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Geheimakte Tunguska


Erschienen: 01. September 2006
Entwickler: Deep Silver/Animation Arts/ Fusionsphere Systems
Publisher: Koch Media

Spielsprache: Deutsch
Handbuch: Deutsch

Homepage

Altersfreigabe: USK ab 6 Jahren

 

Ein Review von  MaryScots   01. September 2006

Es soll ja Spieler geben, die keine versunkenen Inseln, Spaßpiraten, Tempelritterskelette und ganz besonders keine Hieroglyphen mehr sehen können, Veteranen der Pixeljagd, deren Augen müde werden und sich nach Balsam sehnen und Cheflogiker ebenso wie Genreeinsteiger, die intelligent und logisch, aber zugleich unterhaltsam und abwechslungsreich rätseln möchten. Die Grafik soll top-notch, aber auch auf älteren PC-Semestern ein Augenschmaus sein. Point & Click-Steuerung ist ein Muss und Actioneinlagen sind weitgehend unerwünscht.

Und es soll Spieldesigner geben, denen all das aufgefallen ist und die beschlossen haben, genau diese Wünsche zu erfüllen. Die Ziele wurden hoch gesteckt. Man legte ein Thema zugrunde, von dem viele – ich eingeschlossen – noch wenig bis gar nichts gehört hatten, machte sich u.a. in den einschlägigen Foren schlau, was PC-Abenteurer in punkto Handling, Grafik und Rätseldesign bevorzugen/verabscheuen, fand einen Publisher, der all dies unterstützt, und – Voilà! – vor mir liegt Geheimakte Tunguska, eines der am gespanntesten erwarteten Adventures dieses Jahres. Geht mit mir die Liste durch und erfahrt, ob noch Wünsche offen blieben.

 

Verpackung

Schön ist er, der Midi-Klappkarton mit Prägedruck und Hochglanzcover, von dem die Hauptdarsteller uns herausfordernd ansehen. Darin befindet sich neben der DVD im einfachen Jewelcase ein ausführliches Handbuch und - noch eingeschweißt – eine erweiterte Einstiegshilfe, die uns durch die ersten Spielstunden lotst. Eine sehr gute Idee und sinnvoll für Anfänger – alle anderen sollten die Folie intakt lassen, solange sie nicht wirklich hoffnungslos feststecken. Das ist schon mehr als bei den meisten Spielen heutzutage, aber hier überrascht uns obendrein noch eine Zugabe in Form eines doppelseitigen DIN A3-Posters und ein Gutschein über 5 Euro, die wir beim Kauf einer Akte X - DVD-Box sparen können.

Aber in ist ja bekanntlich, was drin ist – also ich meine, tief drin – und das ist mal wirklich etwas Neues für ein Adventure und damit komme ich zur…

 

Geschichte

Die Grundlage: am 30. Juni 1908 wollen Augenzeugen beobachtet haben, wie über der zentralsibirischen Tunguska-Region ein längliches, blau-weiß leuchtendes Objekt vom Himmel fiel. Dazu wollen sie eine ca. 20 km hohe Lichtsäule und gleich darauf eine atompilzartige schwarze Wolke gesehen haben. Tatsache ist, dass eine gigantische Explosion mit der Zerstörungskraft von 2.000 Hiroshimabomben erfolgte, denn in der Region blieb nicht viel mehr übrig als ein Tausende Quadratmeter großes Gebiet entwurzelter und umgeknickter Bäume. Die Druckwelle soll sogar noch in 500 km Entfernung von Reisenden der Transsibirischen Eisenbahn wahrgenommen worden sein. Seit damals haben unzählige Expeditionen versucht, der Ursache dieser Katastrophe auf die Spur zu kommen, allerdings ohne eindeutige Ergebnisse liefern zu können. Die wildesten Theorien wissenschaftlicher und esoterischer Art kursieren seither weltweit. Sicher ist eigentlich nur, was diese Explosion hinterlassen hat, nicht aber, was sie verursacht haben könnte.

