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Gray Matter


Releasedatum: 08.10.2010

Entwickler: Wizarbox

Publisher: dtp

Spielsprache: deutsch oder englisch

Homepage

Boxshots Normalversion
Boxshots Collector's Edition

USK: ab 12 Jahren
PEGI; 12+

 

 

Ein Review von  slydos   21. November 2010

 

Die Autorin

Mit Gabriel Knight ist Jane Jensen Autorin und Designerin der beeindruckendsten Adventureserie, die das Genre bisher hervorgebracht hat. Sie ist nicht nur eine glänzende Erzählerin, sondern versteht es wie kein anderer Entwickler, ihre Geschichten in komplexe interaktive Meisterwerke zu transformieren, die das Publikum mit ihrer vielschichtigen Tiefe und der intensiven Kommunikation heute wie damals anrühren und fesseln. Sie ergriff die Chance in ihrem Stammhaus Sierra, mit technischen, interaktiven und narrativen Möglichkeiten zu experimentieren. Ihr Mut, ihr Einfallsreichtum und ihre Fähigkeit, das Erdachte für die Spieler zu einer miterlebten Realität zu machen, wurden hochgelobt und vielfach ausgezeichnet. Als ihre Arbeit und die ihrer Kollegen nicht mehr in den Businessplan der neuen Besitzer paßten, ging mit Sierra auch das Adventuregenre in Nordamerika unter. Jane Jensen war nicht untätig in der Zwischenzeit, schrieb Romane, gründete eine Spielefirma und entwickelte Casual Games. Für das große Adventure gibt es nur noch in Europa genügend finanziellen Nährboden. Und so gingen Jane Jensen und der deutsche Publisher dtp eine Verbindung ein, deren Ergebnis wir heute, nach 5 Jahren Entwicklungszeit mit Gray Matter vorliegen haben.

 

Gray Matter

Bei mehr als der Hälfte der Menschen gibt es eine entwicklungsbedingte Gewebebrücke zwischen den beiden getrennten Gehirnhälften, die aus einer grauen Substanz besteht. Etwa 3/4 dieser Brücken finden sich bei Frauen. Bei einem kleinen Teil dieser Gruppe sind dort Verbindungsbahnen entstanden ...

Einer der aktuell spannendsten Forschungsgegenstände der Wissenschaft ist die Ursache und Bedeutung genau dieses grauen Materials, das sich durch Interaktion mit der Umwelt bildet. Liegen dort die Kriterien zu Identitätsbildung und Bewußtsein, zu sexueller Orientierung, Händigkeit, Intelligenz, Geisteskrankheiten oder ganz außerordentlichen Fähigkeiten?

 

Geschichte und Charaktere

Die Milieus einer eigenwilligen Straßen- und Überlebenskünstlerin und eines zurückgezogen lebenden Hirnforschers mit einem Hang zu PSI haben auf den ersten Blick keine direkte natürliche Schnittmenge. Nachdem sie zufällig aufeinandertreffen und schicksalhaft verbunden werden, spüren sie trotz aller Distanz eine Seelenverwandtschaft aus dem Wissen um Schmerz und Verlust. Die mittellose aber ehrgeizige Samantha Everett zögert nicht, die Chance zu ergreifen, sich bei David Styles als studentische Assistentin einzuschleichen. Ein Dach über dem Kopf, ein Bett und die Aussicht auf ein paar Pfund regelmäßigen Verdienst ist mehr, als sie zu träumen wagte. Als Goth fühlt sie sich in dem schaurig-morbiden Stil des Dread Hill Anwesens gleich heimisch und findet seinen Besitzer mit der Halbmaske à la Phantom der Oper eher cool als mysteriös. Geschickt treibt sie die 6 Versuchskaninchen unter den Erstsemestern des St. Edmund Hall College auf, verfolgt dennoch gleichzeitig ihre eigenen Interessen, die sich um einen elitären Zauberclub namens Dädalus drehen.

