Azraels Tear

“Jetzt hab‘ ich die ewigen Widerworte aber satt“, sagte Klaus und sperrte Martin Mirbach eine Woche lang im Keller ein.

Jeder wünscht sich ein langes Leben, aber niemand wird gern älter. Vielleicht hilft da ja der heilige Gral. Christlichen Mythen zufolge handelt es sich hierbei um das Gefäß, in dem das Blut des gekreuzigten Jesus aufgefangen wurde. Jedem, der daraus trinkt, verheißt die Legende ewiges Leben. Kein Wunder also, daß sich immer wieder Archäologen und Abenteurer auf die Suche nach dem Relikt begeben haben. Keiner konnte es bisher finden, sogar die berühmten Ritter der Kokosnuß sind letztendlich an dieser Aufgabe gescheitert.Was vielleicht an ganz anderen Rittern liegt, den Rittern des Templerordens nämlich. Sie sollen angeblich den Gral in ein sicheres Versteck gebracht und dort bewacht haben.
Die Existenz dieses Ritterordens ist übrigens historisch verbürgt, er wurde jedoch verboten, weil es sich dabei um angeblich sehr rauhe Burschen handelte, die schließlich die Weltmacht an sich reißen wollten. So dachten alle, der Orden wäre zerschlagen, doch jetzt beweist uns Mindscape das Gegenteil. In Azraels Tear bewahren die letzten Ritter den Gral vor der Gier brutaler Grabschänder.

Eine Welt am Abgrund
AzraeIs Tear spielt im nächsten Jahrtausend. Die Welt ist vollkommen aus den Fugen geraten, Naturkatastrophen erschüttern die Menschheit. Dabei kommen historische Dokumente zu Tage, die ein ganz neues Licht auf unsere Zivilisation werfen. Es werden Hinweise auf sagenhafte archäologische Schätze gefunden, unter anderen auch auf den heiligen Gral. Geborgen werden diese Schätze meist von einer ganz neuen Spezies der Archäologen, Raptoren genannt. Diese Raptoren verfügen über eine Hi-Tech Ausrüstung, inklusive Bewaffnung, Ortungssystem und Zugriff auf eine riesige Bibliothek über das Display ihrer Helme, die sie allen anderen Forschern überlegen macht.


ln Azraels Tear übernehmen Sie die Rolle eines dieser Raptoren und begeben sich in ein riesiges unterirdisches Gewölbe, auf der Suche nach dem heiligen Gral.Wenn Sie erstmals durch die finsteren Gänge schleichen, werden Sie sich vermutlich an ein berühmtes 3-D-Ballerspiel mit vier Buchstaben erinnert fühlen. Auch hier kreuzen Monster Ihren Weg, und man weiß nie genau, was einen hinter der nächsten Ecke erwartet. Bei den Monstern handelt es sich allerdings um Dinosaurier, die nur deswegen noch leben, weil sie am Gralstein geschleckt haben. Und bei Azraels Tear handelt es sich nicht um ein Ballerspiel, sondern um ein Adventure. Um ein überaus gelungenes Adventure sogar. Die Rätsel haben es in sich und man trifft auf allerlei seltsame Gestalten. Die letzte Handvoll Tempelritter erweist sich zwar als ausgefuchst, aber nicht sehr furchterregend. Das mit dem ewigen Leben mag ja geklappt. haben, aber die knapp tausend Jahre sieht man den Opas schon an.Trotzdem ist nicht einfach, ihnen in den Dialogen Geheimnisse über den Gral zu entlocken.

Eine Frage der Artikulation
Neben dem fulminaten Spielspaß besticht Azraels Tear vor allem durch seine Grafiken, und das auch auf nicht mehr ganz jungen Rechnern. Eine variable Auflösung schaltet während er Bewegungen automatisch einen Gang runter und besticht erst dann wieder durch vollkommene Tiefenschärfe, wenn man anhält und seine Umgebung etwas genauer betrachtet. Das entlastet den Prozessor.
Auch sonst haben die Programmierer tief in die Trickkiste gegriffen, um einen flüssigen und gleichzeitig gutaussehenden Spielablauf zu gewährleisten. Details würden an dieser Stelle zu weit führen, dennoch: Der Versuch ist geglückt. Geglückt ist auch die innovative Steuerung, die man schon nach wenigen Spielminuten nicht mehr missen möchte. Etwas weniger gut weiß der Soundtrack zu gefallen, und völlig in die Hose ging die deutsche Lokalisierung. Dafür gibt‘s den Punktabzug und eisiges Schweigen.

NOVEMBER 1996 PC POWER 82%


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