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Alter Ego - Dark Adventure


Releasedatum: 26.03.2010

Entwickler: Future Games

Publisher: bitComposer Games / Namco Bandai

Spielsprache: deutsch

Homepage
Homepage Publisher deutsch

Boxshots

USK: ab 12 Jahren
PEGI; 12+ (Gewalt, Schimpfwörter)

 

 

Ein Review von  slydos   21. April 2010

 

Das Entwicklungsstudio Future Games steht für Black Mirror, Nibiru und Reprobates_. Das sind jedenfalls die Adventurespiele, die auch in Deutschland von den Tschechen zu haben sind. Das dunkle Mysteryadventure machte sie bekannt, das solide Nibiru konsolidierte sie auf mittlerem Niveau, das tiefschürfendere Reprobates_ rückte sie in die Kontroverse. Alter Ego soll nun wieder an den Anfangserfolg anknüpfen. Ja es wird gar als der wirkliche Nachfolger angepriesen, den Future Games selbst nicht produzieren konnte, da die veräußerte Lizenz andernorts umgesetzt wurde. Damit überspringt der deutsche Publisher das in der Zeitreihe nächste Adventureprodukt der Entwickler, das Fantasyadventure Tale of a Hero, und konzentriert sich auf den erfolgversprechenderen Mysterykrimi mit dem mehrdeutigen Titel.

Der Untertitel "Dark Adventure" will eine Nähe zu Black Mirror herstellen und vom Cover des Klappkartons droht eine blutbefleckte Collage aus einem wild dreinblickenden Assassinen vor einem christlichen Kirchenbau.

 

Drei Erzählebenen

Orientalisch wird's dann doch nicht wirklich. Tatsächlich spielt unsere Geschichte im südenglischen Plymouth des Jahres 1894. Der Hafen war immer schon Ausgangspunkt für den Aufbruch in die Ferne, seien die Gründe wirtschaftlicher, religiöser oder politischer Natur.

Unseren ersten Hauptdarsteller, Timothy Moor, einen erfolglosen Dieb, treiben wirtschaftliche Überlegungen auf ein Schiff in die Neue Welt. Zuvor will er in Plymouth einen Freund treffen, der sich ebenfalls entschieden hat, dem alten Europa den Rücken zu kehren. Mit ihm plant er, sich die Überfahrt zusammenzurauben. Doch vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt, und Schweiß ist nicht wirklich Timothys zweiter Vorname. Die Umstände zwingen ihn jedoch kurzfristig zu einigen Anstrengungen: selbst ausgeraubt entgeht er nur knapp dem Zugriff der Polizei. Es gilt nun, sich unentdeckt umzuschauen, um den Freund aufzutun ...

Währenddessen trifft unser zweiter Held in Plymouth ein, Detective Bristol. Ja, er sollte eigentlich Bristol heißen, denn das ist der Name, den sowohl Entwickler- und Publisherwebsites als auch Handbuch und Verpackung ihm zugedacht hatten. Nur im Spiel selbst lautet sein Name Briscol! Das hätte wirklich mal irgendjemandem auffallen können, oder nicht? Jedenfalls versucht sich der snobistisch auftretende Beamte Respekt qua positionem zu verschaffen, was ihm zu unserer Genugtuung erschwert wird, weil er sich zum einen beklauen läßt, zum anderen gegenüber der 'Kundschaft' nicht ausweisen kann. Sein erster Arbeitstag in der neuen Stelle ist also nicht so geruhsam wie erwartet. Er muß sich umgehend um eine Grabschändung kümmern, die uns im Laufe des Spiels auf die Spur weiterer Verbrechen führt. Es geht um die Ruhestätte des just bestatteten Sir William, dem die veröffentlichte Meinung den Namen "Die weiße Bestie" gegeben hat.

Und das führt uns zur dritten Erzählebene der Geschichte: der Sichtweise der Presse. Kurze Filme an den Kapitelanfängen vermitteln das zunächst einzig greifbare Bild über die mysteriöse Figur des Sir William und schildern ihn als entstelltes, serienmordendes Monster, das jedoch niemals wegen der vorgeworfenen Verbrechen verurteilt wurde.

