Amber - Reisen ins Jenseits

Normalerweise singt Martin Mirbach beim Schlafwandeln alte Seemannslieder. Bei seinem Ausflug ins Totenreich verhielt er sich aber mucksmäuschenstill. Neulich, während unserer Redaktionskonferenz, hielt Klaus wieder einen seiner berühmten Monologe. Sie müssen wissen, daß sich diese enormen Wortschwalle immer auf einem konsequent gleichmäßign Betonungslevel bewegen und seltener weniger als 45 Minuten in Anspruch nehmen. So kam es, daß ich kurzzeitig eingenickt sein muß. Die Kollegen behaupten zwar, ich hätte tief geschlafen, laut geschnarcht und wäre schließlich sogar mit dem Kopf auf die Tischplatte geknallt. Anm. des Chefschnarchers: Was sie Dir nicht verraten haben: Dein Schnarchen wurde teilweise noch von anderen Geräuschen und nachfolgenden Gerüchen begleitet, die wiederum dazu führten, daß wir fluchtartig den Raum verließen. Das stimmt aber gar nicht, eigentlich war ich in dieser Phase hoch konzentriert. Ich habe versucht, mich meditativ in einen todesähnlichen Schlaf zu versetzen um mich so besser in die Welt eines neuen Adventures, aus dem Hause NBG hineinzuversetzen. Aber Sie wissen ja, wie das ist mit lästernden Kollegen...


Komisch, mein Schreibtisch sieht nie so aufgeräumt aus

Wie so oft in diesem Genre, starten Sie auch bei AMBER vollkommen unbedarft und ahnungslos. Sie erhalten eine E-Mail, in der Sie von einem Freund gebeten werden, sich um eine gemeinsame Bekannte zu kümmern. Der Name dieser Bekannten lautet Roxy und sie ist zur Zeit damit beschäftigt, mit Hilfe eines neuen technischen Geräts paranormale Aktivitäten in einem abgelegenen, alten Landhaus aufzuspüren.
Ihr Freund hält diese Experimente für ziemlich riskant, und scheinbar teilen Sie diese Auffassung. Da Sie Roxy angeblich noch von einem früheren gemeinsamen Projekt her kennen und um ihren Wagemut wissen, machen Sie sich sofort auf den Weg. Hier beginnt das eigentliche Spiel, in dem Sie sich zunächst einmal zusätzliches Wissen erarbeiten müssen. Nachdem sich in aller Ruhe in dem von Roxy angemieteten Haus umgesehen haben, wird Ihnen aber schon einiges klar. Sie erfahren die wesentlichen Dinge über Roxy und ihr Projekt und lernen, mit einigen von ihr entwickelten technischen Geräten umzugehen. Ich verrate Ihnen auch nicht zuviel, wenn ich sage, daß Roxy versucht hat, Ihr Bewußtsein auf die Astralebene zu bringen, um so mit den beiden Geistern, die sie im Haus vermutet, Kontakt aufnehmen zu können.


Die nächtliche Stille rund um das ländliche Anwesen
sollte Sie nicht allzu sehr in Sicherheit wiegen


Vor lauter Ungeduld verzichtete sie bei diesem Experiment sogar darauf, die Lieferung eines stärkeren Bauteils für ihre Maschine abzuwarten. Denn eins durfte auf gar keinen Fall passieren: Sollte es zu einem Kurzschluß kommen, während sie sich noch auf der Astralebene befindet, wäre ihr Geist in der anderen Dimension gefangen. Als Spieler brauchen Sie etwa eine halbe Stunde, um
herauszufinden, daß genau dieser Fall angetreten ist. Sie finden Roxy ohne Bewußtsein in in der Garage, ihre letzten Worte auf einem zuvor aufgenommenen Videoband lauten "Roxy out".


So geht's jedem, der unserem Chefred. länger als zehn Minuten lang zuhört

Die Idee, eine Geschichte um junge Wissenschaftler zu stricken, die sich bewußt in einen künstlichen Todesschlaf versetzen, ist nicht erst seit Flatliners etwas abgegriffen. Arndererseits braucht man natürlich irgendeinen Einstieg, um mit dem Jenseits in Kontakt zu treten, und in technischer Hinsicht ist AMBER bestimmt nicht schlecht umgesetzt. Die Grafiken benötigen eine 16-bit Farbtiefe und sehen dann auch sehr gut aus, besser sogar, als die Screenshots auf diesen Seiten vermuten lassen. Schöne Videos, eine stimmige Geräuschkulisse und gute Sprecher runden den ordentlichen Eindruck ab. Auch die Steuerung und die Handhabung des lnventars verlassen sich ganz auf bewährte Wege: Man klickt sich von Bild zu Bild, der Cursor verändert sein Aussehen sobald ein Gegenstand untersucht werden kann und sogar die Gegenstände im Inventar blinken kurz auf, wenn man sich um sie kümmern sollte.


