Es soll ja Spieler geben, die keine versunkenen
Inseln, Spaßpiraten, Tempelritterskelette und ganz besonders keine Hieroglyphen mehr
sehen können, Veteranen der Pixeljagd, deren Augen müde werden und sich nach Balsam
sehnen und Cheflogiker ebenso wie Genreeinsteiger, die intelligent und logisch, aber
zugleich unterhaltsam und abwechslungsreich rätseln möchten. Die Grafik soll top-notch,
aber auch auf älteren PC-Semestern ein Augenschmaus sein. Point & Click-Steuerung ist
ein Muss und Actioneinlagen sind weitgehend unerwünscht.
Und es soll Spieldesigner geben, denen all das aufgefallen ist und
die beschlossen haben, genau diese Wünsche zu erfüllen. Die Ziele wurden hoch gesteckt.
Man legte ein Thema zugrunde, von dem viele ich eingeschlossen noch wenig
bis gar nichts gehört hatten, machte sich u.a. in den einschlägigen Foren schlau, was
PC-Abenteurer in punkto Handling, Grafik und Rätseldesign bevorzugen/verabscheuen, fand
einen Publisher, der all dies unterstützt, und Voilà! vor mir liegt Geheimakte
Tunguska, eines der am gespanntesten erwarteten Adventures dieses Jahres. Geht mit mir
die Liste durch und erfahrt, ob noch Wünsche offen blieben.
Verpackung
Schön ist er, der Midi-Klappkarton mit Prägedruck und
Hochglanzcover, von dem die Hauptdarsteller uns herausfordernd ansehen. Darin befindet
sich neben der DVD im einfachen Jewelcase ein ausführliches Handbuch und - noch
eingeschweißt eine erweiterte Einstiegshilfe, die uns durch die ersten
Spielstunden lotst. Eine sehr gute Idee und sinnvoll für Anfänger alle anderen
sollten die Folie intakt lassen, solange sie nicht wirklich hoffnungslos feststecken. Das
ist schon mehr als bei den meisten Spielen heutzutage, aber hier überrascht uns obendrein
noch eine Zugabe in Form eines doppelseitigen DIN A3-Posters und ein Gutschein über 5
Euro, die wir beim Kauf einer Akte X - DVD-Box sparen können.
Aber in ist ja bekanntlich, was drin ist also ich meine, tief
drin und das ist mal wirklich etwas Neues für ein Adventure und damit komme ich
zur
Geschichte
Die Grundlage: am 30. Juni 1908 wollen Augenzeugen beobachtet haben,
wie über der zentralsibirischen Tunguska-Region ein längliches, blau-weiß leuchtendes
Objekt vom Himmel fiel. Dazu wollen sie eine ca. 20 km hohe Lichtsäule und gleich darauf
eine atompilzartige schwarze Wolke gesehen haben. Tatsache ist, dass eine gigantische
Explosion mit der Zerstörungskraft von 2.000 Hiroshimabomben erfolgte, denn in der Region
blieb nicht viel mehr übrig als ein Tausende Quadratmeter großes Gebiet entwurzelter und
umgeknickter Bäume. Die Druckwelle soll sogar noch in 500 km Entfernung von Reisenden der
Transsibirischen Eisenbahn wahrgenommen worden sein. Seit damals haben unzählige
Expeditionen versucht, der Ursache dieser Katastrophe auf die Spur zu kommen, allerdings
ohne eindeutige Ergebnisse liefern zu können. Die wildesten Theorien wissenschaftlicher
und esoterischer Art kursieren seither weltweit. Sicher ist eigentlich nur, was diese
Explosion hinterlassen hat, nicht aber, was sie verursacht haben könnte.
Die Geschichte: unsere Heldin Nina Kalenkow, eine junge, hübsche
Motorradmechanikerin und Tochter des Naturwissenschaftlers Wladimir Kalenkow, betritt
eines Abends ihres Vaters Büro in Berlin, um eine böse Überraschung zu erleben. Nein,
eigentlich wollte sie sich mal wieder mit ihrem alten Herrn zu einem netten
Vater-Tochter-Gespräch treffen, findet aber stattdessen sein Büro im Museum in
chaotischem Zustand vor und von Dr. Kalenkow fehlt jede Spur. Sein Mitarbeiter Max Gruber
hat in seinem Büro nichts mitbekommen und keinen Schimmer, wo er stecken könnte und der
Museumshausmeister Eddie ist angetrunken und faselt völlig verstört etwas von kleinen
schwebenden Männern in schwarzen Kapuzenmänteln.