David Styles hingegen treiben ganz andere Intentionen. Als er seine Frau bei einem Autounfall 3 Jahre zuvor verlor, schwor er, sie für sich lebendig zu bewahren. Dabei schottet er sich nicht nur gerne in seinem exklusiven Floating-Tank ab, um die Erinnerung an sie zu intensivieren, sondern assoziiert ihren Namen auch ununterbrochen mit jedem noch so trivialen Gegenstand, so daß diese fixe Idee für die Beobachter bereits zur Tortur wird. Auch das neue Experiment, bei dem ihm Sam assistiert, dient nur dem Zweck, neue Erkenntnisse über Visualisierungskräfte zu erhalten, um dadurch besseren Kontakt zu seiner verstorbenen Frau zu erlangen.

Dann wäre ja alles in Butter mit dem idyllischen Totenkult und wir könnten die Geschichte abhaken. Aber die Experimentserie wird von außergewöhnlichen Vorfällen begleitet, die die gemütliche Universitätsstadt Oxford beunruhigen und Dr. Seltsam langsam in der Öffentlichkeit zu Dr. Schrecklich mutieren lassen. Die Aufklärung läßt uns nicht nur zwischen den beiden Protagonisten Sam und David wechseln, sondern führt uns auch durch eine Palette von Verdächtigen und Verdächtigungen mit immer neuen Wendungen zwischen parapsychologischen Phänomenen, Illusionen, Täuschungen, Manipulationen und Zaubertricks.

Jane Jensen versteht es dabei, die Spieler immer wieder zu überraschen. Auch wenn Sie bereits eine Ahnung über die Auflösung haben sollten, so bleibt die Enthüllung der Zusammenhänge tatsächlich dem Ende des 8. und letzten Kapitels vorbehalten. Spannung erzeugt aber nicht nur die Ungewissheit über den Ausgang der Geschichte, sondern auch die oft erstaunliche Unerschrockenheit der Protagonistin, die sich tatsächlich ihrer selbst und ihrer Fähigkeiten bewußt ist und ihren Weg mit Intelligenz, Schlauheit und Erfahrung geht. Bezeichnend eine Situation, in der ihre Camouflage als Literaturstudentin aufzufliegen droht und sie ein Robert-Frost-Gedicht bühnenreif aus dem Stehgreif rezitiert, als wenn sie nur darauf gewartet hätte, von einer skeptischen Seele geprüft zu werden.

Unerschütterlich in ihrem Glauben an das eigene Können und das Verlangen, dieses in den kommenden Prüfungen und Rätseln zu beweisen, bietet sie eine ideale Identifikationsfigur für Adventurefans, die anspruchsvolle Herausforderungen suchen und den Geist echter Abenteuer lieben. Während Sam die extrovertierte Präsentation anstrebt, zieht sich David Styles vollkommen auf sein Objekt der Begierde zurück. Sein ganzes Streben ist nach innen gerichtet, alles darum herum nur Mittel zum Zweck. Daß nun Samantha auftaucht, der, wie er meint "Das Wort Ärger auf die Stirn geschrieben ist", bringt eine für ihn beunruhigende Dynamik in sein Leben. Er wird gezwungen, auf die Außenwelt zu reagieren und kommt dadurch, zwar ganz anders als erwartet, ebenfalls weiter auf seinem Weg.

Während die beiden Protagonisten nur immer Bruchstücke über den jeweils anderen oder auch andere Charaktere erfahren, haben wir Spieler einen Vorsprung, denn wir lernen sie beide sozusagen von innen kennen und zusammen mit ihnen auch die Hintergründe der anderen Mitwirkenden, um aber schon in der nächsten Szene möglicherweise eines Besseren belehrt zu werden ... weil nichts so sein muß wie es scheint.

Geschichte und Charaktere sind glänzend gewoben. Jane Jensen kann auch mir das schon fast abgegriffene Mystery-Untergenre mit den Gegengewichten Glaube und Wissenschaft wieder schmackhaft machen, auf eine scheinbar leichte und doch tiefsinnige Art. Da wird nicht einfach nur ein nettes Thema aufgegriffen, mit einem netten Plot und Charakteren versehen, sondern basiert auf ordentlicher Recherche und guter Konstruktion.

 

Setting

Die gute Recherche setzt sich fort bei der Auswahl des Ortes und der Requisiten. Stadtgeschichte, Ereignisse und Schauplätze spiegeln sich teils nebenbei, teils zentral in der Spielstory wieder, wie die hintergründigen Alice-Geschichten von Oxford Mathematikprofessor Carroll. Daneben macht es Spaß, den diversen Anspielungen auf Autoren, Spiele, Figuren etc. zu begegnen.

