Die Atlantis-Serie geht jetzt mittlerweile auch schon
in die fünfte Runde. Dabei hält sie sich, sicher nicht zu Unrecht, schon so lange
denn während die Qualität vieler anderer von der Firma veröffentlichte Adventures bei
den Spielern umstritten war, war sie doch eine der Vorzeigeserien des längst
dahingeschiedenen Cryo-Labels. Wegen der Pleite hat sich das Team daher unter dem Namen
Atlantis Interactive Entertainment neu formiert und mit dem vierten Teil einen eigentlich
ordentlichen Nachfolger produziert. Grafisch einwandfrei, gab es beim Vorgänger von
Atlantis 5 jedoch noch Anlass zur Kritik wegen einiger Schwachpunkte bezüglich der
Aufgaben bzw. wegen des übermäßigen Einsatzes von recht frustrierenden Actionelementen.
Allerdings hat man die Kritiken wohl berücksichtigt und das Rätseldesign runderneuert.
Bei der Gelegenheit hat man auch direkt wieder mal ein paar Veränderungen vorgenommen.
Scheinbar wollte man den Kritikern zeigen, was man kann. Recht so! Denn herausgekommen ist
mit dem fünften Teil ein Spiel, wie es besser kaum sein könnte.
Handlung
Die Gestaltung des Covers erinnert an eine Mischung aus Indiana
Jones und einem Filmplakat aus den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts, da es ja
auch im Jahr 1937 spielt. Irgendwo dazwischen kann man Das heilige
Vermächtnis" auch einordnen. Auf der Hindenburg, dem wohl bekanntesten Luftschiff,
das je erbaut wurde, befindet sich Howard Brooks, einer der Ingeneure des Gefährts. Der
smarte Brooks ist unterwegs auf der Suche nach der berühmten Archäologin Sullivan und
genießt die Reise im luxuriösen Aufenthaltsraum. Plötzlich stoppen die Maschinen und
die Passagiere werden in ihre Kabinen gebeten. Als Brooks sich den Schaden ansehen will,
wird er von zwei Männern überfallen, die ihn niederschlagen. Nachdem er wieder zu sich
gekommen ist, findet er einen verletzten Mann vor, der ihm erzählt, dass er im Empire
State Building bereits erwartet wird. Das ist nur der Anfang, denn Howard Brooks
verschlägt es im weiteren Verlauf in fast alle Teile der Erde. Das Spiel endet in einem
recht bombastischen Finale, das aber - wie in der letzten Zeit viele Spiele - noch Fragen
unbeantwortet lässt. Somit dürfte klar sein, dass es mindestens einen weiteren
Nachfolger geben wird.
Allen Atlantis-Spielen gemein war bisher immer die fantastische,
völlig irreale Handlung. Im fünfte Teil bleibt diese in der ersten Hälfte über große
Strecken erstaunlich realistisch. Das Spiel fängt wie eine spannende Agentenstory im
Stile von Indiana Jones oder vielleicht auch James Bond an, um erst allmählich in
atlantische Fantasiewelten überzugehen. Dabei ist der Aufbau des Spiels ausgesprochen
rasant und dynamisch und unseren Helden treibt es von einem Ort zum nächsten. Somit ist
das Spiel in viele kleine Abschnitte, quasi Kapitel, unterteilt, was ihm eine ziemliche
Linearität gibt.
Das besondere an der Serie ist, dass zwar überall der Name Atlantis
draufsteht, die Spiele aber jeweils mehr oder weniger über eine komplett abgeschlossene,
eigenständige Handlung verfügen. Dabei hat man vermieden, zu vermerken, dass es sich
bereits um den fünften Teil handelt. Vielleicht aus taktischen Gründen - Welcher
jugendliche Nachwuchszocker will schon den x-ten Teil einer Serie kaufen, welche schon
seit ewig und drei Tagen auf dem Markt ist?
Rätsel Vom Saulus zum Paulus
Hurra, die nervigen Actionelemente sind weg! Das Herstellerteam hat
tatsächlich die doch von fast allen Seiten recht einheitlichen Kritiken bezüglich der
Aufgaben sprich des hektischen Gerennes im letzten Teil berücksichtigt. Zwar werden
einige Fehler des Spielers in Das heilige Vermächtnis" später auch bestraft.
Man kann also nach wie vor an ein paar Stellen sterben bzw. man muss eine Sequenz bei
Misslingen wiederholen. Allerdings halten sich diese Aufgaben in Grenzen. Sie sind auch
nicht frustrierend, sondern machen sogar richtig Spaß. Denn das Spiel bleibt dabei
generell fair und vor allem ist man dabei nicht frustriert. Öfters zu speichern ist daher
aber nach wie vor sinnvoll, damit man auf der sicheren Seite steht.
