Ort
gescheitert bin.
Trotzdem bleibt das Spiel dabei sehr linear. Etappenweise erkundet
man immer nur kleine Areale, davon aber recht viele. Zusammen mit den Rollenspielelementen
ergibt sich dadurch eine ordentliche Spielzeit.
Glücklicherweise gibt es nur eine Sequenz, in der man eine Folge
von Dingen unter Zeitdruck erledigen muss. Muss ich erwähnen, dass ich hierbei direkt zur
Komplettlösung gegriffen habe? Und bei der Gelegenheit direkt noch eine Frage: Gibt es
eigentlich irgendwo auf der Welt jemanden, der in einem Adventure gerne hektische
Zeitsequenzen mag? Ich meine abgesehen von den Herstellern, die es offensichtlich nicht
lassen können, den armen Spieler mit diesen Aufgaben zu malträtieren? Auf jeden Fall
kann man hier wie in anderen nichtzeitabhängigen Situationen auch sterben, weshalb man
fleißig das Speichersystem nutzen sollte. Das sollte man übrigens auch nach jedem Kampf
machen. Der kluge Spieler überschreibt natürlich nicht immer den gleichen Speicherstand.
Handhabung + Rollenspielelemente
Wichtig finde ich, dass bei einem Spiel mit so vielen Möglichkeiten
die Handhabung verständlich bleibt und das ist optimal gelungen. Mit der rechten
Maustaste läuft Engeor. Mit der linken Maustaste erscheinen an dem Ort, an dem man mit
dem Cursor klickt, immer drei kleine Icons: Mit der Hand werden Dinge beschrieben oder
benutzt. Auch die Dinge des Inventars kann man mit diesem Icon hervorkramen, um sie
anzuwenden. Ebenfalls kann man sich mit dem Handicon bewegen. Der Mund ist klar
fürs Sprechen, also die Dialoge, zuständig und das dritte Icon öffnet die
Magieleiste, so möchte ich es mal nennen. Die Magieleiste kann man sowohl im
normalen" Adventureteil als natürlich auch im Rollenspielteil anwenden und sie
funktioniert im Prinzip genauso.
Kämpfen kann man manchmal entgehen, aber es ergibt Sinn, in manchen
Gegenden erst einmal richtig mit den Gegnern aufzuräumen, da man auf diese Weise ja auch
stärker wird. Im Kampf wählt man zuerst das Magiesymbol an. Darauf erscheinen dann fünf
Grundsymbole wie Feuer oder Wasser u.a., denen die einzelnen Zauber zugeordnet sind. Und
erneut wählt man eines dieser Grundsymbole und dann den entsprechenden Zauber aus.
Ein Zauberspruch wäre z.B. der praktische und von mir viel genutzte
Labyrinthzauber, der Gegner wie Alzheimerpatienten herumirren lässt. Ein anderer wäre
ein Feuerball, um dem Feind mit selbigem im Kampf ganz profan einen drüberzubretzeln.
Dieser verliert dann Punkte. Im Gegenzug verliert unser Charakter natürlich auch Punkte,
wenn dieser Schaden erleidet. Ziel ist es natürlich, die Gegner nach allen Regeln der
Kunst niederzuzaubern bis diese keine Punkte mehr haben und völlig hinüber sind. Dann
gibt es wie üblich noch eine Lebens- sowie Manaanzeige für den Energiestatus. Ich
gestehe, dass ich zunächst ein wenig Bammel hatte, ob ich das denn alles verstehen
würde, da ja dummerweise kein Handbuch enthalten ist. Aber das System fand ich, der nur
über wenig Rollenspielerfahrung verfügt, wirklich supereinfach.
Und dann gibt es natürlich noch das übliche Menü, in welchen man
die Werte für Stärke, Erfahrung, Geschicklichkeit usw. erfährt. Hier kann man Punkte,
welche man durch gewonnene Kämpfe bekommt, an die jeweiligen Zaubersprüche verteilen, um
so deren Stärke zu erhöhen. Neue Sprüche erhält man, indem man sie z.B. findet oder
kauft.
Es gibt natürlich noch einige Feinheiten, die den Rahmen des
Reviews sprengen würden und bei denen es natürlich auch Spaß macht, im Kampf
herauszufinden, wie sie funktionieren. Zumal das System wie gesagt eh sehr einfach,
vermutlich zu einfach für ernsthafte Rollenspieler ist.
Ach ja, die Kämpfe in The Fifth Disciple sind rundenbasiert, man
hat also für jeden Zug alle Zeit der Welt. Während die Adventureelemente sehr
abwechslungsreich sind, mangelt es bei den Kämpfen ein wenig an Abwechslung, da die
Gegner mehr oder weniger alle gleich funktionieren undsich nur anhand ihrer Stärke
unterscheiden. Hat man einmal herausgefunden, wie man dem Gegner mit ein paar Zügen am
besten eins vor die Plauze haut, kann man auch fast genauso die anderen besiegen. Das
bietet aber auch für Rollenspielunerfahrene oder für Menschen, die wie ich in Adventures
eigentlich nur gelegentlich ein wenig Abwechslung suchen und sich gar nicht so genau mit
einem kompliziertem System beschäftigen möchten, die Möglichkeiten, ein wenig
Rollenspielluft zu schnuppern.
Sound
Direkt am Anfang hört man ein sich ständig wiederholendes Gähnen
einer jungen Frau, womit dem Hersteller eine der penetrantesten und nervigsten
Soundschleifen gelungen ist, die mir je in einem Adventure untergekommen ist. Ebenfalls
habe ich selten ein Adventure gespielt, in dem das gesprochene Wort und der dazu
passende" Untertitel so autonom nebeneinander ihr Eigenleben entwickelt haben.
Ganz ehrlich - ich weiß gar nicht, wie man es schafft, dass Sprachausgabe und Text
dermaßen voneinander abweichen.
Sonst kann ich nicht viel Auffälliges berichten. Die Sprecher
machen ihre Sache völlig zufriedenstellend. Die klassisch anmutenden Kompositionen von
David Hájek sind erstaunlich hochwertig. Wenn sie tatsächlich nur für das Spiel
geschrieben wurden - eine beachtliche Leistung! Sie passen auf jeden Fall bestens zur
Thematik.
Fazit
Vom Spielprinzip als auch ein wenig von der Grafik erinnert 5th
Disciple an die alten Rollenspieladventures, wie sie beispieslweise von Sierra Ende der
Neunziger hergestellt wurden. Sogar noch ein paar Jahre veralterter bzw. oldschooliger,
wie ich es positiver ausdrücken möchte, geht es grafisch dabei zu. Denn es entwickelt
dabei seinen eigenen kruden Charme. Diese Mischung hebt das Spiel angenehm vom
Einheitsbrei vieler aktueller Spiele ab. Die Rollenspielelemente sind einfach gehalten.
Sie dürften richtige Rollenspieler unterfordern, sind dafür aber auch für in diesem
Gebiet unerfahrene Spieler gut zu bewältigen. Im Gegensatz zu so manchem Rätsel, denn
diese sind in dem Spiel, in dem viele Aufgaben mit Magie gelöst werden müssen, nicht
immer logisch.
Die Meisterschaft der alten Klassiker wird sowohl grafisch als auch
spielerisch zwar nicht ganz erreicht, dennoch ein abwechslungsreiches, beachtliches Spiel,
das mit eigenständigem Design und durch viele Details zu begeistern weiß.