 

Grafik/Sound

Angemerkt werden muß, daß sich Gray Matter nicht zuletzt wegen des Wechsels des Entwicklerstudios verzögert hat. Stark verändert hat sich seitdem die Charaktergrafik unserer Hauptdarstellerin, und zwar zum Besseren. Sie ist nicht nur hübscher geworden und hat bessere Proportionen erhalten, auch das Motion-Capturing ist gut gelungen, bis auf die Tatsache, daß sie oft statt abzurollen die Füße mit eingeknickten Knien von oben aufsetzt, wie bei einer Kneippkur, der Augsburger oder der Klum-Puppenkiste. Das wirkt einfach zu deppert, wenn man flache Absätze anhat und sich sonst ganz sportlich bewegen kann. Aber vielleicht hat das ja jemand der Künstlerin dahinter, Mirka Pigulla, genauso abverlangt. Unsere beiden Hauptdarsteller lassen sich relativ flüssig auch in Eile versetzen, wenn man doppelklickt. Gelungen finde ich die Kopplung des Kopfes an die Mausbewegungen, so daß sich Sam und David immer genau auch das anschauen was wir mit unserem Cursor untersuchen.

Daß verschiedene Grafikteams eingebunden waren, bezeugen unähnliche Miniavatare in den eingeblendeten Dialogbereichen und die Zeichnungen der Zwischensequenzen. Gezeichnete und in eine animierte Abfolge gebrachte Zwischensequenzen gibt es in vielen Spielen. In der Regel folgen sie nicht einem ausdrücklichen, künstlerischen Gebot, sondern sind Ausdruck von Sparsamkeit und/oder dem Unvermögen, die gewünschten Szenen grafisch kongruent dem Ingame-Geschehen anzupassen. Diese wenig aufwendigen Zeichnungsfolgen, denen aber u.U. wichtige Informationen zu entnehmen sind, verwirren durch das unterschiedliche Aussehen von Personen gegenüber der Ingame-Grafik zum Teil stark, so daß es sogar zu Verwechslungen kommen kann. Dies ist der Erzählung selbst abträglich und verursacht einen deutlichen Abfall des vorher aufgebauten Identifizierungs- und Involvierungsgrades der Spieler. Zudem wird den Spielern durch die vielen Detailunterschiede zwischen den interaktiven Spielräumen und ihrer Darstellung in den Zwischensequenzen suggeriert, es handele sich um Träume - was die Spieler in die Irre führt.

Die Hintergrundgrafik präsentiert sich dagegen wohlgefällig, detailliert und meist realistisch, auch wenn die idyllischen Szenen weichgezeichnet sind oder mit impressionistischen Tupfern besonders stimmungsvoll gestaltet wurden. In diesen etwa 200 Szenenbildern (inklusive Nahansichten) sehen wir unsere Darsteller nie in Großaufnahmen, in den halbnahen Szenen oder Totalen erscheinen die Handelnden meist in der Seiten- oder Rückenansicht, so daß wir selten die Lippensynchronität überprüfen und damit auch nicht bemängeln können. Und in manchen Supertotalen ist man ja sowieso schon froh, wenn man seine Spielfigur überhaupt entdeckt. So hat man sich also geschickt um aufwendige Mimik und Lippenbewegungen gedrückt.

Nicht gedrückt hat man sich jedoch um 'Leben auf der Bühne'. Ich will darüber hinwegsehen, daß manche dialogfähigen Passanten oder Nebendarsteller auf ihren Positionen 'festgenagelt' wurden. Da wollte man es anscheinend den Spielern erleichtern, einen Ansprechpartner zu finden. Ich habe ungefähr 55 verschiedene Charaktermodelle gezählt, von denen etwa 45 anklickbar und ungefähr 30 dialogfähig sind. Eine kleine Schar von Passanten belebt Innenstadt und Park und auch die mehr oder weniger öffentlichen Räumlichkeiten sind keine Stilleben. Ein wenig erinnert Oxfords City Center aber an einen sauberen US-Filmpark, aber es kann ja durchaus sein, daß man dort aus touristischen Gründen die Fußgängerzone besonders intensiv schrubbt. So können sich wenigstens die zuschaltbaren Grafikfeatures, wie Spiegelungen und Schatten, dort richtig entfalten.