Auch die Polizei stellt sich stur und rät Nina abzuwarten, da es zu
früh für eine Vermisstenmeldung sei. Und doch steht kurze Zeit später der
unsympathische Kommissar Kanski in Kalenkows Büro und fordert Nina auf, nach Hause zu
gehen, ihn seine Arbeit machen zu lassen und abzuwarten. Da ist er allerdings bei Nina an
der falschen Adresse. Sie fährt zwar erst mal nach Hause, um dort nach ihrem Vater zu
suchen, wird nach Betreten des Hauses jedoch niedergeschlagen und ist nun endgültig
sicher, dass ihr Vater nicht mal eben nur einen Spaziergang um den Block gemacht und dabei
die Zeit vergessen hat.
Sie fängt an, jeden Stein umzudrehen, um Hinweise auf Wladimir
Kalenkows Verbleib zu finden und muss dabei feststellen, dass sie wohl doch so einige
Wissenslücken hat, was seinen Lebenslauf angeht. Anscheinend hat er geahnt, dass ihn
seine Vergangenheit irgendwann mal einholen würde und hat in weiser Voraussicht Dokumente
versteckt mit der Hoffnung, dass diese im Ernstfall von der richtigen Person gefunden
werden. Einer Person, die fast einmal um die Welt wird reisen müssen, um die Bruchteile
lange zurückliegender Ereignisse zu einem Ganzen zusammenzufügen und dabei gut
gehüteten und gefährlichen Geheimnissen auf die Spur kommen soll. Diese Person ist Nina
und die Dokumente befinden sich in der Geheimakte Tunguska.
Installation und Steuerung
Wir können uns aussuchen, ob wir bei einer Vollinstallation die
Filmsequenzen mit auf die Festplatte kopieren möchten und so die DVD später nur noch zum
Spielstart ins Laufwerk legen müssen, oder ob wir sie lieber aus Platzgründen von der
DVD laufen lassen, was logischerweise bedeutet, dass die Disc während des Spielens im
Laufwerk verbleiben muss. Ich habe mich für die erste Variante entschieden und konnte
mich schon nach weniger als 5 Minuten reibungsloser Installation, gefolgt von einer
obligatorischen Neuinstallation von DirectX 9.0c, in das Abenteuer stürzen. Ein
Kopierschutz ist laut Packungsangabe vorhanden, aber man merkt nichts davon, sprich: es
gibt keine lästige Eingabe von Codeschlüsseln.
Nach dem Programmstart können wir aus dem Hauptmenü ein neues
Spiel starten bzw. später auch laden, indem wir unseren Spielstand aus den mit
Screenshot, Ortsangabe und Zeitpunkt versehenen Speicherständen auswählen. Des weiteren
lässt sich in den Optionen Musik- und Soundlautstärke regeln, Schattenwurf, Untertitel
und die integrierte Rätselhilfe ein- oder ausschalten und auch die Qualität der
Videosequenzen auf hoch oder niedrig festlegen.
In Geheimakte Tunguska geht alles und zwar per Point &
Click. Der neutrale Cursor ist ein blauer Pfeil, der sich über Hotspots und
Inventargegenständen in ein weißes Mausicon verwandelt. Dessen rechte Taste wird durch
ein kleines Auge zum Ansehen und die linke durch eine kleine Hand für alle anderen
möglichen Aktionen wie Manipulieren und Sprechen ergänzt und gleichzeitig grün
eingefärbt, je nach dem, was an der Stelle/mit dem Objekt möglich ist. Mehr Zeichen
brauchen wir uns auch nicht zu merken. Das ist sinnvoller Minimalismus und ermöglicht
einen reibungslosen Einstieg ins Spiel, selbst ohne vorherigen Blick ins Handbuch. Es ist
auch sehr praktisch, dass man per Doppelklick mit einem Satz" in das nächste
Bild springen kann. Beachten sollte man aber, dass manche Locations größer sind als der
sichtbare Bereich, der mitscrollt, wenn wir den Charakter weiterlaufen lassen. Besonders
gut gefiel mir, dass Hotspots einem nicht wie Leuchtraketen ins Auge springen, sondern
sich nahtlos in die Hintergründe einfügen. Trotzdem sind die meisten wie auf einem Foto
sehr gut zu erkennen, und wenn man doch mal etwas nicht findet, gibt es ja noch den
sogenannten Snoopkey, der sich sowohl auf der Leertaste übrigens der einzigen,
welche wir neben den Maustasten benötigen - befindet als auch im ständig sichtbaren
Inventar am unteren Bildschirmrand in Form eines Lupenicons, gleich neben dem Ausgang zum
Hauptmenü und dem Tagebuch. Wenn man den Snoopkey aktiviert, werden alle Hotspots durch
eine kleine Lupe und alle Szenenausgänge durch einen großen roten Pfeil markiert. Es ist
also praktisch unmöglich, etwas zu übersehen. Sterben kann man übrigens in Geheimakte
Tunguska nicht, und doch ist es gut zu wissen, dass man immer und überall speichern
kann.
