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15 Days
Entwickler: House of Tales
Releasedatum: 20.11.2009
Publisher: dtpSpielsprache: deutsch
USK: ab 12 Jahren
PEGI: 16+
Ein Review von slydos 24. November 2009
Nach dem düsteren Overclocked wurde uns von House of Tales ein freundlicheres Setting versprochen. In der Tat lacht die Sonne in den meisten Schauplätzen von 15 Days und auch die Nächte sind sternenklar. Auch Story und Darstellung gehen mehr in Richtung wolkenlos mit Aussichten auf Kurzweil.
Die rasante, lineare Handlung erlaubt keine Atempausen. Sie erlaubt auch so gut wie keine interaktiven Rätsel. 15 Days ist kein Adventurespiel, sondern ein Film mit gelegentlich eingestreuten Klickmöglichkeiten für die Zuschauer und einigen Aufgaben im Minispielstil, bei dem es nach maximal 10stündiger Spielzeit schwer fällt, sich überhaupt an selbst ausgeführte Aktionen zu erinnern. Im Gegensatz zu einer Film-DVD bietet 15 Days aber nicht die Möglichkeit, die Handlung zu pausieren, um zwischendurch menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.
Handlung
Erzählt wird die Geschichte eines englischen Aktivistentrios, das in Robin-Hood-Manier Gemälde stiehlt, um den Erlös einem guten Zweck zukommen zu lassen. Während die drei gerade ihren neuesten Coup feiern, stirbt der britische Außenminister unter mysteriösen Umständen, was die vierte Spielfigur, den amerikanischen Ermittler Jack Stern, auf den Plan bringt. Die beiden Handlungsstränge der Diebe und des Ermittlers laufen parallel, finden aber am Ende zusammen.
Das Spiel besteht zu 80% aus automatisch ablaufenden Szenen, zwischen denen wir abwechselnd jeweils einen der 4 Charaktere Cathryn Hope, Bernard Dawaele, Mike Mensforth und Jack Stern steuern können. Steuern ist eigentlich auch nicht das richtige Wort für die Interaktion in 15 Days, da man keinen echten Einfluß auf das Verhalten der Spielercharaktere hat. Die Spielszenen haben in der Regel ein bis vier Szenenausgänge und null bis 6 unterschiedliche Hotspots, NPCs eingerechnet. Da geht es Schlag auf Schlag und man hat kaum einen Chance, einen Interaktionspunkt auszuwählen, der nicht sofort wieder in eine Filmszene mündet.
Sobald man Gesprächspartner, Hotspots oder Szenenausgänge anklickt, muß man sich darauf gefaßt machen, viele Minuten vor dem Bildschirm zu verharren, um automatische Gespräche sowie die meist darauf folgenden automatischen Filmsequenzen zu betrachten, will man keine Informationen verpassen. Außer einem Totalabbruch dieser Sequenzen mit der ESC-Taste ist es nicht möglich, wichtige Gespräche zu wiederholen bzw. satzweise weiterzuspringen um so dem Spiel das eigene Tempo abzuringen.
Die durchaus spannende Geschichte setzt sich zusammen aus bekannten Versatzstücken meist aus dem Filmbereich (Ocean's 11, James Bond, etc.). Sie hat gute, aktuell orientierte Dialoge, interessante Schauplätze und auch genügend Tiefe in Charakterdarstellung und Hintergrundinfos. Das Erzähltempo ist extrem rasant, so daß man durchaus das Gefühl von Action vermittelt bekommt. Es geschieht viel und die Charaktere kommen nie zur Ruhe im Stile moderner angloamerikanischer TV-Serien und Filme, die mit schnellen Schnitten und dauernden Kamerawechseln das Auge bombardieren. Dafür ruht aber der Spieler und fragt sich nach zwei, drei Stunden in seiner Rolle als Zuschauer, warum ihm bei aller Hetze der Handlung eigentlich Hände und Hirn gefesselt werden, obwohl es doch so viele Ansatzpunkte für wirkliche Interaktivität gäbe.