Soweit möglich, hat man auch stimmungsvolle Hintergrundanimationen eingebaut, wie sich im Herbstwind wiegende Bäume, dahinziehende Wolken, Kondensschwaden aus Gullys, Schmetterlinge oder einen Hobbyakkordeonspieler. Wenn man etwas wartet, fliegen weit entfernt Vögel durchs Bild und wenn man zwischen den Klängen der melancholischen Musik darauf achtet, hört man sie auch leise zwitschern. Umgebungsgeräusche und Soundeffekte wie Wind, weit entfernter Verkehr oder ein hallendes Kirchenschiff werden sehr dezent eingesetzt. Ich habe manchmal Schrittgeräusche vermisst oder ein leises Anschlagen von Wasserwellen bzw. ein hohles Ablaufgeräusch bei einer Großaufnahme im Schwimmbad.

Dafür hat man den Funktionen der Kopfzeile inklusive Inventarpfeilen, den Orten der Karte und dem Öffnen von Dokumenten Geräusche zugeordnet. Ein schönes Feature ist die leichte, animierte Vergrößerung der einzelnen Inventargegenstände bei Mausberührung, denn nur lesbare Objekte werden groß gezoomt, während der Rest an seinem Platz im Inventar betrachtet und beschrieben wird. Ich hätte mir gewünscht, daß sowohl die Kopf- als auch Dialogzeilen nicht innerhalb des Spielbildschirms eingeblendet würden, sondern in den beiden schwarzen Streifen ober- und unterhalb des Aktionsbereiches. Besonders bei Sams Zauberkunststücken, die durch Dialogzeilen begleitet werden, wird ein Teil der automatischen Action dadurch verdeckt.

Bei jedem Szenenwechsel haben wir eine mehr oder weniger lange Ladezeit abzuwarten. Wieso mir diese oft zu kurz war? Ein schönes Feature sind nämlich die Text-Einblendungen über wissenswerte Informationen zu allen möglichen Themen, die teilweise nur einfach eine kleine aber aufmerksame Dreingabe sind, manchmal aber durchaus auch eine Unterstützung fürs Rätseln. Manchmal brauchte selbst ich als Schnelleserin ein zweites oder drittes Auftauchen der Info, speziell, wenn es um Namen und Daten ging.

 

Musik/Sprache

Jane Jensens Ehemann Robert Holmes hat die Musik zu Gray Matter komponiert, wie vorher auch zur Gabriel-Knight-Serie. Wer die Collector's Edition erworben hat, kann die 22 melancholischen Gothic-Folk-Tracks auch außerhalb des Spiels genießen. Drei Lieder haben die Scarlet Furies beigesteuert, Holmes' Band. Die Texte zu zwei der drei gesungenen Titel stammen von Holmes' Tochter Raleigh, die sie übrigens auch singt. Wer mehr über die Scarlet Furies erfahren will, kann ihre Homepage aufsuchen: http://www.scarletfuries.com/

Auch das Casting, Dialogregie und Performance der Sprecher sind exzellent. Es freut mich, daß man sich für eine Crew von professionellen, aber unverbrauchten Stimmen entschieden hat und ich hoffe, daß Daniela Bette-Koch und Bernd Reheuser dem Protagonisten-Duo auch weiterhin Ausdruck verleihen werden. Auch ein Lob an die Übersetzer, besonders für den Begriff "Meisterhafte Inszenierung" ... welcher Kritiker könnte sich ihm entziehen? ;-)

 

Handhabung

Es traten keine technischen Fehler während der Installation und des Spiels auf meinem Rechner auf. Es hätte mich auch gewundert, wenn's so gewesen wäre nach dem Studium der Liste der Tester, die sich wie ein Who-is-Who der Adventure-Community liest. Mit einem Konfigurationsprogramm kann man vorab Auflösung und Grafikqualität einstellen. Ich habe die qualitativ höchste Stufe gewählt und dabei keine Performance-Probleme erlebt.