Grafik
Die haut einen um. Wirklich. Bis zum heutigen Tage ist die grafische
Gestaltung von Geheimakte Tunguska so ziemlich die perfekteste, die ich in einem
2,5D-Adventure bewundern durfte, vielen Dank dafür! Schon der Spielstart erinnert an den
Beginn eines Leinwandhits und die Filmszenen sind wirklich großes Kino. Hier wurde die
ganze Action reingepackt, die sich ein Adventurespieler meist lieber gemütlich vom Sessel
aus anschaut, statt sie selbst in die Hand zu nehmen. Der Einsatz von Kamera und Schnitt
lässt nichts zu wünschen übrig; lediglich bei schnellen Schwenks hatte ich manchmal das
Gefühl, meine Kontaktlinsen würden etwas trübe. Während des Spielens und der Dialoge
bleibt die Kamera dann aber fest an einem Platz.
Die 3D-Charaktere bewegen sich dank Motion-Capturing sowohl in den
Filmen als auch durch die Locations sehr natürlich und flüssig, und sie passen wie
reingemalt", also völlig harmonisch in die Hintergründe. Dank der erstaunlich
- und erfreulich - niedrigen Systemanforderungen konnte ich auf meinem PC das Antialiasing
(über die Konfiguration im Startscreen regelbar) auf 6-fach hochschrauben und zusätzlich
V-Sync aktivieren, was die Optik zur Perfektion brachte und dabei nicht mal das winzigste
Ruckeln verursachte.
Aber genug der technischen Kleinigkeiten, lasst mich von den Bildern
und ihrer Wirkung schwärmen. Die 2D-Hintergründe sind nicht nur liebevoll detailliert
und äußerst realistisch gestaltet, sondern auch lebhaft in Szene gesetzt. Möglich macht
es die von Fusionsphere Systems selbst entwickelte Engine. Noch nie wirkte eine
zweidimensionale Kulisse so lebendig. Überall bewegt sich etwas in Form von
Echtzeit-3D-Elementen, sei es Dampf aus Kanaldeckeln, ein kleiner herumschwirrender Vogel
oder auch mal ein Schmetterling (die sogar näher an den Betrachter heran fliegen und
dabei optisch größer werden, grad so als stünde man im Spiel). In einem Aquarium
schwimmen bunte Fische durch aufsteigende Luftblasen und an der Zimmerdecke rotiert ein
Ventilator, Bäume wiegen sich im Wind und Wolken ziehen am Himmel, Regen prasselt
herunter und prallt wieder vom Boden ab, an einem Zugfenster fliegt die Landschaft vorbei
und Wellen rollen gegen das Ufer. Ich könnte ewig so weitermachen, doch gerade bei soviel
Perfektion fällt es einem allerdings auf, wenn sich z.B. im Hintergrund Windmühlen
drehen, der große Baum im Vordergrund aber starr bleibt nun, man kann nicht immer
alles haben. Dazu kommen Licht- und Schatteneffekte, die schon dadurch so beeindruckend
sind, dass man sie entweder gar nicht bewusst wahrnimmt, weil sie so echt und
selbstverständlich wirken, oder man sich als Reviewer (der ja nun mal seine Augen
überall haben muss) wundert, dass die Entwickler sich beherrschen konnten und sie nicht
in überhöhtem Maße eingesetzt haben.
