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Grim Fandango
Erscheinungsdatum: 1998
Entwickler/Publisher: Lucas Arts
Spielsprache und Handbuch: Deutsch
Boxshots
USK: ab 12 Jahren
Ein Review von André 17. Januar 2004
Was ist eigentlich mit LucasArts los? Von finanziellen Schwierigkeiten und von Gesundschrumpfung der Firma ist die Rede. Nicht, dass LucasArts früher Adventures am laufenden Band produziert hätten, aber das letzte Adventure - Monkey Island 4 - ist ja auch schon wieder ca. dreieinhalb Jahre alt und über neue Spiele wie Sam and Max 2 oder Vollgas 2 gibt es nur Gerüchte. Angeblich spielt man mit dem Gedanken, dass diese von den allseits gefürchteten und verhassten Actionsequenzen durchzogen werden, welche auch bei Baphomet 3 schon gewaltig nervten.
* Nach Fertigstellung des Reviews habe ich erfahren, dass sowohl Vollgas 2 als auch Sam + Max 2 eingestellt wurden.
Hoffen wir, dass sich LucasArts auf ihre alten Werte besinnen und demnächst mal wieder ein schönes Grafik-Adventure produzieren, denn Grim Fandango beweist mal wieder, zu welchen Glanzleistungen die Firma bzw. in dem Fall das Team um Tim Schafer fähig ist.*
Handlung
Das Spiel ist angelehnt an mexikanische (religiöse) Mythen (mit denen ich allerdings nicht näher vertraut bin) und diese werden durch eine Mischung aus Film Noir und Comicgrafik präsentiert.
Die Ausgangssituation: Manny Calaveras befindet sich in einer Stadt im
Totenreich. Wer nun denkt, dass man wenigstens dort seine Ruhe vor der Arbeit hat, täuscht sich. Mannys Aufgabe in seiner Firma ist es, die "frisch" Gestorbenen aufzusuchen, um Eisenbahn-Tickets für die neunte Unterwelt (quasi das mexikanische Gegenstück zum biblischen Paradies) zu verkaufen. Dadurch kann er sich ein eigenes Ticket verdienen, um so eines Tages selber in die neunte Unterwelt zu gelangen. Es gibt verschiedene Kategorien dieser Karten und leider schnappt sein äußerst fieser Arbeitskollege Domino Manny immer die besten Aufträge weg. Eines Tages gelangt Manny doch durch einen Trick an einen schönen Auftrag und trifft auf die attraktive Mercedes. Doch Manny muss Mercedes
merkwürdigerweise zu Fuß auf eine beschwerliche Reise in die neunte Unterwelt schicken, Eigentlich hätte sie ein Bahnticket verdient ...
Daher verlässt Manny seine Stadt, um Mercedes zu suchen und trifft auf einen ungeheuerlichen Komplott. Das ist nur der Anfang des Spiels in Kurzfassung. Es geht jetzt erst richtig los.
Ich habe selten so wunderbare Charaktere erlebt. Hier merkt man wieder
deutlich, wie wichtig es ist, wenn die Charaktere auch eine Persönlichkeit haben. Einige sind gut, andere böse, jeder hat seine kleinen Macken und einige sind einfach nur komplett neben der Spur.
Es gibt Freund- und Feindschaften, Liebe, Verknüpfungen und zahlreiche
Nebenstorys, sowie Hürden und Aufgaben - sprich: Es wird eine schöne Geschichte, ein Roman erzählt. Und natürlich ist das Spiel wieder von skurrilem Humor durchzogen. Erst diese Faktoren lassen ein Adventure lebendig werden, so dass es weit über das Rätselraten hinausgeht.
Rätsel
Auch vom Rätseldesign gehört Grim Fandango zur absoluten Spitzenklasse und Schwächen wurden geschickt vermieden. So gibt es keine Labyrinth, langweilige Matheaufgaben oder hektische Actioneinlagen, in denen man hundert mal sterben und laden darf.
Statt dessen setzt man bei Grim auf Rätsel, wie sie abwechslungsreicher
kaum sein können und die größtenteils weit über das übliche Gegenstände suchen und jemandem bringen hinausgeht.
Diese zu beschreiben, ist recht schwer, ohne zu viel zu verraten, aber man
kann sich zum Beispiel frei mit verschiedenen Fahrzeugen, welche ins
Rätseldesign einbezogen wurden, durch die Locations bewegen und so Aufgaben lösen.
Oder man muss zwei Anker auf dem Meeresgrund richtig positionieren, um ein Schiff wieder fahrtüchtig zu machen. Einige Rätsel lassen sich auch nur in Kombination mit unserem Freund und Fahrer Glottis lösen. Und natürlich müssen mal wieder die unglaublichsten Gegenstände miteinander kombiniert werden, was einfach nur Spaß macht.