Das Hauptmenü birgt neben den üblichen Optionen wie Laden, Speichern, Grafik-und Soundoptionen noch eine Schnellinformation über die Steuerung von Gray Matter. Das Menü erreicht man während des Spiels mit der ESC-Taste oder über den Interaktionsbutton neben dem Inventar. Gray Matter kann grundsätzlich mit der Maus gesteuert werden, mit Ausnahme der Hotspot-Hilfe, die man mit der Leertaste erreicht. Gleich ein Wort dazu, da ich bekanntlich keine Freundin dieser eingebauten Belohnungskiller bin: Gray Matter birgt ein Verzögerungsmodul für die Hotspotanzeigen, wobei auch nicht alle Spots gleichzeitig angezeigt werden. Damit wird den Allzueiligen ein Schnippchen geschlagen, übrigens auch denen, die zu hastig den Bildschirm nach Informationen absuchen, wird die verzögerte Anzeige der Textbeschreibungen nicht schmecken. Die Hotspots enthüllen sich nur den Gelassenen und aufrichtig Interessierten. Der Cursor und seine verschiedenen Aktionsformen sind zudem klein und umrisshaft gestaltet. So stellt sich nach kurzer Spielzeit eine gewisse Ruhe ein und der hektisch ausfahrende Maustremor vergeht.

Wir können nicht zwischen verschiedenen Aktionen wählen, sondern bekommen sie vom Cursor vorgegeben. So müssen wir z.B. nach dem Ansehen eines Gegenstandes nochmals nachsehen, ob der Hotspot noch da ist und eventuell eine neue Aktion vorgibt. Unsere Charaktere versuchen, sich zu nahegelegenen Hotspots hinzubewegen, beschreiben ferngelegene jedoch aus dem Stand. Eine Besonderheit bei Gray Matter ist der Zaubern-Cursor, der immer erst nach einigen Gesprächsversuchen statt des Rede-Icons erscheint. Wir müssen dann aus unserem persönlichen Zauberbuch einen Trick auswählen, der auf die Situation paßt und dann in einem speziellen Zauberinterface die vorgegebene Anzahl von Handlungen auswählen. Sind sie in der richtigen Folge platziert, dann führt Sam den Trick automatisch aus. Im Gegensatz zu allen anderen Spezialansichten und Zooms, die über das Tür-Icon verlassen werden, beendet man die Zauberansicht mit dem Zauberstab. Einige Mausaktionen können alternativ per Taste ausgelöst werden, beispielsweise wird der Rätselfortschritt mit der Taste 'P' und die Karte mit der Taste 'M' eingeblendet. Fährt man mit der Maus an den oberen Bildschirmrand, so erscheint die Inventarleiste mit einem Menübutton, auf dem diese Funktionen mit winzigen Schaltflächen ebenfalls abgebildet sind.

Die Inventarbedienung weist eine kleine Besonderheit gegenüber der gängigen Methode auf: mit der linken Maustaste bekommt man entweder eine gesprochene Textbeschreibung des ausgewählten Gegenstandes oder kann sich ein Dokument oder mit Schrift versehenes Objekt vergrößert anzeigen lassen. Mit dem Mausrad steuert man dann den Vergrößerungsgrad und kann auch per Click&Draw Objekte verschieben, um sie besser lesen zu können.

Nun fragen Sie sich vielleicht, wie man die Objekte denn benutzt. Ein Klick mit der rechten Maustaste befördert sie auf eine geöffnete Handfläche rechts vom Inventar. Fahren wir anschließend mit der Maus auf einen Hotspot oder einen anderen Inventargegenstand, auf dem sich der Cursor ebenfalls in eine Hand in Seitenansicht verwandelt hat, dann kann man zumindest versuchen, das ausgewählte Objekt dort anzuwenden. Man fährt solange mit demselben Gegenstand fort, bis man die Auswahl mit der rechten Maustaste wieder zurückgelegt hat bzw. die Aktion gelungen ist. Sowohl das Inventar als auch die Dialogzeilen am unteren Bildrand verdecken einen Teil des Aktionsbildschirms. Man hätte sie besser in die ungenutzten schwarzen Bildbereiche verschoben.