Die Geschichte: unsere Heldin Nina Kalenkow, eine junge, hübsche Motorradmechanikerin und Tochter des Naturwissenschaftlers Wladimir Kalenkow, betritt eines Abends ihres Vaters Büro in Berlin, um eine böse Überraschung zu erleben. Nein, eigentlich wollte sie sich mal wieder mit ihrem alten Herrn zu einem netten Vater-Tochter-Gespräch treffen, findet aber stattdessen sein Büro im Museum in chaotischem Zustand vor und von Dr. Kalenkow fehlt jede Spur. Sein Mitarbeiter Max Gruber hat in seinem Büro nichts mitbekommen und keinen Schimmer, wo er stecken könnte und der Museumshausmeister Eddie ist angetrunken und faselt völlig verstört etwas von kleinen schwebenden Männern in schwarzen Kapuzenmänteln.

Auch die Polizei stellt sich stur und rät Nina abzuwarten, da es zu früh für eine Vermisstenmeldung sei. Und doch steht kurze Zeit später der unsympathische Kommissar Kanski in Kalenkows Büro und fordert Nina auf, nach Hause zu gehen, ihn seine Arbeit machen zu lassen und abzuwarten. Da ist er allerdings bei Nina an der falschen Adresse. Sie fährt zwar erst mal nach Hause, um dort nach ihrem Vater zu suchen, wird nach Betreten des Hauses jedoch niedergeschlagen und ist nun endgültig sicher, dass ihr Vater nicht mal eben nur einen Spaziergang um den Block gemacht und dabei die Zeit vergessen hat.

Sie fängt an, jeden Stein umzudrehen, um Hinweise auf Wladimir Kalenkows Verbleib zu finden und muss dabei feststellen, dass sie wohl doch so einige Wissenslücken hat, was seinen Lebenslauf angeht. Anscheinend hat er geahnt, dass ihn seine Vergangenheit irgendwann mal einholen würde und hat in weiser Voraussicht Dokumente versteckt mit der Hoffnung, dass diese im Ernstfall von der richtigen Person gefunden werden. Einer Person, die fast einmal um die Welt wird reisen müssen, um die Bruchteile lange zurückliegender Ereignisse zu einem Ganzen zusammenzufügen und dabei gut gehüteten und gefährlichen Geheimnissen auf die Spur kommen soll. Diese Person ist Nina und die Dokumente befinden sich in der Geheimakte Tunguska.

 

Installation und Steuerung

Wir können uns aussuchen, ob wir bei einer Vollinstallation die Filmsequenzen mit auf die Festplatte kopieren möchten und so die DVD später nur noch zum Spielstart ins Laufwerk legen müssen, oder ob wir sie lieber aus Platzgründen von der DVD laufen lassen, was logischerweise bedeutet, dass die Disc während des Spielens im Laufwerk verbleiben muss. Ich habe mich für die erste Variante entschieden und konnte mich schon nach weniger als 5 Minuten reibungsloser Installation, gefolgt von einer obligatorischen Neuinstallation von DirectX 9.0c, in das Abenteuer stürzen. Ein Kopierschutz ist laut Packungsangabe vorhanden, aber man merkt nichts davon, sprich: es gibt keine lästige Eingabe von Codeschlüsseln.

Nach dem Programmstart können wir aus dem Hauptmenü ein neues Spiel starten bzw. später auch laden, indem wir unseren Spielstand aus den mit Screenshot, Ortsangabe und Zeitpunkt versehenen Speicherständen auswählen. Des weiteren lässt sich in den Optionen Musik- und Soundlautstärke regeln, Schattenwurf, Untertitel und die integrierte Rätselhilfe ein- oder ausschalten und auch die Qualität der Videosequenzen auf hoch oder niedrig festlegen.