Die drei Perspektiven treffen im Laufe des Spiels in Form von Spielcharakteren aufeinander und tauschen sich auch aus. Dem Spieler obliegt die Bewertung der gesamten Informationsmenge, um voranzukommen. Ich muß zugeben, ich hätte manchmal andere Schlüsse als der Detective gezogen, bzw. andere Dinge getan als Timothy, wäre ich tatsächlich an deren Stelle gewesen. Dies liegt zum guten Teil daran, daß dem Spieler durch die gewählte Erzählweise mehr Wissen zugespielt wird als den beiden steuerbaren Charakteren. Dies ist eine, wie ich finde, neue und höchst interessante Erzählqualität! Ohne zuviel verraten zu wollen, sei angemerkt, daß der Spieler sehr geschickt manipuliert wird, und die überraschenden Twists und Turns nicht zuletzt auf seiner allzumenschlichen Beeinflußbarkeit beruhen. Alter Ego ist ein feines Lehrstück in dieser Hinsicht!

Future Games setzt mit Alter Ego einen weiteren erzählerischen Glanzpunkt, denn sie entwickeln zum ersten Mal eine Story, die ohne Kunstgriffe über paranormale Hilfsmittel bestehen kann. Idee und Struktur formen ein durchaus spannendes, durchdachtes Whodunnit mit einer interessanten Perspektivspaltung im Freudschen Sinne: mit dem triebgesteuerten "Es" in Gestalt von Timothy, dem denkenden "Ich" verkörpert durch Bristol und dem Spieler als moralinsaurem "Über-Ich", voll von Interpretationsmustern, die sich dann auch noch 'gemein' entlarvend beim Erkennen der 'Spiel-Wahrheit' gegen ihn wenden. Möglicherweise stellen in diesem Licht besehen die zwanglos abgegebenen Kommentare zu Alter Ego die noch größere Unterhaltung dar, als das Spiel selbst! ;-)

Soviel zur Erzählweise hinter dem 'simplen' Inhalt einer Kriminalgeschichte. Ins Minus gerät diese im letzten Drittel, wenn der komplex angelegte Fall plötzlich viel zu schnell und viel zu rätselarm auf das Ende hin hastig abgespult wird.

 

Rätsel

Beim Entwirren der Geschichte werden keine schweren Aufgaben gestellt. Die bis auf zwei Ausnahmen objekt- bzw. dialogbasierenden Rätsel hängen wie immer davon ab, wie sorgsam und strukturiert die Spieler Hotspots und Objekte zu kombinieren versuchen. Denn genau das ist es ja, was uns beim Fehlen einer Ahnung weiterbringt. Manche der Kombinationsaufgaben habe ich nicht wirklich verstanden aber trotzdem gelöst, beispielsweise Fußspuren abzubürsten bevor Abdrücke genommen werden können. Dabei kann die strikte Linearität des Rätselaufbaus schon mal ärgern, wenn man beispielsweise Wasser nicht am Hotspot "Brunnen" sondern nur am Hotspot "Kanal" nehmen kann. Kenner von Future-Games-Adventures werden allerdings mit diesem Aufbau vertraut sein und bei einem Spielstopp die 'üblichen Verdächtigen' abgrasen.

Bei einer zu geringen Gesamtzahl von Rätseln - speziell im überhasteten letzten Drittel - bleibt auch die Zahl der wirklich einfallsreichen Aufgaben klein.

Einfach bleibt der Schwierigkeitsgrad auch wegen Future Games' bekannter Methode, nicht rätselrelevante Hotspots nach ein- oder mehrmaligem Anklicken zu eliminieren und die gleichzeitig begehbaren Schauplätze auf wenige Szenen zu begrenzen. Inventarobjekte leuchten über dem korrekten Hotspot oder Objekt auf. Eine Hotspotanzeige auf Tastendruck senkt ebenfalls das Anforderungsniveau. Läßt man also die Finger von Lösungshilfen, dann notiere man zumindest 2 positive Erlebnisse: eine Spieldauer von etwa 12 Stunden und das gute Gefühl, den Erfolg aufs eigene Konto schreiben zu dürfen. Spaß macht das Aufspüren der Beweise und Ausschließen von Verdächtigen in Bristols Notizbuch, dessen Existenz übrigens nicht im Handbuch erwähnt wird.