Zur Speicherung stehen einem ganze 20 Speicherstellen zur Verfügung. Im Laufe des Spiels muß man sich überlegen, welche Speicherstände erhaltenswert sind und welche man überschreiben möchte. Die Begrenzung leuchtet mir nicht wirklich ein, ist die Speicherstandliste doch nicht unbeweglich gestaltet sondern scrollbar und Speicherplatz heute kein Argument mehr. Es werden 3-4 Speicherstände gleichzeitig angezeigt mit einem Screenshot, Kapitel, Ort, Datum, vergangener Spielzeit und Rätselfortschritt auf das Kapitel bezogen. Das zuletzt gespeicherte Savegame ist sofort zugänglich. Die Ladezeiten sind kurz, Videos überspringbar und Dialoge abzubrechen, das Verlassen des Spiels dauert ebenfalls nur Sekunden.

Die Bedienung ist trotz Tutorial am Anfang nicht in allen Teilen intuitiv. Sie geht auch nicht - siehe rechte Maustaste - sofort in Fleisch und Blut über. Die Funktionsbeschreibung des Menübuttons links neben dem Inventar wurde im Handbuch ganz ausgelassen, anderes nur knapp beschrieben, während man dem Zauberinterface hingegen übertriebene 8 von 40 Seiten gewidmet hat. 20 Savegames sind wenig für ein Spiel dieses Umfangs. Alles keine schwerwiegenden Anmerkungen, die ich somit zumindest erwähnt haben möchte, auch wenn ich insgesamt von einer komfortablen Steuerung spreche.

 

Rätsel

In jedem der 8 Kapitel muß einer unserer Protagonisten, Samantha übernimmt dabei den größeren Teil, verschiedene Aufgabenstränge bearbeiten. Wir gehen zum nächsten Kapitel über wenn die nicht-optionalen Aufgaben zu 100% erledigt sind. Die Aufgabenbereiche finden wir, leicht sprachlich verschlüsselt in unserer Ratselfortschrittsübersicht, die wir in der linken Ecke der Inventarzeile über einen kleinen Knopf öffnen können. In der Rätselfortschrittsübersicht finden wir auch jeweils die absolut erreichbare Punktzahl, die Punkte, die wir bisher erreicht haben und das Ganze auch in Prozent ausgedrückt. In einem Tagebuch können wir Dialoge und Kommentare nachlesen. Hinzu kommt eine Karte der Stadt Oxford auf der immer mehr Schauplätze eingetragen werden. Ein neuer Hauptschauplatz wird durch ein Blinken des Kartenknopfes signalisiert. Die Karte läßt uns nicht nur schnell zu den einzelnen Hauptschauplätzen wechseln, sondern beinhaltet auch eine Rätselhilfe der besonderen Art: Ist ein Schauplatz weiß umrandet und blinkt, dann hat man ihn noch nicht besucht. Ein goldener Schauplatz zeigt an, daß dort noch fortschrittsrelevante Dinge zu tun sind. Färbt sich sein Rand silbern, dann sind dort nur noch Bonuspunkte einzuheimsen. An einem grauen Schauplatz kann man keine Punkte mehr sammeln. Von den Tagesaufgaben gehört jeweils eine Aufgabe zum Bonusbereich, der nicht unbedingt 'abgearbeitet' werden muß. Ich muß gestehen, daß ich diesen meist als ersten auf 100% getrieben hatte.

Eigentlich hätte ich mir gewünscht, ja erwartet, daß es eine Fortschrittsanzeige über das gesamte Spiel gegeben hätte, die immer sichtbar gewesen wäre, also im traditionellen Sierra-Stil. Aber ich glaube, daß einige Kleinigkeiten mit der Zählung nicht ganz auskommen, so daß man es bei der kapitelweisen Anzeige belassen hat. Beispielsweise hüpfte mein Bonuskonto im 2. Kapitel sofort auf 100% hoch, als ich Blumen in die Vase in Sams Zimmer stellte (übrigens ohne Wasser, obwohl es daneben stand). Eigenartigerweise behielt ich den Blumenstrauß noch im Inventar und dachte schon - oh, oh! Aber eingedenk der vielen Betatester verscheuchte ich das unangenehme Gefühl und konnte die Blumen auch tatsächlich noch woanders platzieren, so daß sie wirklich verschwanden. Trotzdem blieb es bei meinen 100% Bonuspunkten und die Karte zeigte mir sogar an, daß es irgendwo noch mehr davon zu holen gab.