In Geheimakte Tunguska geht alles und zwar per Point & Click. Der neutrale Cursor ist ein blauer Pfeil, der sich über Hotspots und Inventargegenständen in ein weißes Mausicon verwandelt. Dessen rechte Taste wird durch ein kleines Auge zum Ansehen und die linke durch eine kleine Hand für alle anderen möglichen Aktionen wie Manipulieren und Sprechen ergänzt und gleichzeitig grün eingefärbt, je nach dem, was an der Stelle/mit dem Objekt möglich ist. Mehr Zeichen brauchen wir uns auch nicht zu merken. Das ist sinnvoller Minimalismus und ermöglicht einen reibungslosen Einstieg ins Spiel, selbst ohne vorherigen Blick ins Handbuch. Es ist auch sehr praktisch, dass man per Doppelklick „mit einem Satz" in das nächste Bild springen kann. Beachten sollte man aber, dass manche Locations größer sind als der sichtbare Bereich, der mitscrollt, wenn wir den Charakter weiterlaufen lassen. Besonders gut gefiel mir, dass Hotspots einem nicht wie Leuchtraketen ins Auge springen, sondern sich nahtlos in die Hintergründe einfügen. Trotzdem sind die meisten wie auf einem Foto sehr gut zu erkennen, und wenn man doch mal etwas nicht findet, gibt es ja noch den sogenannten Snoopkey, der sich sowohl auf der Leertaste – übrigens der einzigen, welche wir neben den Maustasten benötigen - befindet als auch im ständig sichtbaren Inventar am unteren Bildschirmrand in Form eines Lupenicons, gleich neben dem Ausgang zum Hauptmenü und dem Tagebuch. Wenn man den Snoopkey aktiviert, werden alle Hotspots durch eine kleine Lupe und alle Szenenausgänge durch einen großen roten Pfeil markiert. Es ist also praktisch unmöglich, etwas zu übersehen. Sterben kann man übrigens in Geheimakte Tunguska nicht, und doch ist es gut zu wissen, dass man immer und überall speichern kann.

 

Grafik

Die haut einen um. Wirklich. Bis zum heutigen Tage ist die grafische Gestaltung von Geheimakte Tunguska so ziemlich die perfekteste, die ich in einem 2,5D-Adventure bewundern durfte, vielen Dank dafür! Schon der Spielstart erinnert an den Beginn eines Leinwandhits und die Filmszenen sind wirklich großes Kino. Hier wurde die ganze Action reingepackt, die sich ein Adventurespieler meist lieber gemütlich vom Sessel aus anschaut, statt sie selbst in die Hand zu nehmen. Der Einsatz von Kamera und Schnitt lässt nichts zu wünschen übrig; lediglich bei schnellen Schwenks hatte ich manchmal das Gefühl, meine Kontaktlinsen würden etwas trübe. Während des Spielens und der Dialoge bleibt die Kamera dann aber fest an einem Platz.

Die 3D-Charaktere bewegen sich dank Motion-Capturing sowohl in den Filmen als auch durch die Locations sehr natürlich und flüssig, und sie passen wie „reingemalt", also völlig harmonisch in die Hintergründe. Dank der erstaunlich - und erfreulich - niedrigen Systemanforderungen konnte ich auf meinem PC das Antialiasing (über die Konfiguration im Startscreen regelbar) auf 6-fach hochschrauben und zusätzlich V-Sync aktivieren, was die Optik zur Perfektion brachte und dabei nicht mal das winzigste Ruckeln verursachte.