Das Ding auf dem Tisch ist nur eine von vielen absonderlichen Erfindungen


So weit, so gut. Worauf es aber bei einem Adventure ankommt, ist die Spielbarkeit. Und hier hapert es leider bei AMBER. Zwar bewegt sich die Fairness der Rätsel immer im grünen Bereich, was aber eklatant stört, sind die Längen im Spiel. Man hat sich bei AMBER bewußt dagegen entschieden, eine Karte zu integrieren, deren Hilfe der Spieler zuvor besuchte Orte erneut aufsuchen kann. Laut Handbuch meinen die Entwickler, "daß das die Atmosphäre des Spiels stört". So aber ist es mehr als ärgerlich, wenn man zum Beispiel wiederholt durchs Haus hetzen muß, um etwas in einer Bedienungsanleitung nachzulesen. Denn einfach ins Inventar packen und mitnehmen kann man das Teil auch nicht. Und wie Sie unschwer aus dem Kasten ersehen können, gibt es viel zu lesen in AMBER.Wohl dem, der über ein fotografisches Gedächtnis verfügt.


Das mobile Peek mißt
paranormale Aktivität

Der PC ist kein Problem, meinen

Sie? Dann finden Sie mal das
Paßwort ...

Das BAR erfüllt den gleichen
Zweck wie das Peek, ist jedoch
genauer und nur stationär einsetzbar

Noch schlimmer sind die Phasen, in denen der Spieler zu totaler Untätigkeit verurteilt wird. Es kann nämlich passieren, daß plötzlich ein Gegenstand aus dem Inventar aufblinkt. Nimmt man ihn in die Hand, treten bestimmte Abläufe in Gang, in die man aber nicht mehr eingreifen kann.
Keine Anm. des Chefzweideutigkeitenliebhabers, der ist vor Lachen vom Stuhl gefallen.
Solche selbstlaufenden Sequenzen dauern mitunter mehrere Minuten und können ganz schön am Geduldsfaden zerren. Hat man bei den Wegen doch zumindest die Möglichkeit, auf die Einblendung der Ubergänge zu verzichten, gibt es hierbei nichts zu tun als abzuwarten.


Auf der Videokassette, die Roxy von ihrem Ausflug ins Totenreich
aufgenommen hat, befinden sich wichtige Informationen

Was ist nun von AMBER zu halten? Man sieht dem Spiel schon auf den ersten Blick an, daß die Entwickler sehr viel Enthusiasmus und Herzblut eingebracht haben. Auch wer sich sonst nicht für Parapsychologie und spirituelle Zusammenhänge interessiert, wird schnell merken, wie gründlich hier recherchiert wurde. So braucht sich also weder die Storyline noch die technische Umsetzung hinter so berühmten Vorbildern wie Shivers oder Lighthouse zu verstecken. Lediglich das Gameplay, und darauf kommt es schließlich zu allererst an, zieht das Spiel ordentlich nach unten.Vielleicht reichen die Verkaufszahlen ja aus, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen. Zu wünschen wäre es dem Team, man hätte nämlich durchaus mehr aus den guten Ansätzen machen können. Bis dahin muß man sich wohl mit den gleichen schwer erträglichen Längen abfinden, die sich auch auf der Tips und Tricks-Seite im Internet finden lassen. Sie können ja mal reinschauen:
http://members.aol.com/ambersite.

Alternativen:
Shivers
Sierra@ 29,95 Mark
Lighthouse
Sierra@ 119,95 Mark
Terror Trax
Grolier@ 49,95 Mark

Minimum:
486 DX 66, 8 MB RAM, SVGA, Windows 95

Pro
Überzeugende Grafik
SolideTechnik

Kontra
Nicht sonderlich originell
Etliche Längen
Stockender Spielfluß

Spiel/Dauerspaß:   24 von 50
Handhabung:           8 von 10
Grafik:                    18 von 20
Sound:                   15 von 20

Gesamt: 65%

Hersteller: NBG

Preis: ca. 80 Mark

Mai 1997 PC Power

 

 

 

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