Das Besondere an den Rätseln ist vielleicht, dass sie extrem abwechslungsreich und abgedreht, aber dennoch allesamt logisch und nachvollziehbar sind. Nur wenige Male musste ich in die Lösung schauen. Bei dem Rätsel mit dem Gabelstapler im Fahrstuhl wusste ich zum Beispiel theoretisch die Lösung, aber ich scheiterte, da man dort millimetergenau und exakt zum richtigen Zeitpunkt den Stapler koordinieren muss.
Generell war der Schwierigkeitsgrad zwar hoch, aber solche Fruststellen sind die Ausnahme und so war ich motiviert, alle Rätsel alleine zu lösen.
Grafik
Grim wurde wie gesagt im surrealistischen Film Noir-Comic-Stil konzipiert.
Es bietet für 1998 wie z.B. auch Rent A Hero (welches wenigstens grafisch ja auch eines der gelungensten Spiele dieses Jahres war) die bestmögliche Grafik. Und das sieht zeitlos schön aus.
Die Spielcharaktere wurden aus relativ einfachen geometrischen Figuren
zusammengesetzt und sind so der 1998 noch nicht so ausgereiften 3D-Techik optimal angepasst. Die Figuren wurden geschickt in die zahlreichen 2D-Locations eingebunden. Diese wurden extrem abwechslungs- und detailreich umgesetzt, ohne das grafisch einheitliche Konzept zu verlieren. Aber, es ist alles ist möglich: Die Stadt wirkt teilweise wie eine Mischung aus Mexiko mit amerikanischem Großstadtflair, dann ist man mal am Ende der Welt oder auf dem Meeresgrund, ein anderes mal steht vor verschlossener Tür vor der neunten Unterwelt.
Zwischendurch wird man mit sehr schönen Zwischensequenzen belohnt, welche auch direkt die Handlung vorantreiben.
Gefallen hat mir auch die ganzen Feinheiten wie z.B., dass Manny mehrmals im Spiel die Kleidung wechselt (wobei mir der "Russenlook inkl. Fellmütze" am besten gefallen hat).
Ich habe übrigens die Gammawerte ganz nach oben gesetzt. Dadurch wurde die Grafik etwas heller, bunter, klarer und dadurch spielfreundlicher, aber der Film Noir-Eindruck blieb trotzdem noch erhalten.
Steuerung
Kommen wir nun zur Steuerung, dem einzigen größeren Kritikpunkt des Spiels ... Grim Fandango lässt sich nur mit der Tastatur oder mit dem Gamepad spielen.
Zur Tastatur: Grim kommt zwar mit relativ wenigen Tasten aus, aber die
Anzahl der Befehle reicht immer noch aus, um permanent auf der Tastatur den einen oder anderen Befehl zu suchen und sich zu vertun. Das kostet Zeit und Nerven und lenkt enorm vom eigentlichen Spielgeschehen ab. Normalerweise sollte man sich auf das eigentliche Spielgeschehen konzentrieren können.
Schnell habe ich meine Tastatur in die Ecke geschmissen und mein Gamepad konfiguriert, hatte danach in dieser Hinsicht keine Probleme mehr und konnte mich endlich auf das eigentliche Spiel konzentrieren.
Aber egal ob man Grim mit der Tastatur oder mit dem Pad spielt,
Schwachpunkte bleiben immer noch: Hotspots sucht man nicht mit dem Cursor. Statt dessen signalisiert Manny beim Vorbeilaufen durch Drehen des Kopfes, wo ein wichtiger Gegenstand ist. Das wäre eigentlich recht praktisch und lässt das Spiel noch realistischer wirken.
Allerdings kam es des Öfteren vor, dass sich zwei oder mehr Gegenstände zu nahe beieinander befanden und man hat Probleme, den richtigen Gegenstand zu erwischen. Teilweise weigerte sich Manny regelrecht durch beharrliches Drehen des Kopfes in die falsche Richtung, den eigentlich gewünschten Gegenstand anzuvisieren.
Manny läuft bedingt durch die zahlreichen Perspektivenwechsel auch nicht
immer in die gewünschte Richtung oder bleibt ab und zu mal an Gegenständen hängen.
Das Inventar wird durch die Jackentasche Mannys dargestellt. Leider zeigt uns Manny nur jeweils einen Gegenstand, so dass man für den gesuchten Gegenstand immer das ganze Inventar durchscrollen muss. Glücklicherweise bleibt die Anzahl der Inventar-Gegenstände aber in einem beschaulichen Rahmen.