Los geht´s schon direkt nach dem Intro erst mal mit einfallsreichen
Mechanikrätseln. Nach der Hindenburg müssen wir also das Empire State Building Etage
für Etage erkunden. Das erinnerte mich ein wenig an Beneath a Steel Sky" wo es
ja einen ähnlichen Aufbau gab. Wobei man hier eine Idee hatte, die im wahrsten Sinne des
Wortes verirrend" gut ist: Die Fahrstühle sind defekt und so landet man statt
in der richtigen Etage in einer anderen. Also muss man es sich gut merken, wo man
auskommt, oder - wenn das Gehirn (wie meines) ein wenig vom Lochfraß angegriffen ist wie
die Waschmaschinen von Dieter Bürgi - Notizen machen.
Aber das ist natürlich nicht alles, denn in jeder Etage gibt es
Büros, Menschen, die im Gebäude arbeiten usw.. Es geschieht immer wieder Neues in den
Etagen. Und so wird die Handlung vorangetrieben, die Brooks in die verschiedenen Etagen
führt.
Derart fantasievoll geht es weiter. In einem Tempel müssen
Lichtstrahlen in die richtigen Bahnen gelenkt werden. In einem Bienenstock werden dessen
emsige Bewohner kurzerhand zu Spielfiguren umfunktioniert. Es gibt Dekodierungs- und
Schiebepuzzles. Man muss seine Kontrahenten im Poker strategisch schachmatt"
setzten. usw. Es gibt wirklich massig Rätsel und diese machen richtig Spaß, da
eigentlich immer klare Zielsetzungen statt schwammiger Aufgabenstellungen dominieren. Die
Aufgaben sind bestens ins Spielgeschehen integriert, durchdacht, mal mehr und mal weniger
schwer, aber fast immer gut lösbar. Ich habe dabei fast das komplette Spiel ohne Lösung
gespielt.
Gegenstände, die zunächst nicht angezeigt werden, da sie noch
keine Bedeutung im Spiel haben, können später noch relevant werden. Also muss man sich
die Umgebung immer genau anschauen, auch wenn man schon alles gesehen hat.
Grafik
Über den Spielspass der vier Vorgänger hat jeder Spieler sicher
seine eigene Meinung. Ziemlich unbestritten hingegen dürfte die grafische Qualität der
Spiele sein. Denn diese wurde im Laufe der Zeit immer wieder verbessert und so wurden
dabei teilweise neue Maßstäbe nicht nur innerhalb des Genres gesetzt.
Und auch "Atlantis - Das heilige Vermächtnis" sieht
wieder ausgesprochen chic aus, wobei es erneut ein paar Veränderungen gegeben hat. Es
wurde dem Spiel ein (wenn auch nur geringer) comicartiger Einschlag verpasst. Das betrifft
zum Beispiel einige Figuren, die im Erscheinungsbild jetzt ein wenig an Superhelden-Comics
erinnern. Der Comiclook wird zum anderen noch dadurch verstärkt, dass die Dialoge in Form
einer Sprechblase dargestellt werden. Und auch andere Elemente wie die Inventarleiste sind
in diesem Stil gehalten. Unser Held kommt, im Gegensatz zu seinem eigentlichen Aussehen,
im kleinen Dialogfenster etwas ungesund grünlich, zombiemäßig rüber. Das sieht aber
trotzdem ziemlich cool aus.
Die Art wie das eigentliche Spiel, also die Umgebung präsentiert
wird, liegt wieder auf dem hohem Niveau der Vorgänger. Dabei passen die Figuren wunderbar
zu den filmreifen Hintergründen, in denen man sich wie immer um 360° frei bewegen kann.
Die zahlreichen Zwischenfilme sind gewohnt rasant inszeniert, wobei neben den im Vollbild
ablaufenden Sequenzen noch etliche Szenen wie etwa Dialoge in einem kleinen Fenster
gezeigt werden. In Atlantis 5 treffen wir übrigens recht viele Charaktere und es können
auch ebenso viele Gespräche geführt werden, wodurch dem Spiel im Gegensatz zu manch
anderem Ego-Adventure viel Lebendigkeit verpasst wird. Hinzu kommt, dass die Charaktere
auch immer mit menschlichen Eigenschaften versehen werden: Brooks blättert verstohlen im
Kama Sutra oder shakert ein Ründchen mit seiner späteren Begleiterin, der Archäologin
Kate.
Die Grafik vermittelt anfangs thematisch den Flair von Filmen wie
etwa Casablanca. Zu sehen sind zunächst reale Locations wie besagte Hindenburg oder das
Innere des Empire State Buildings. Die bombastisch anmutende Atmosphäre hat mich ein
wenig an das alte Cryo-Spiel Gadget erinnert, wobei das Spiel in der ersten Hälfte die
unterkühlte und stylische Atmosphäre des gigantischen Bauwerks und des Fluggeräts
ausstrahlt. Später wechselt die Umgebung und wir befinden uns z.B. auf einem Hausboot in
China oder in Indien. Die spätere orientalische Umgebung erinnert wiederum an die
Egypt-Serie. Bei der Landschaft um den indischen Tempel und an Deck des chinesischen
Hausboots habe ich erst einmal gestaunt, wie perfekt die Umgebung hier umgesetzt wurde.
Sie sieht auf den ersten Blick, abgesehen von der übersteigerten Farbgebung, fast echt
aus. An Deck der chinesischen Kaschemme ziehen Boote vorbei. Man sieht die Umrisse von
Personen, die sich hinter den dünnen Wänden bewegen. Lampions wackeln im Wind und auch
die Wellen des Wassers wurden gekonnt animiert.