Daß man statt einer offenen Gesamtpunkteanzeige in eine versteckte Kapitelanzeige geflüchtet ist, die im Prinzip dauernd im Auge behalten werden muß, um das Spiel im Sinne einer Spielhilfe zu begleiten, halte ich nicht für ganz glücklich gelöst. Mir fehlt auch deshalb eine Gesamtpunkteanzeige, weil ich gerne das Resümee meines Spiels gezogen hätte, nämlich, ob ich tatsächlich die gefühlten Bonuspunkte aller Kapitel erworben habe.

Die Rätsel selbst sind sehr abwechslungsreich und gut aus der Geschichte abgeleitet, wenn man auch anmerken kann, daß der Rätselstrang um den Zugang zum Zauberclub in der Form einer Schnitzeljagd prinzipiell jedes beliebige Rätsel hätte beinhalten können. Dinge müssen gefunden und kombiniert werden. Menschen befragt und Zusammenhänge aus den gegebenen Informationen abgeleitet werden, Code-, Text-, Zuordnungs-, Logik- Bild-, Anagrammrätsel, Minipuzzles und ein Pseudolabyrinth gelöst werden. Dazu kommen die kleinen Zauberaufgaben von Sam. Mehrmaliges Aufsuchen aller relevanten Orte ist dabei Pflicht, da sich neue Aktionen, neue Zugänge und neue Gesprächsthemen ergeben können. Die 5-6 Rätselstränge eines Tages sind nichtlinear angelegt und zumindest in Teilen parallel lösbar. So passiert es selten, daß man ins Stocken kommt. Ich war allerdings ein wenig über die Linearität eines der Zauberclubrätsel erstaunt. Prinzipiell kannte ich die Endlösung bereits zu Beginn, mußte aber per Schnitzeljagd den Ort finden, wo ich sie anbringen konnte. Ich kannte den nächsten Ort, durfte aber nicht weitermachen, weil nach mehrmaligem Klicken die Antwort kam, daß Sam das Rätsel erst am nächsten Tag lösen könne. Das hat mich nicht wirklich zufrieden gestellt.

Es gibt kein GameOver und keine zeitabhängigen Rätsel, keine Actionelemente, keine Schiebe-oder Apparaterätsel. Der Schwierigkeitsgrad variiert zwischen leicht und mittelschwer. Zwei oder drei etwas undurchsichtigere bzw. komplexere Aufgaben heben sich durch ein höheres Rätselniveau ab, jedoch gibt es keine harten Nüsse, die man eigentlich nur per Komplettlösung ergründen könnte. (Wer die Einzelbegriffe des etwas undeutlichen zweiten Rebus aus Kapitel 6 wissen möchte, darf sich gerne melden.) Meinen einzigen, allerdings dafür gleich zweistündigen Aufenthalt hatte ich an einer Stelle in Kapitel 7, als ich es versäumte, ein bestimmtes Objekt erneut zu untersuchen. Meine Spielzeit betrug deshalb 22 Stunden. Weniger erfahrene Spieler mögen etwas länger brauchen. Zur Erfahrung gehört übrigens auch zu wissen, daß wenn man die Telefonliste nicht mit der Kondolenzkarte vergleichen kann, es vielleicht mal andersherum versuchen sollte.;-) Wie man sieht, die Rätsel sind nicht zu vergleichen mit der Komplexität von Gabriel Knight 3, machen aber trotzdem endlich auch mal wieder einem alten Hasen richtig Spaß.

 

Besonderes

Gray Matter kann auch in der englischen Originalversion gespielt werden.
Eine Collector's Edition in einer Metall-Kunststoffbox wurde zusätzlich mit einem Gray-Matter-Kartenspiel, einem Poster, dem Original-Soundtrack und 5 Gray-Matter-Postkarten ausgestattet und ist gleichzeitig mit der Standardversion erschienen.

 

Fazit

Ein tolles Comeback ins Genre für Jane Jensen. Wer kann schon Mystery-Geschichten wie sie erzählen? Ich möchte ehrlich gesagt gar nicht wissen, wieviele Leute versucht haben, ihr dreinzureden und einfach glauben, daß sie diese Hotspotanzeige genausowenig mag wie ich. Doch ihr Stil bleibt glücklicherweise unverkennbar. Was würde das Team wohl mit einem größeren Grafikbudget machen ...
Abzüge bei der intransparenten Punktevergabe und in den Bereichen Grafik und Handling können der stimmigen, fesselnden Story und dem großen Rätselspaß, den beiden Säulen des Adventuregenres, nicht den Rang ablaufen.