Rätsel
Tja, wenn es denn richtige Rätsel gäbe, würde ich sie hier aufführen. Aber außer einigen minispielartigen Aufgaben und gelegentlichen eigenständigen Suchvorgängen in einer eingebauten Datenbank namens Ryzoom sucht man sie vergebens. Wie bereits erwähnt, sind die interaktiven Bereiche innerhalb von Szenen, sowie die zugänglichen Locations derart beschränkt, daß man das Anklicken der wenigen vorhandenen Hotspots nicht als eine geistige Herausforderung ansehen kann. Nicht genug, die Leertaste zeigt auch diese wenigen Bereiche an und die vier-fünf Minispiele kann man sich ebenfalls automatisch lösen lassen. Und wenn man mal das Falsche tut, wie z.B. einen Schauplatz zu verlassen, ohne alle vorgesehenen Aufgaben erledigt zu haben, dann sagt einem der Spielcharakter auch noch, was zu tun ist. Mögliche Aktionen werden kontextsensitiv im Spielbereich bzw. mit den wenigen Inventargegenständen angezeigt. Es gibt keine Chance, Fehler zu machen - auch ein mittelmäßig begabter Schimpanse kann die Schlußszene erreichen (noch schlimmer, ich vermute, meine Katze könnte es auch); dadurch wird verhindert, den Spielfortschritt dem eigenen Intellekt zuschreiben zu können. Besonders deprimierend, wenn man sich zurechtgelegt hat, was man den Charakter tun lassen könnte und der macht dann alles ganz vollautomatisch! Wenn das die neue Generation von Adventurespielen sein soll, dann steige ich auf billigere Wimmelbildspiele oder gleich Sudoku um! Selbstredend gibt es keine GameOvers oder Sackgassen, keine zeitabhängigen Aufgaben, keine Sequenzen die Geschicklichkeit voraussetzen. Der Schwierigkeitsgrad ist sehr leicht (wenn man die linke Maustaste bedienen kann, ist man der King!) und bleibt dabei bis zum Schluß.
Grafik/Sound
Hier punktet 15 Days. Tolle Hintergrundgrafiken, schöne Schauplätze und gute 3D-Charaktermodelle werden ergänzt durch sehr unterschiedliche Musikthemen, die noch mehr Atmosphäre aus den üppigen Szenenbildern rauskitzeln. Auch die Hintergrundanimationen sind nett, die tropische Wasseranimation hat mich allerdings immer noch etwas an Lummerland erinnert. Sei's drum, grafisch hat House of Tales auf jeden Fall zugelegt. Meist bieten die automatischen Sequenzen kinomäßige, realistisch anmutende Unterhaltung, auch wenn man hier und da des Guten zu viel getan hat und Cathryn während des Abhörens eines Anrufbeantworters im Sekundentakt aus 2 Perspektiven wechselnd gezeigt wird. Die Sprecher haben ihren Job generell ausgezeichnet gemacht, auch wenn mir die 'schwarzen Stimmen' immer etwas zu 'weiß' klangen und auch die Eingeboren-NPC vom Teint her hätten Russen sein können. Dafür wurde aber grundsätzlich wirklich gut intoniert und vor allen Dingen sich auch getraut, ausdrucksvolle Pausen zu setzen - sehr gut!