Um mal ein Beispiel zu nennen: Nina geht durch einen Tunnel, in den
an einer Stelle Licht durch einen offenen Schacht fällt und nur für einen Moment, wenn
sie darunter her läuft, wird sie vom Lichtschein gestreift, um dann im Schatten wieder
dunkler zu erscheinen. Auch wirken Personen nachts undeutlicher als am Tage. Eben wie im
richtigen Leben. Speziell die Körperanimation der beiden spielbaren Charaktere Nina und
Max ist sehr gut, auch wenn Ninas Hüftschwung vielleicht noch einen Tick flexibler hätte
ausfallen können, aber das wäre jetzt direkt Haarspalterei. Denn immerhin geht sie
elegant in die Hocke, um etwas aufzunehmen und muss in einer Szene so angestrengt gegen
den Wind anlaufen, dass ihre offensichtliche Anspannung schon auf meinen Zeigefinger
übergegangen ist, den ich im unbewussten Versuch, ihr damit mehr Kraft zu verleihen, noch
fester auf die Maustaste drückte. Selbst die Mimik der Charaktere weiß zu überzeugen,
was man allerdings aufgrund der Perspektive und optischen Entfernung zu ihnen nicht immer
erkennen kann. Lediglich die NPCs haben gegenüber den beiden Hauptakteuren
auflösungstechnisch das Nachsehen nicht extrem, aber sie besitzen keine so
scharfen Konturen und wirken etwas flacher und farbloser.
Dialoge, Sprachausgabe und Sound
Nun gibt es aber in Geheimakte Tunguska nicht nur viel zu
gucken, sondern auch viel zu hören. Die Dialoge, deren Themen wir über kleine Bilder in
der Inventarleiste auswählen, sind durchweg sehr kurzweilig, nicht zu lang, aber mit den
nötigen Informationen zum Weiterkommen, und auch interessanten Hintergründen zur
Spielwelt gespickt, wobei die Wortwahl sehr lebensnah ist. Will sagen, es wird
außer vielleicht von ein paar Wissenschaftlern nicht mit Fachausdrücken geprotzt
und Sätze wie: Wenn ich das Ventil jetzt aufdrehe, saue ich hier den ganzen Boden
ein!" würden in der entsprechenden Situation auch von mir kommen. Bemerkenswert
variabel sind neben den Gesprächen aber vor allem Ninas oder auch Max Kommentare.
Sie wiederholen sich selten - also keine Angst vor so öden Phrasen wie Das
funktioniert so nicht!", die unzählige Adventures im Dutzend billiger anbieten
und geben uns in der Regel eher einen subtilen Hinweis, warum etwas nicht oder noch
nicht geht. Der Knaller sind allerdings oft Kommentare zu Hotspots, z.B. fährt man mit
dem Cursor über einen Knopf (die Bezeichnungen erscheinen jeweils direkt über dem
Spielbildschirm), klickt dann darauf und bekommt von Nina ein: Nicht zu verwechseln
mit Jim." Oder an anderer Stelle: Eine Biographie von Dieter Dielen! Seit wann
liest mein Vater denn so einen Schund?" :-)
Für Spieler, die auf Untertitel angewiesen sind oder sie auch
einfach gerne nur zusätzlich mitlesen möchten, habe ich ebenfalls gute Nachrichten. Die
Texte geben die gesprochenen oder gedachten Worte Eins zu Eins wieder und das auch noch
frei von Tipp- oder Inhaltsfehlern. Wiederholen lassen sich einmal geführte Gespräche
jedoch nicht, dafür können alle wichtigen Informationen in Ninas Tagebuch nachgelesen
werden.
Die professionellen, teilweise als Synchronstimmen bekannten
Sprecher und die Dialogregie haben allesamt Spitzenarbeit geleistet - Betonung, Einsätze,
alles bestens. Die Stimmen passen auch wunderbar zu den Charakteren, mit Ausnahme eines
kleinen Mädchens, dem man anhört, dass eine erwachsene Frau mit verstellter Stimme
spricht. Da hilft es auch nicht, dass es sich um die deutsche Stimme der gelben
Comic-Heldin Lisa Simpson handelt. Es klingt einfach nur schlecht. Apropos schlecht, das
gilt auch für einen Gag in Gestalt eines eher sinnfreien, für nicht Eingeweihte fast
verwirrenden Dialoges, den Max mit einer Statistin in Irland führt, der aber keinerlei
zusätzliche Informationen zur Story beinhaltet und nicht einmal wirklich lustig ist. Er
war vielleicht im weitesten Sinne als eine Art Easter Egg angedacht, kommt aber eher als
schlecht platzierte Schleichwerbung rüber. Das hätte man im Abspann pfiffiger machen
können und der Statistin lieber noch eine flotte Anspielung (z.B. auf ein bestimmtes
anderes Adventure in ähnlicher Umgebung) auf die Lippen legen können.
