Nichts Böses ahnend, ließ sich Lorenz Steinke auf ein
Experiment mit Klaus neuer Zeitmaschine ein. Kaum war Lorenz eingestiegen gab
es Gestank und einen grellen Blitz. Dann fand er sich an einem fremden Ort und in einer
fremden Zeit wieder - unter Menschen, die Lachen und gute Musik als Verbrechen empfinden.
Willkommen in Neutropolis.
Auf den Straßen von Neutropolis herrscht Endzeitstimmung.
In der von Umweltverschmutzung und Unfreiheit geplagten Stadt haben die Bewohner ein
trauriges Leben. Ein grausamer Diktator namens Paul Nystalux beherrscht die
heruntergekommene Großstadt und drückt ihr seine Gesetze auf.
Seine Norm-Polizei überwacht die Bevölkerung und verfolgt rigoros jede Abweichung von
der sogenannten Normalität.
Und Normalität, das bedeutet: nicht lachen, keine subversive Musik hören und die
Freizeit zu Hause vor den Endlos-Konserven des staatlichen Fernsehsenders zu verdösen.
Die fast perfekte Langeweile
Wer immer sich gegen diese Diktatur der Langeweile erhebt, wird von der Norm-Polizei
aufgegriffen und umerzogen. Die große Masse der Bevölkerung hat sich längst in ihr
Schicksal gefügt. Die allgegenwärtige Umweltzerstörung und ein giftfarbener Himmel, der
kein bißchen Sonnenlicht durchläßt, haben den meisten Neutropolianern ohnehin jeden
Spaß am Leben genommen. Gedanken- und gefühllos leben sie in den Tag und ordnen sich
bereitwillig den Befehlen Nystalux und seiner Norm-Polizei unter.
Eine kleine Gruppe Unbeugsamer aber findet sich dennoch in dieser Gesellschaft. Menschen,
die sich ihre Andersartigkeit nicht nehmen lassen wollen, die sich noch an Zeiten erinnern
können, als jeder Bewohner von Neutropolis ungestraft glücklich sein durfte. Sie
verweigern sich dem System und meiden die Normalo-Gesellschaft. Als Dropouts, Freaks oder
Stadt-Guerilla führen sie ihren persönlichen Kampf gegen das System.
Ständig müssen sie dabei auf der Hut sein vor den schnellen Einsatztruppen der
Normalo-Polizei, die schon hinter der nächsten Häuserecke lauern können. Immer wieder
werden einzelne dieser aufrechten Kämpfer gegen die Langeweile verhaftet und in Beugehaft
gesteckt. Dort müssen sie sich tage- oder wochenlang traurige Musik anhören und in
Einzelzellen vor sich hin brummen.
Manchmal gelingt es ihnen aber auch aus dieser Einzelhaft heraus, Nachrichten an ihre
Freunde draußen zu schmuggeln oder Kontakt zu anderen Gefangenen aufzunehmen und so neue
Guerilla-Krieger für den Feldzug gegen den bösen Diktator zu gewinnen.
Zur Strafe Lach-Haft
Auch der Held unserer Handlung, der flippige Mittzwanziger Kent, landet eines Tages in
einem dieser Gefängnisse. Weil er ein relativ harmloses Verbrechen begangen hat - auf
offener Straße ein Lied zu singen und sich dabei erkennbar fröhlich zu benehmen - wird
er lediglich zu einer Woche Knast und anschließendem Hausarrest verurteilt.
Doch am letzten Tag dieser Knastwoche passiert etwas Ungewöhnliches: Ein Unbekannter
schiebt unter Kents Zellentür einen handgeschriebenen Zettel durch. Auf diesem Zettel
steht ein kurzer Gruß der Guerilla-Kämpfer, die mit Kent Kontakt aufnehmen wollen. Sie
laden ihn zu einem geheimnisvollen Ort in Neutropolis ein - zu einem ihrer Quartiere, wo
sie sich vor den Normalos verstecken.
Wie es sich für einen Abenteurer vom Schlage Kents gehört, kommt er der Einladung
natürlich sofort nach.Wieder zu Hause, flüchtet er sofort aus dem Hausarrest und nimmt
Kontakt mit den Stadt-Guerillas auf. Es beginnt ein leicht kurioses und abgedrehtes
Science Fiction-Adventure in einer Welt, die eine Mischung ist aus George Orwells 1984 und
Terry Gilliams Brazil.
Jede Menge schräge Vögel
Kent, der sich bisher als einsamer Kämpfer gegen die Normalität wähnte, entdeckt
Gleichgesinnte und faßt gemeinsam mit ihnen einen Plan gegen die Norm-Tyrannei. Ein
geheimnisvoller Zwillingsbruder des Dikators Nystalux spielt dabei eine wichtige Rolle.