Fazit zur Steuerung
Wer ein Gamepad hat, sollte es der Tastatur vorziehen. Die Ansätze einer
Padsteuerung sind gut, nur mit Mannys Feinmotorik hapert´s noch ordentlich. Wenn die Padsteuerung sauberer funktionieren würde, könnte ich mich grundsätzlich mit ihr anfreunden. Allerdings sind Gamepads für den PC eine Wissenschaft für sich und nicht jedermanns Sache. Zudem sollte man ein gutes Pad mit möglichst vielen einzeln belegbaren Buttons kaufen, welches sich auch problemlos konfigurieren lässt.
Sonstiges Handling
Das sonstige Handling ist sehr praktisch ausgefallen. Die Installation
verlief problemlos und alle wichtigen Werte wie Musik, Soundeffekte,
Sprachausgabe, anwählbare Untertitel usw. sind nicht nur vorhanden, sondern auch übersichtlich angeordnet.
Es lässt sich problemlos speichern. Will man ein Spiel wieder aufgreifen,
gelangt man vom Desktopbildschirm direkt wieder zum aktuellen Spielstand, ohne sich durch langwierige Intros zu kämpfen. Äußerst lobenswert!
Sound
Anfangs ist mir gar nicht so richtig aufgefallen, wie brillant die Musik
eigentlich ist. Zuerst war ich beschäftigt, die eigenwillige Steuerung zu
zähmen, außerdem fügt sich der Sound so gut zum jeweiligen Spielgeschehen, dass mir die hohe Qualität anfangs kaum aufgefallen ist.
Passend zum Film Noir-Stil hört man gediegenen Jazz oder Easy
Listening-Sound, der mit Computerspielmusik im eigentlichen Sinne absolut nichts mehr gemeinsam hat und der sich vor großen Kinoproduktionen nicht nur nicht verstecken braucht, sondern bei dem der eine oder andere Filmemacher noch lernen kann. Steigt die Spannung im Spiel, so setzt die Musik noch passende Akzente und unterstreicht das Geschehen.
Ebenfalls genial ist auch die rauhe, unverwechselbare Stimme von Manny
Calaveras. Er wird von Tommy Piper gesprochen und verleiht Manny erst den entgültigen Charakter. Tommy Piper ist ein bekannter Synchronsprecher (und auch Schauspieler; aber nicht ganz so bekannt). Er ist vielen bestimmt ein Begriff als Synchronstimme von Alf und sprach auch in zahlreichen anderen Produktionen, z.B. in der bescheidenen Serie "Wer ist hier der Boss" (oder so ähnlich?). Die anderen Stimmen sagen mir jetzt nichts, sind aber auch wunderbar und passend besetzt worden.Bewertung: 92 %
Fazit
Die Steuerung mit der Tastatur ist recht unübersichtlich und wurde wirklich
nicht optimal gelöst. Etwas besser geht es mit dem Pad. Diese Schwäche
verhindert aber nicht, dass Grim eine Spitzenwertung verdient. Und wenn man bei Spielen wie Baphomets Fluch 1 + 2, Toonstruck oder auch diesem hier nicht eine Wertung von über 90% vergibt, wann dann?
Denn bis auf die Steuerung war ich rundum begeistert von Manny und Co.
Ausgeprägte, teilweise schräge Charaktere, die man in sein Herz schließt,
Konversationen, die über die Notwendigkeit, ein Rätsel zu lösen, hinausgehen, eine spannende Handlung, einfallsreiche, knackige, aber motivierende und logische Rätsel, tolle, detaillierte Grafik im Film Noir-Stil, brillante Musik und Synchronstimmen sowie schräger Humor. Hier stimmt einfach alles Und daher freue ich mich, diesem Klassiker wohlverdiente 92% zu vergeben.
Bewertungssystem Adventure-Archiv:
- 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
- 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
- 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
- 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
- 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
- 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)
Systemvoraussetzungen:
- 100% Windows 95/98 kompatibler Computer
- Pentium 133 oder höher
- 32 MB RAM
- 4 x CDROM-Laufwerk
- 2 MB PCI-Gafikkarte, 3D-Beschleunigerkarten werden unterstützt. 4MB PCI- oder AGP-Beschleunigerkarten werden für die Direct3D-Hardwarebeschleunigung benötigt
- 100% Windows 95/98 kompatible Tastatur
- Unterstützt Joysticks und Gamepads
- 100% Windows 95/98 kompatible 16-Bit Soundkarten
- Microsoft DirectX 6.0 (ist auf der CD enthalten)
Gespielt unter:
- Win 98
- Pentium III
- 192 MB RAM
- Soundblaster Pro
- 40x CDROM-Laufwerk
Copyright © André für Adventure-Archiv, 17. Januar 2004
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