Sound
Genauso erstklassig wie bisher ist auch wieder die musikalische
Umsetzung. Auch im fünften Teil präsentiert sie sich wieder perfekt, wobei sie nach wie
vor bombastisch und orchestral klingt. Aber im Gegensatz zu den Vorgängern - etwa dem
dritten Teil mit seinen treibenden und dominierenden Technoelementen oder den Tribaldrums
des zweiten Teils - rückt die Musik in Atlantis 5 etwas mehr zur Unterstützung der
jeweiligen Situation in den Hintergrund. Ebenfalls sehr gut fand ich die Auswahl der
Sprecher, die teilweise über sehr markante Stimmen verfügen.
Handling
Schön, dass ich in der letzten Zeit immer das Gleiche schreiben
muss: Auch bei Atlantis ist die Steuerung per Point+Click einfach und einwandfrei. Wie bei
Spielen dieser Art gewohnt, verändert sich der Cursor, je nach Aktionsmöglichkeit.
Stilisierte Fußschritte zeigen an, wo es lang geht. Ein Zahnrad ist das Zeichen, dass man
an der Stelle was benutzen kann. Per Rechtsklick öffnet sich das Inventar und mit
derselben Taste können einige Notizen im Inventar betrachtet werden. Mit Links benutzt
man dann die Gegenstände und auch alle Hotspots im Spiel, soweit möglich.
Verschiedene Dialogmöglichkeiten werden wie immer durch kleine
unterschiedliche Symbole dargestellt. Bereits getätigte Gespräche sind dadurch zu
erkennen, dass sie blasser dargestellt werden, können aber beliebig oft wiederholt
werden, falls man das Gesprochene noch einmal hören möchte.
Ins Menü kommt man mit der Escapetaste. Dort findet man dann alle
wichtigen Funktionen übersichtlich vor. Beim Sound kann man Sprache, FX, Musik und
Gesamtlautstärke getrennt voneinander regeln - prima! Die neun Spielstände reichen bei
dem recht linearen Spiel völlig aus. Neben den anderen üblichen Funktionen wie Laden,
Beenden, Grafikqualität usw. kann man noch auswählen, ob man das Spiel lieber in der
Bildschirmgröße 3:4 oder 16:9 spielen möchte.
Weiter fällt ausgesprochen positiv auf, dass alle Wege gut zu
erkennen und überschaubar sind. Auch das Menü ist übersichtlicher geworden, da es nicht
mehr wie in den Vorgängerspielen aus Symbolen besteht. Es gab übrigens während meines
Spiels trotz prächtiger Grafik und meinem nur mäßig aktuellem Rechner keine Ruckler,
kein Aufhängen des Spiels oder sonstige Schwierigkeiten.
Fazit
Ganz großes Kino! Die Atlantis-Serie war immer für eine
Überraschung gut. Dem "Heiligen Vermächtnis" gelingt das dieses mal mit einer
Story, welche anfangs zumindest theoretisch tatsächlich realistisch sein könnte. Denn
Personen wie Greta Garbo oder die anfänglichen Schauplätze gibt bzw. gab es ja
tatsächlich. Allerdings wirkt die fantastische Handlung schon wieder völlig abgedreht:
Ein Mensch, der auf der Suche nach Atlantis auf der Hindenburg mit einer Propellermaschine
überfallen wird, anschließend im Empire State Building rumirrt, um dann mit besagtem
Zeppelin nach China zu einem Hausboot, nach Indien und sonstwohin fliegt! So was kann nur
den kranken Vögeln von Atlantis-Interactive einfallen! Und schließlich driftet die Story
ja auch in gewohnt atlantische Sphären ab. Klasse!
Das Ganze wird natürlich auf grafisch gewohnt hohem Niveau
präsentiert. Dabei variiert das Erscheinungsbild vom stylischen Art Deco-Design der 30er
über Tempelanlagen bis zu eher natürlichen, oftmals berauschend aussehenden
Landschaften. Viele Elemente im Hintergrund wie Wasser und Personen sind aufwändig
animiert, was dem Spiel sehr viel Lebendigkeit verleiht und es stellenweise fast
echt" wirken lässt. Es gibt zahlreiche rasante Zwischensequenzen, welche
ebenfalls gekonnt in Szene gesetzt worden sind und dem Spiel die nötige Abwechslung
verleihen.
Auch sonst kommt der fünfte Teil frisch und unverbraucht rüber.
Dazu trägt auch wieder die gewohnt gute Musik in cineastischer Qualität bei. Besonders
die 'zum Sterben schönen' Rennpassagen des Vorgängers wurden durch einen treibenden
Handlungsaufbau ersetzt, der Dynamik vermittelt, sowie durch durchdachte, fantasievolle
sowie abwechslungsreiche und logische Rätsel. Atlantis Interactive ist mit Das
heilige Vermächtnis" der vielleicht beste Teil gelungen und somit ein weiteres
Highlight in diesem nicht mehr allzu lange dauernden Jahr.