Bedienung
Auch hier kann man bis auf eine Sache wirklich nicht klagen: das Interface dieses Point&Click-Spiels ist komfortabel und intuitiv. Mich hat nur die mangelnde Differenzierung zwischen Übersichtskarte und Inventar gestört. Statt des Inventars öffnete sich bei meiner Handhabung des neuen sogenannten 'Function-Hub' in der linken unteren Bildschirmecke meist die Karte, reagierte also nicht so, wie geplant. Neben einem kontextsensitiven, veränderbaren Mauscursor werden Hotspots auch mit einer Textbeschriftung kenntlich gemacht und mögliche Hotspot- oder Objektmanipulationen in einem Kontextmenü angezeigt. Während auch die meistgebrauchten Funktionen wie Speichern und Laden ebenfalls über das Function-Hub zugänglich sind, hat man die Spieloptionen, wie Lautstärkeregler oder Bildschirmhelligkeit ins Optionsmenü gesteckt, das man über das Hauptmenü per ESC-Taste erreicht. Die Ladefunktion bringt den neuesten Speicherstand zuoberst und es gibt keine langen Wartezeiten beim Speichern, Laden, Spielantritt oder beim Verlassen. Angenehm ist die Möglichkeit, über das Hauptmenü jeweils zum letzten Spielstand direkt zu gelangen ohne ein Savegame zu bemühen. Dies funktioniert aber nur, wenn es vorher keinen Spielabbruch gegeben hat. Bei mir kam es ganze 4 x vor, daß sich das Spiel zur Windows-Oberfläche verabschiedete. Danach war ein gesicherter Spielstand notwendig. Regelmäßiges Speichern geht schnell und ist wegen möglicher Crashs oder wenn man Spielsequenzen wiederholen möchte auch nach jeder längeren Sequenz ratsam. Sollte man noch Fragen zum Handling oder bei technischen Problemen haben, so findet man im ausführlichen 32seitigen Handbuch Hilfe.
Fazit
Als Film wäre 15 Days unterhaltsam, attraktiv und kurzweilig gemacht, als Vollpreis-Adventure hat es das Thema verfehlt. Die Pluspunkte bei Story, Handling, Grafik und Sound wiegen die fehlende Interaktivität nicht auf. Ich will selbstständig spielen statt berieselt und bevormundet zu werden. Daneben hat mich der so herausfordernd vergleichbare Benoît-Sokal-Paradise-Schluß - also die Moral von der Geschicht' - bei Paradise ungleich mehr berührt als bei 15 Days.
Meine Gesamtbewertung: 68%
Bewertungssystem Adventure-Archiv:
- 80% bis 100% sehr gutes Spiel (sehr empfehlenswert)
- 70% bis 79% gut (empfehlenswert)
- 60% bis 69% befriedigend (bedingt empfehlenswert, mit Abstrichen)
- 50% bis 59% ausreichend (nicht gerade empfehlenswert)
- 40% bis 49% ziemlich schlecht (eher abzuraten - etwas für Hardcore-Adventure-Freaks und Sammler)
- 0% bis 39% grottenschlecht (lieber die Finger davon lassen)
Minimale Systemvoraussetzungen:
- Intel Pentium IV oder vergleichbarer Prozessor mit 1,6 MHz
- 512 MB RAM (Windows XP)/1GB (Windows Vista)
- DirectX9-kompatible Grafikkarte mit 128 MB RAM Shader 2.0
- DirectX9-kompatible Soundkarte
- 4 GB freier Festplattenspeicher
- DVDROM-Laufwerk
- Tastatur, Maus
gespielt mit:
- Windows XP
- Pentium IV 3,6 GHz
- 2 GB RAM
- 48x DVD-ROM
- NVidia GeForce 7600GS 256 MB
- Soundkarte DirectX-kompatibel
Copyright © slydos für Adventure-Archiv, 24. November 2009
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Hauptmenü
Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse
Nicht wir denken für unseren Charakter, sondern das Spiel für uns
Mike und Cathryn -
Die Dialogicons am unteren Bildschirmrand sorgen manchmal für Unterbrechungen im automatischen Ablauf
Ein 'Mindgame' genanntes Minispiel
Cathryn trifft einen Auftraggeber
Die Karte von London - man kann nur zu anderen Orten springen, wenn es dem linearen Spielgerüst gefällt
Die internetartige Datenbank Ryzoom ist ein kleiner Freiraum für die Spieler, sich auszuprobieren
Die Vorarbeit für einen Einbruch ist Recherche
Die Reihenfolge der anzuklickenden Hotspots ergibt sich von alleine