 

 Meine Gesamtbewertung: 93%

 

 

Bewertungssystem Adventure-Archiv:

  • 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
  • 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
  • 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
  • 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
  • 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
  • 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)

 

Minimale Systemanforderungen:

  • Windows XP/Vista/7 
  • mit .Net.Framework 2.0 (enthalten)
  • 1,4 GHz Pentium 4 oder vergleichbarer Prozessor
  • 512 MB RAM (XP) / 1 GB RAM (Vista/7)
  • 128 MB DirectX9-kompatible Grafikkarte (Shader 2.0) - ab ATI Radeon 9800 Pro, NVidea Geforce 6200TC und Intel GMA X3200
  • 16 Bit DirectX9-kompatible Soundkarte
  • 6,5 GB freier Festplatttenspeicher
  • DVDROM-Laufwerk
  • Maus, Tastatur

 

gespielt mit:

  • Windows XP
  • Pentium IV 3,6 GHz
  • 2 GB RAM
  • 48x DVD-ROM
  • NVidia GeForce 7600GS 256 MB
  • Soundkarte DirectX-kompatibel

 

Copyright © slydos für Adventure-Archiv, 21. November 2010

 

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Optionsmenü
Optionsmenü

 

Oben die Inventarzeile mit dem Funktionsbutton links und dem 'eiskalten Händchen' zur Objektauswahl rechts
Oben die Inventarzeile mit dem Funktionsbutton links und dem 'eiskalten Händchen' zur Objektauswahl rechts

 

Sam macht sich mit Dread Hill vertraut
Sam macht sich mit Dread Hill vertraut

 

Der Dialogbereich wird am unterne Bildrand eingeblendet. Hier gibt ese übrigens was zu essen.
Der Dialogbereich wird am unterne Bildrand eingeblendet. Hier gibt ese übrigens was zu essen.

Ein Leihhandy - natürlich gehört es zur Rätselausrüstung
Ein Leihhandy - natürlich gehört es zur Rätselausrüstung

 

Das 'Black Wand' und sein Besitzer Mephistopheles
Das 'Black Wand' und sein Besitzer Mephistopheles


Das Tutorial schaltet sich bei neuen Funktionen immer wieder ein
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Das Panorama von Oxford vom Carfax Tower aus
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Der 'Club der Lämmer', wie sich die Versuchskaninchen selbst bezeichnen
Der 'Club der Lämmer', wie sich die Versuchskaninchen selbst bezeichnen

 

So sehen die automatischen Zwischensequenzen aus. Hier: Sam recherchiert über Dr. Styles
So sehen die automatischen Zwischensequenzen aus. Hier: Sam recherchiert über Dr. Styles

 

Ein weiteres Beispiel einer Zwischensequenz
Ein weiteres Beispiel einer Zwischensequenz

 

Und hier noch eins
Und hier noch eins

 

David und das Objekt seiner Begierde
David und das Objekt seiner Begierde

 

In seinem Privatlabor kann Styles es sich im Salzwassertank gemütlich machen
In seinem Privatlabor kann Styles es sich im Salzwassertank gemütlich machen

 

Das Tagebuch ermöglicht auch, Filmsequenzen zu wiederholen
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Viel Spaß bei der Namensfindung :)
Viel Spaß bei der Namensfindung :)

 

Eigentlich müßte man hier das Wasser rauschen hören
Eigentlich müßte man hier das Wasser rauschen hören

 

Die Grinsekatze hält ein Rätsel bereit
Die Grinsekatze hält ein Rätsel bereit

 

Idylle im Herbstpark
Idylle im Herbstpark

 

as Experiment
Das Experiment

 

Die Karte
Die Karte

 

Da haben sich wohl einige Entwickler verewigt: rechts unten Designer Dinga Bakaba
Da haben sich wohl einige Entwickler verewigt: rechts unten Designer Dinga Bakaba

 

Ein Studentenzimmer in St. Edmund Hall
Ein Studentenzimmer in St. Edmund Hall

 

Ein Spiegelkabinett muß durchquert werden
Ein Spiegelkabinett muß durchquert werden

 

Mmh ... ein Fortsetzungshinweis?
Mmh ... ein Fortsetzungshinweis?

 


 

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