Ähnlich angetan wie von den vielen lebendigen Animationen bin ich
auch von den passenden Soundeffekten, die extrem zur intensiven Atmosphäre des Spiels
beitragen. Fast alles, was sich bewegt, macht ein dazu entsprechendes Geräusch und zwar
in Surround-Sound mit den richtigen Boxen befindet man sich dann völlig im
Geschehen. :-) In einem Garten summen Bienen, der Regen prasselt z.B. in Irland (wo
sonst?!) kontinuierlich auf die Erde, Vögel zwitschern, der Wind rauscht in den Bäumen,
neben denen ein kleiner Fluss munter über die Steine plätschert und entfernte Schritte
in einem Gebäude, in das man gerade eingedrungen ist, machen einen leicht nervös.
Seltsam nur, dass allein die Charaktere auf lautlosen Sohlen unterwegs sind, was mir
allerdings erst nach einer gewissen Zeit auffiel. Man hat sich große Mühe gegeben, die
Spielwelt so wirklichkeitsnah wir nur irgend möglich erscheinen zu lassen und für mich
hat das auch zu 99% funktioniert.
Die musikalische Ausstattung ist nicht das, was ich als bahnbrechend
bezeichnen würde, aber vielleicht ist sogar gerade das ihr Qualitätsmerkmal. In jedem
Fall trägt sie nämlich zur Atmosphäre bei, indem die instrumentalen Stücke eine
friedliche oder bedrohliche Situation unterstützen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu
drängen oder gar beim Denken zu stören. Etwas befremdlich fand ich aber doch einen
Hintergrundtrack in manchen Locations, den ich fast haargenau so bereits aus The Moment
of Silence kenne. Das mag wohl daran liegen, dass man, wie schon dessen Entwickler
House of Tales, die Mainzer Firma Dynamedion für die musikalische Untermalung
verpflichtet hat. Dieser Track ist sicherlich sehr gut, aber zugleich auch so markant,
dass der erneute Gebrauch doch einigen Adventurefans seltsam vorkommen mag. Mir jedenfalls
erging es so. Ich werfe dies den Entwicklern nicht vor, sehe es aber als schlechte
Beratung durch die Komponisten.
Rätsel
Wenn Ihr Inventar- und Objekträtsel genauso liebt wie ich, könnt
Ihr mit Geheimakte Tunguska überhaupt nichts falsch machen. Viele Dinge warten in
den über 100 Locations darauf, eingesammelt, untersucht, möglicherweise manipuliert oder
kombiniert und angewendet zu werden. Unsere Protagonisten nehmen dabei in der Regel alles
sofort mit, was nicht bei drei auf den Bäumen ist; und sollten sie etwas mal nicht sofort
aufnehmen oder auch gemäß unser Anweisung" anwenden wollen, dann erfahren wir
auch, warum und können diese Sache für einen späteren Versuch im Hinterkopf behalten.
Die Anzahl der Objekte in der Inventarleiste bleibt dabei immer übersichtlich. Unsere
Alter Egos können im Spiel erst weiterkommen, wenn sie alles Nötige erledigt haben. Mein
Test auf Sackgassen hat zu meiner großen Freude keine Ergebnisse gebracht. Ich habe
bewusst einmal einen Gegenstand nicht eingesammelt, von dem ich wusste, dass ich ihn erst
zu einem Zeitpunkt benötigen würde, zu dem ich keinen Zugang mehr auf dessen Fundort
haben würde. Und siehe da ich fand solch ein Teil dann später dort, wo es zum
Einsatz kommen sollte.
Es ist auch möglich, manche Gegenstände in logischer Manier ein
zweites Mal anzuwenden oder, um einmal etwas konkreter zu werden, wenn man ein Objekt nass
machen muss, so kann man dies sofort an der Wasserquelle tun oder das Wasser zunächst in
einem Gefäß mitnehmen und dann kombinieren. Solch ein durchdachtes Rätseldesign
vermeidet einfach Frustmomente und sollte daher hier auch besondere Erwähnung finden.