Aber genug der technischen Kleinigkeiten, lasst mich von den Bildern und ihrer Wirkung schwärmen. Die 2D-Hintergründe sind nicht nur liebevoll detailliert und äußerst realistisch gestaltet, sondern auch lebhaft in Szene gesetzt. Möglich macht es die von Fusionsphere Systems selbst entwickelte Engine. Noch nie wirkte eine zweidimensionale Kulisse so lebendig. Überall bewegt sich etwas in Form von Echtzeit-3D-Elementen, sei es Dampf aus Kanaldeckeln, ein kleiner herumschwirrender Vogel oder auch mal ein Schmetterling (die sogar näher an den Betrachter heran fliegen und dabei optisch größer werden, grad so als stünde man im Spiel). In einem Aquarium schwimmen bunte Fische durch aufsteigende Luftblasen und an der Zimmerdecke rotiert ein Ventilator, Bäume wiegen sich im Wind und Wolken ziehen am Himmel, Regen prasselt herunter und prallt wieder vom Boden ab, an einem Zugfenster fliegt die Landschaft vorbei und Wellen rollen gegen das Ufer. Ich könnte ewig so weitermachen, doch gerade bei soviel Perfektion fällt es einem allerdings auf, wenn sich z.B. im Hintergrund Windmühlen drehen, der große Baum im Vordergrund aber starr bleibt – nun, man kann nicht immer alles haben. Dazu kommen Licht- und Schatteneffekte, die schon dadurch so beeindruckend sind, dass man sie entweder gar nicht bewusst wahrnimmt, weil sie so echt und selbstverständlich wirken, oder man sich als Reviewer (der ja nun mal seine Augen überall haben muss) wundert, dass die Entwickler sich beherrschen konnten und sie nicht in überhöhtem Maße eingesetzt haben.

Um mal ein Beispiel zu nennen: Nina geht durch einen Tunnel, in den an einer Stelle Licht durch einen offenen Schacht fällt und nur für einen Moment, wenn sie darunter her läuft, wird sie vom Lichtschein gestreift, um dann im Schatten wieder dunkler zu erscheinen. Auch wirken Personen nachts undeutlicher als am Tage. Eben wie im richtigen Leben. Speziell die Körperanimation der beiden spielbaren Charaktere Nina und Max ist sehr gut, auch wenn Ninas Hüftschwung vielleicht noch einen Tick flexibler hätte ausfallen können, aber das wäre jetzt direkt Haarspalterei. Denn immerhin geht sie elegant in die Hocke, um etwas aufzunehmen und muss in einer Szene so angestrengt gegen den Wind anlaufen, dass ihre offensichtliche Anspannung schon auf meinen Zeigefinger übergegangen ist, den ich im unbewussten Versuch, ihr damit mehr Kraft zu verleihen, noch fester auf die Maustaste drückte. Selbst die Mimik der Charaktere weiß zu überzeugen, was man allerdings aufgrund der Perspektive und optischen Entfernung zu ihnen nicht immer erkennen kann. Lediglich die NPCs haben gegenüber den beiden Hauptakteuren auflösungstechnisch das Nachsehen – nicht extrem, aber sie besitzen keine so scharfen Konturen und wirken etwas flacher und farbloser.

 

Dialoge, Sprachausgabe und Sound

Nun gibt es aber in Geheimakte Tunguska nicht nur viel zu gucken, sondern auch viel zu hören. Die Dialoge, deren Themen wir über kleine Bilder in der Inventarleiste auswählen, sind durchweg sehr kurzweilig, nicht zu lang, aber mit den nötigen Informationen zum Weiterkommen, und auch interessanten Hintergründen zur Spielwelt gespickt, wobei die Wortwahl sehr lebensnah ist. Will sagen, es wird – außer vielleicht von ein paar Wissenschaftlern – nicht mit Fachausdrücken geprotzt und Sätze wie: „Wenn ich das Ventil jetzt aufdrehe, saue ich hier den ganzen Boden ein!" würden in der entsprechenden Situation auch von mir kommen. Bemerkenswert variabel sind neben den Gesprächen aber vor allem Ninas oder auch Max’ Kommentare. Sie wiederholen sich selten - also keine Angst vor so öden Phrasen wie „Das funktioniert so nicht!", die unzählige Adventures im Dutzend billiger anbieten – und geben uns in der Regel eher einen subtilen Hinweis, warum etwas nicht oder noch nicht geht. Der Knaller sind allerdings oft Kommentare zu Hotspots, z.B. fährt man mit dem Cursor über einen Knopf (die Bezeichnungen erscheinen jeweils direkt über dem Spielbildschirm), klickt dann darauf und bekommt von Nina ein: „Nicht zu verwechseln mit Jim." Oder an anderer Stelle: „Eine Biographie von Dieter Dielen! Seit wann liest mein Vater denn so einen Schund?" :-)