Auf der Suche nach diesem Zwillingsbruder lernt Kent zahlreiche obskure Figuren kennen.
Menschen, die es in Neutropolis eigentlich schon gar nicht mehr geben dürfte, weil sie so
herrlich anders sind.
Da gibt es zum Beispiel Dai, einen alten Mann, der durch seinen knallgelben Regenmantel
und seinen riesigen Schnauzbart auffällt und in einem ausrangierten Fensterputzer-Aufzug
lebt. Oder die Guerilla-Führerin Heather, die in ihrer logischen und kühlen Art so eine
Art Mischung aus Mr. Spock und Data ist.
Ungewohnlich auch der Norm-Polizist Nr. 2782. Genau wie Tausende seiner Kollegen hat er
lange Zeit nichts lieber getan, als Normabweicher zu bestrafen und stundenlang Gesetze
auswendig zu lernen. Doch infolge einer leichten Kopfverletzung schlägt Nr. 2782 etwas
aus der Art, und anstatt Kent zu verhaften, hilft er ihm bei seinem Abenteuer.
Sehr zum Ärger von Diktator Nystalux gibt es also durchaus echte Individuen in der
Normalo-Metropole. Und gemeinsam haben diese die Möglichkeit, dem bösen Spuk, dieser
Mischung aus Dreck, Gleichschritt und Trauermusik eine Ende zu bereiten.
Schimmel in 3-D
Klar, daß Sie als echter Adventure-Fan dem hilflosen Kent dabei helfen. Zu Beginn des
Spiels finden Sie sich nach der Lach-Haftentlassung in Kents Appartement wieder.Vor der
verschlossenen Wohnungstür schiebt ein mieser Norm-Polizist Wache, der darauf achtet,
daß Sie, alias Kent, ständig den Fernseher angeschaltet lassen und keinen
Ausbruchsversuch machen - schließlich stehen Sie unter Hausarrest.
Kents Bude ist übrigens ein ziemliches Dreckloch.Von der Decke tropft der Schimmel, aus
den Leitungen im Badezimmer strömt ein höllischer Pestodem, und in der Waschmaschine
dreht eine einsame Ratte ihre Trainingsrunden. Ganz klar, die richtige Wohnung zum
Wohlfühlen.
Das einzig Schöne an dieser Wohnung ist, daß Sie sich darin fast wie in einer richtigen
Wohnung bewegen können. Denn sämtliche Räumlichkeiten bei Normality Inc. sind als
3-D-Umgebungen ausgelegt. Sie können vor-, seitwärts- und zurückgehen und sich nach
oben und unten umsehen, ganz so wie sie es von gewissen Ballergames kennen. Leider wird
die Grafik von Normality Inc. beim allzu nahen Herangehen an manche Objekte sehr pixelig.
Aber auch das kennen wir ja bereits von erwähnten Ballergames.
Zwischendurch gibt es gerenderte Video-Sequenzen, etwa wenn unser Held etwas
außergewöhnliches entdeckt oder eine neue Räumlichkeit betritt. Sämtliche Gegenstände
die Sie nehmen oder bewegen können (aber vielleicht gar nicht wollen - wie etwa den
vergammelten Bohnenmatsch neben der Küchentür) erscheinen mit Namen auf dem Bildschirm,
sobald sie die Maus über das Objekt bewegen.
Alles Weitere ist dann eigendich so, wie wir es auch von anderen Adventures kennen. Man
nimmt Dinge, öffnet, liest, bedient oder kombiniert sie. Anwesenden Personen stellt man
Fragen und verwickelt sie in möglichst aufschlußreiche Gespräche.
Irgend etwas Wichtiges über das Leben in Neutropolis oder Tips für einen möglichen
Ausweg aus diesem tristen Leben wissen einige von ihnen zu sagen. Ob sie das allerdings
auch wollen, ist, wie so oft bei Adventures, natürlich eine ganz andere Frage.
Bloß nicht ernst nehmen
Viel Spaß machen bei diesem Spiel die abgedrehten Ideen der Programmierer. Garn
offensichtlich nimmt das Game nicht nur sich selbst, sondern auch uns Spieler nicht so
ganz ernst.Wer also Spaß hat an einer leicht schrägen Adventure-Umgebung, in der man
nach Herzenslust dreidimensional stöbern kann, sollte bei Normality Inc. einmal die Nase
hereinstecken.
Vielleicht haben Sie ja bereits mit ähnlichen Spielen vom gleichen Genre, wie Day of the
Tentacle oder Sam & Max, Erfahrungen au Gebiet des schrägen Humors gesammeIt. Das
jedenfalls könnte Kent und Ihnen bei der Suche nach dem Ausweg aus der schrecklich
langweiligen Welt von Neutropolis helfen.