 

Grafik/Sound

Lassen wir die zahmen Rätsel hinter uns und wenden uns der stimmungsvollen Grafik im romantischen Gothic-Look zu. Hier knüpfen die Entwickler direkt an Black Mirror an. Ohne die Spieler tatsächlich in Dunkelheit zu hüllen, verstehen sie, den Anschein von Dunkel zu transportieren obwohl die Szenarien immer gut erkennbar und detailreich gezeichnet sind. Wir bewegen unsere mittelmäßig animierten Charaktere auch nicht dauernd in schummrigem Kerzenschein oder Laternenlicht, sondern auch am hellen Tag, jedoch immer mit der aus Black Mirror bekannten warmen Patina.

Aber mal ehrlich, Alter Egos noch so schöne Schauplätze, seien es Herrenhäuser oder Friedhofstore, Kirche oder Abwasserkanäle ... sie könnten genausogut Black Mirror schmücken. Dieser Punkt enttäuscht: es gibt keinen Hinweis auf das echte Plymouth! Da rühmt die Verpackung 80 Schauplätze in Plymouth, aber das Lokalkolorit fehlt vollkommen. Kein Denkmal von Francis Drake, keine Zitadelle oder etwa die damals schon üblichen Straßenbahnen, noch nicht einmal ein Einblick in das Hafenviertel ...

Die angegebenen 80 Schauplätze müssen ebenfalls relativiert werden. Es sind, wohlwollend gefasst, nur 12 oder 13 Schauplätze, in denen ich insgesamt 42 Szenenbilder gezählt habe, allerdings ohne Zooms von Detailansichten wie z.B. Schubladen oder Safes zu notieren. Der Schauplatz 'Herrenhaus der Lewis' hat z.B. vier verschiedene Szenenbilder: das Tor, den Vorhof, den Hinterhof und die Halle und zusätzlich 2 Nahansichten von Bildbereichen. Nimmt man also ebenfalls wieder wohlwollend die Anzahl der Szenenbilder für Schauplätze, dann sind es trotzdem nur etwa halb soviel wie versprochen.

Halb soviel Szenen zu begehen und zu untersuchen bedeutet aber eine wesentlich kürzere Spielzeit als bei einem doppelt so großen Areal anzunehmen wäre. Und tatsächlich ist dieses Fehlen weiterführender Szenen oft so greif- und spürbar, daß es weh tut.

Trotz dieser Einschränkungen und nur sehr sporadisch eingesetzter Geräuscheffekte, Musik oder gar Hintergrundanimationen wird Atmosphäre, sogar Spannung durch ungewöhnliche Perspektiven und die Dramaturgie der Ungewißheit erzeugt. Eine gut gecastete, professionelle Sprecherriege fügt ihren ausdrucksstarken Teil hinzu. In der Kirche hat man mit dem Hall leicht übertrieben; die Verständlichkeit leidet hier.

Die Geschwindigkeit der Dialoge kann variiert werden und auch bei der Grafikauflösung hat man viele verschiedene Auswahlmöglichkeiten. Wenn dann noch Kommentare und Dialoge einwandfrei übersetzt worden wären, könnte man über die Lokalisation wenig klagen. Leider gibt es Textstellen, die nur mit Platzhaltern gefüllt wurden und einige auffällige Fehler bis hin zum falsch geschriebenen Namen eines Hauptcharakters trüben die deutsche Version.

 

Handhabung

Es gibt leider weitere Fehler. Man friert seinen Rechner ein, wenn man versucht, einen gespeicherten Spielstand zu laden. Sicher, wenn man erstmal herrausbekommen hat, daß man diese Klippe mit zweimaligem Laden desselben Savegames oder einer längeren Wartezeit vor dem ersten Laden umgehen kann, dann läuft das Spiel. Aber auch das hätte irgendjemandem auffallen können, oder nicht? Herrje, spielt eigentlich kein Entwickler mehr ein Spiel nach Implementation einer Sprachversion wenigstens an?