Für Spieler, die auf Untertitel angewiesen sind oder sie auch einfach gerne nur zusätzlich mitlesen möchten, habe ich ebenfalls gute Nachrichten. Die Texte geben die gesprochenen oder gedachten Worte Eins zu Eins wieder und das auch noch frei von Tipp- oder Inhaltsfehlern. Wiederholen lassen sich einmal geführte Gespräche jedoch nicht, dafür können alle wichtigen Informationen in Ninas Tagebuch nachgelesen werden.

Die professionellen, teilweise als Synchronstimmen bekannten Sprecher und die Dialogregie haben allesamt Spitzenarbeit geleistet - Betonung, Einsätze, alles bestens. Die Stimmen passen auch wunderbar zu den Charakteren, mit Ausnahme eines kleinen Mädchens, dem man anhört, dass eine erwachsene Frau mit verstellter Stimme spricht. Da hilft es auch nicht, dass es sich um die deutsche Stimme der gelben Comic-Heldin Lisa Simpson handelt. Es klingt einfach nur schlecht. Apropos schlecht, das gilt auch für einen Gag in Gestalt eines eher sinnfreien, für nicht Eingeweihte fast verwirrenden Dialoges, den Max mit einer Statistin in Irland führt, der aber keinerlei zusätzliche Informationen zur Story beinhaltet und nicht einmal wirklich lustig ist. Er war vielleicht im weitesten Sinne als eine Art Easter Egg angedacht, kommt aber eher als schlecht platzierte Schleichwerbung rüber. Das hätte man im Abspann pfiffiger machen können und der Statistin lieber noch eine flotte Anspielung (z.B. auf ein bestimmtes anderes Adventure in ähnlicher Umgebung) auf die Lippen legen können.

Ähnlich angetan wie von den vielen lebendigen Animationen bin ich auch von den passenden Soundeffekten, die extrem zur intensiven Atmosphäre des Spiels beitragen. Fast alles, was sich bewegt, macht ein dazu entsprechendes Geräusch und zwar in Surround-Sound – mit den richtigen Boxen befindet man sich dann völlig im Geschehen. :-) In einem Garten summen Bienen, der Regen prasselt z.B. in Irland (wo sonst?!) kontinuierlich auf die Erde, Vögel zwitschern, der Wind rauscht in den Bäumen, neben denen ein kleiner Fluss munter über die Steine plätschert und entfernte Schritte in einem Gebäude, in das man gerade eingedrungen ist, machen einen leicht nervös. Seltsam nur, dass allein die Charaktere auf lautlosen Sohlen unterwegs sind, was mir allerdings erst nach einer gewissen Zeit auffiel. Man hat sich große Mühe gegeben, die Spielwelt so wirklichkeitsnah wir nur irgend möglich erscheinen zu lassen und für mich hat das auch zu 99% funktioniert.

Die musikalische Ausstattung ist nicht das, was ich als bahnbrechend bezeichnen würde, aber vielleicht ist sogar gerade das ihr Qualitätsmerkmal. In jedem Fall trägt sie nämlich zur Atmosphäre bei, indem die instrumentalen Stücke eine friedliche oder bedrohliche Situation unterstützen, ohne sich dabei in den Vordergrund zu drängen oder gar beim Denken zu stören. Etwas befremdlich fand ich aber doch einen Hintergrundtrack in manchen Locations, den ich fast haargenau so bereits aus The Moment of Silence kenne. Das mag wohl daran liegen, dass man, wie schon dessen Entwickler House of Tales, die Mainzer Firma Dynamedion für die musikalische Untermalung verpflichtet hat. Dieser Track ist sicherlich sehr gut, aber zugleich auch so markant, dass der erneute Gebrauch doch einigen Adventurefans seltsam vorkommen mag. Mir jedenfalls erging es so. Ich werfe dies den Entwicklern nicht vor, sehe es aber als schlechte Beratung durch die Komponisten.