Dazu hätten wir noch Inventarrätsel der schwierigeren Art, bei
denen man schon mal ein wenig um die Ecke denken muss, unter anderem auch dann, wenn
unsere beiden Helden ein Problem nur in Teamarbeit lösen können. Jeder sammelt nun ein,
was er finden kann (wobei man über ein zusätzlich erscheinendes Icon beliebig zwischen
den Charakteren wechseln kann), manipuliert die Sachen und/oder gibt sie, falls nötig, an
den Partner weiter. Wenn die beiden getrennt unterwegs sind und man mit dem einen nicht
mehr weiterkommt, kann man zuweilen über das erwähnte Icon auch erst mal mit dem anderen
weiterspielen. So wird es trotz einer gewissen, aus erzählerischer Sicht notwendigen,
Linearität nie langweilig.
Es finden sich aber auch eine Reihe an Logikrätseln in Form von
Reihenfolge-, Code- und Mechanikpuzzles, wobei diese eher vorsichtig eingesetzt wurden und
uns bei den schwierigeren auch immer vorher ein Fragezeichensymbol in der oberen linken
Bildecke darauf aufmerksam macht, dass wir jetzt auf der letzten Tagebuchseite einen
Lösungshinweis finden können, bevor wir verzweifeln. Die Hilfestellung wird jedoch nur
zugänglich, wenn wir dies im Hauptmenü aktiviert haben. In jedem Fall sind die Rätsel
durchweg praktischer Natur und wirken nie, als hätte man die Story um sie herum
geschrieben.
Man hat bewusst auf weitgehend unbeliebte Rätsel, wie Labyrinthe,
Geschicklichkeitsaufgaben, zeitabhängige Herausforderungen sowie auf solche verzichtet,
die stundenlanges Studium von Texten erfordern. Geplant war, den Schwierigkeitsgrad der
Rätsel langsam und stetig ansteigen zu lassen, was aber nicht völlig geglückt ist, da
ich im letzten Kapitel doch des öfteren etwas ratlos anfing, alles mit allem zu
kombinieren; selbst das Tagebuch und der Snoopkey konnten mir nicht mehr weiterhelfen. Es
mag auch daran liegen, dass Ninas Kommentare zu manchen Gegenständen nicht mehr
aussagekräftig genug waren, was dann auch zur Folge hatte, dass die Spannung nachließ.
Schade zwar, aber kein Weltuntergang, denn geschafft habe ich es ja letztendlich doch
zum Teil nur eben durch Probieren, statt durch Logik.
Eins noch, abgesehen von der Notwendigkeit, alles zu untersuchen, um
an Hinweise und Gegenstände zu kommen, macht es einfach einen Riesenspaß sämtliche
Hotspots unter die Lupe zu nehmen, weil man so viele Anspielungen in Wort und Bild auf
andere Adventures, Filme, Promis und ähnliches finden kann. Schon deshalb wäre es eine
Schande, durch das Spiel zu hetzen, wie es ja heute scheinbar viele Spieler allzu oft tun.
Fazit
Nach Titeln wie Fahrenheit und Dreamfall muss ich
zugeben, dass ich nicht mehr so festgefahren bin, was meine Definition eines guten
Adventures ausmacht. Denn gut gemacht und richtig eingesetzt, können sogar Action- bzw.
Geschicklichkeitselemente durchaus fesseln und Spaß machen. Nichtsdestotrotz sind sie in
diesem Genre nicht notwendig und auch ich habe mir mal wieder ein klassisches Point &
Click-Adventure gewünscht, das am liebsten alles richtig macht. Und ich meine alles!
:-)
Geheimakte Tunguska kommt meinem Wunsch nach dem perfekten
Adventure gefährlich nahe, durch eine grafische Gestaltung, die ich nur als atemberaubend
bezeichnen kann, durch eine nahezu perfekte, enorm atmosphärische sprachliche und
soundtechnische Vertonung, durch ein - abgesehen von der finalen Location - logisches
Rätseldesign verbunden mit einer schnell zugänglichen Steuerung und nicht zuletzt, durch
eine spannende und fesselnde Story, an der mein einziger Kritikpunkt ist, dass man leider
etwas zu früh erkennen kann, worauf alles hinausläuft. Obwohl ich von einem fast
perfekten Adventure auch eine entsprechende Spieldauer verlange, muss ich doch sagen, dass
ich in den knapp 22 Stunden, die ich mit Geheimakte Tunguska verbrachte, sehr gut
unterhalten wurde und es daher vom Einsteiger bis zum Profi nur jedem Spieler ganz
besonders empfehlen kann.