Auch wenn sonst die bequeme Maussteuerung, das Inventarhandling bis hin zu Menüs und schnellem Rein- und Rauskommen ein angenehmes Spielerlebnis verheißen, so zerren manche ebenso dumme wie leicht zu ändernde Features an den Nerven und den Gesamteindruck in den Keller: wenn man mehr als 30 oder 40 mal klicken muß, um an das aktuellste Savegame zu gelangen, dann ärgert das einfach. Komfort wäre die Abwesenheit solcher Störfaktoren.

Jetzt werde ich es einfach mal wie Future Games machen - ich komme schnell zum Schluß!

 

Fazit

Idee und Ezählweise sind kreativ und tragen sogar den Hauch von Innovation. Grafik, Atmosphäre und Sprecher erfüllen die Erwartungen. Rätsel und Handling bleiben dahinter zurück. Trotz Kürze und Bugs präsentieren uns die Entwickler erstmals eine stimmige, realistische Story. Genau das war an der Zeit und genau das hat mir gefallen!

 

 Meine Gesamtbewertung: 74%

 

 

Bewertungssystem Adventure-Archiv:

  • 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
  • 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
  • 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
  • 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
  • 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
  • 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)

 

Systemvoraussetzungen:

  • Windows XP/Vista/7
  • Prozessor 1.5 GHz
  • 512 MB RAM
  • DirectX9 kompatible Grafikkarte
  • DirectX9 kompatible Soundkarte
  • DirectX 9.0c
  • 4 GB Festplattenspeicher
  • DVD-Rom
  • Tastatur und Maus

 

gespielt mit:

  • Windows XP
  • Pentium IV 3,6 GHz
  • 2 GB RAM
  • 48x DVD-ROM
  • NVidia GeForce 7600GS 256 MB
  • Soundkarte DirectX-kompatibel

 

Copyright © slydos für Adventure-Archiv, 21. April 2010

 

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Das  Assassinengesicht des Verkaufsschubers charakterisiert das Windowseinstiegsmenü
Das Assassinengesicht des Verkaufsschubers charakterisiert das Windows-Einstiegsmenü

 

Hauptmenü links - hier mit der Ingame-Hilfe
Hauptmenü links - hier mit der Ingame-Hilfe

 

Timothy Moor
Timothy Moor


Detective Bristol
Detective Bristol

 

Die Geschwindigkeit der Untertitel kann im Optionsmenü geregelt werden
Die Geschwindigkeit der Untertitel kann im Optionsmenü geregelt werden

 

Auf der sicheren Seite beim Ladebug: nach dem Klick auf das Szenenbild gleich nochmal auf "Spiel laden" gehen.
Auf der sicheren Seite beim Ladebug: nach dem Klick auf das Szenenbild gleich nochmal auf "Spiel laden" gehen. Es macht keinen Spaß, sich wie hier immer wieder durch 30 und mehr Speicherstände zu klicken

 


In der Falle - Ist es das Ende?
In der Falle - Ist es das Ende?

 

Ein Plan muß her
Ein Plan muß her

 

Die ungewöhnliche Perspektive läßt die kirchliche Zuflucht bedrohlich erscheinen
Die ungewöhnliche Perspektive läßt die kirchliche Zuflucht bedrohlich erscheinen

 

In einer Kanalisation wie dieser fühlt sich der Adventurespieler doch gleich zu Hause! Ein längerer Aufenthalt ist jedoch mangels Rätseln nicht vorgesehen
In einer Kanalisation wie dieser fühlt sich der Adventurespieler doch gleich zu Hause! Ein längerer Aufenthalt ist jedoch mangels Rätseln nicht vorgesehen  

 

Es geht übrigens auch sonnig!
Es geht übrigens auch sonnig!

 

Die Wäscherin Emily. Timothy setzt seinen Charme bei Frauen erfolgreich ein
Die Wäscherin Emily. Timothy setzt seinen Charme bei Frauen erfolgreich ein

 

Zoomansicht: Ein Opferstock - für Timothy wäre das kein Hindernis ... für Bristol schon
Zoomansicht: Ein Opferstock - für Timothy wäre das kein Hindernis ... für Bristol schon

 

Schon wieder in der Bredouille! Diesmal ist es wirklich das Ende, oder nicht? oder nicht?
Schon wieder in der Bredouille! Diesmal ist es wirklich das Ende, oder nicht?

 

 

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