 

Rätsel

Wenn Ihr Inventar- und Objekträtsel genauso liebt wie ich, könnt Ihr mit Geheimakte Tunguska überhaupt nichts falsch machen. Viele Dinge warten in den über 100 Locations darauf, eingesammelt, untersucht, möglicherweise manipuliert oder kombiniert und angewendet zu werden. Unsere Protagonisten nehmen dabei in der Regel alles sofort mit, was nicht bei drei auf den Bäumen ist; und sollten sie etwas mal nicht sofort aufnehmen oder auch gemäß unser „Anweisung" anwenden wollen, dann erfahren wir auch, warum und können diese Sache für einen späteren Versuch im Hinterkopf behalten. Die Anzahl der Objekte in der Inventarleiste bleibt dabei immer übersichtlich. Unsere Alter Egos können im Spiel erst weiterkommen, wenn sie alles Nötige erledigt haben. Mein Test auf Sackgassen hat zu meiner großen Freude keine Ergebnisse gebracht. Ich habe bewusst einmal einen Gegenstand nicht eingesammelt, von dem ich wusste, dass ich ihn erst zu einem Zeitpunkt benötigen würde, zu dem ich keinen Zugang mehr auf dessen Fundort haben würde. Und siehe da – ich fand solch ein Teil dann später dort, wo es zum Einsatz kommen sollte.

Es ist auch möglich, manche Gegenstände in logischer Manier ein zweites Mal anzuwenden oder, um einmal etwas konkreter zu werden, wenn man ein Objekt nass machen muss, so kann man dies sofort an der Wasserquelle tun oder das Wasser zunächst in einem Gefäß mitnehmen und dann kombinieren. Solch ein durchdachtes Rätseldesign vermeidet einfach Frustmomente und sollte daher hier auch besondere Erwähnung finden.

Dazu hätten wir noch Inventarrätsel der schwierigeren Art, bei denen man schon mal ein wenig um die Ecke denken muss, unter anderem auch dann, wenn unsere beiden Helden ein Problem nur in Teamarbeit lösen können. Jeder sammelt nun ein, was er finden kann (wobei man über ein zusätzlich erscheinendes Icon beliebig zwischen den Charakteren wechseln kann), manipuliert die Sachen und/oder gibt sie, falls nötig, an den Partner weiter. Wenn die beiden getrennt unterwegs sind und man mit dem einen nicht mehr weiterkommt, kann man zuweilen über das erwähnte Icon auch erst mal mit dem anderen weiterspielen. So wird es trotz einer gewissen, aus erzählerischer Sicht notwendigen, Linearität nie langweilig.

Es finden sich aber auch eine Reihe an Logikrätseln in Form von Reihenfolge-, Code- und Mechanikpuzzles, wobei diese eher vorsichtig eingesetzt wurden und uns bei den schwierigeren auch immer vorher ein Fragezeichensymbol in der oberen linken Bildecke darauf aufmerksam macht, dass wir jetzt auf der letzten Tagebuchseite einen Lösungshinweis finden können, bevor wir verzweifeln. Die Hilfestellung wird jedoch nur zugänglich, wenn wir dies im Hauptmenü aktiviert haben. In jedem Fall sind die Rätsel durchweg praktischer Natur und wirken nie, als hätte man die Story um sie herum geschrieben.

Man hat bewusst auf weitgehend unbeliebte Rätsel, wie Labyrinthe, Geschicklichkeitsaufgaben, zeitabhängige Herausforderungen sowie auf solche verzichtet, die stundenlanges Studium von Texten erfordern. Geplant war, den Schwierigkeitsgrad der Rätsel langsam und stetig ansteigen zu lassen, was aber nicht völlig geglückt ist, da ich im letzten Kapitel doch des öfteren etwas ratlos anfing, alles mit allem zu kombinieren; selbst das Tagebuch und der Snoopkey konnten mir nicht mehr weiterhelfen. Es mag auch daran liegen, dass Ninas Kommentare zu manchen Gegenständen nicht mehr aussagekräftig genug waren, was dann auch zur Folge hatte, dass die Spannung nachließ. Schade zwar, aber kein Weltuntergang, denn geschafft habe ich es ja letztendlich doch – zum Teil nur eben durch Probieren, statt durch Logik.

Eins noch, abgesehen von der Notwendigkeit, alles zu untersuchen, um an Hinweise und Gegenstände zu kommen, macht es einfach einen Riesenspaß sämtliche Hotspots unter die Lupe zu nehmen, weil man so viele Anspielungen in Wort und Bild auf andere Adventures, Filme, Promis und ähnliches finden kann. Schon deshalb wäre es eine Schande, durch das Spiel zu hetzen, wie es ja heute scheinbar viele Spieler allzu oft tun.

 

Fazit

Nach Titeln wie Fahrenheit und Dreamfall muss ich zugeben, dass ich nicht mehr so festgefahren bin, was meine Definition eines guten Adventures ausmacht. Denn gut gemacht und richtig eingesetzt, können sogar Action- bzw. Geschicklichkeitselemente durchaus fesseln und Spaß machen. Nichtsdestotrotz sind sie in diesem Genre nicht notwendig und auch ich habe mir mal wieder ein klassisches Point & Click-Adventure gewünscht, das am liebsten alles richtig macht. Und ich meine alles! :-)

Geheimakte Tunguska kommt meinem Wunsch nach dem perfekten Adventure gefährlich nahe, durch eine grafische Gestaltung, die ich nur als atemberaubend bezeichnen kann, durch eine nahezu perfekte, enorm atmosphärische sprachliche und soundtechnische Vertonung, durch ein - abgesehen von der finalen Location - logisches Rätseldesign verbunden mit einer schnell zugänglichen Steuerung und nicht zuletzt, durch eine spannende und fesselnde Story, an der mein einziger Kritikpunkt ist, dass man leider etwas zu früh erkennen kann, worauf alles hinausläuft. Obwohl ich von einem fast perfekten Adventure auch eine entsprechende Spieldauer verlange, muss ich doch sagen, dass ich in den knapp 22 Stunden, die ich mit Geheimakte Tunguska verbrachte, sehr gut unterhalten wurde und es daher vom Einsteiger bis zum Profi nur jedem Spieler ganz besonders empfehlen kann.

 

Bewertung: 90%

Wer mehr über die Fakten und Theorien rund um die Tunguska-Katastrophe erfahren möchte, sollte sich das Spielhandbuch zu Gemüte führen oder sich bei Wikipedia einlesen. :-)

 

 

Bewertungssystem Adventure-Archiv:

  • 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
  • 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
  • 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
  • 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
  • 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
  • 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)

 

Minimale Systemvoraussetzungen:

  • Windows 2000/XP
  • Pentium II 500 MHz
  • 128 MB RAM
  • DVD-ROM-Laufwerk
  • DirectX 9-kompatible AGP-Grafikkarte mit mind. 16 MB Speicher
  • 2 GB freier Festplattenspeicher
  • Optional: DirectX 9-kompatible 16 Bit-Soundkarte

Gespielt auf:

  • Windows XP Professional SP2
  • Pentium IV 2,6 GHz
  • 1 GB RAM
  • 16x DVD-ROM SD-616 Samsung
  • ATI Radeon 9550 256 MB Grafikkarte
  • Creative Soundblaster Live! 5.1 Soundkarte

 

 

Copyright © MaryScots für Adventure-Archiv, 01. September 2006

 

 

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